Der Mann dahinter

Red Bull beflügelt Karrieren: Der junge Schweizer Dany Bahar gelangte als völlig unbeschriebenes Blatt an die Schalthebel der Macht des Milliardenkonzerns.

Dany Bahar ist ein Phantom. Für ein Porträt steht er nicht zur Verfügung. Die Pressefrau weist er an, keinen Lebenslauf von ihm auszuhändigen. Prominente Freunde und Geschäftspartner – der einstige Internet-Unternehmer und heutige Financier Daniel Aegerter, IWC-Chef Georges Kern, der Zürcher Headhunter Pascal Forster, der PR-Berater Christoph Richterich – verweigern die Auskunft: «Dany will nicht, dass wir öffentlich über ihn reden.» Kein Wunder, existieren keine Presseartikel über ihn.

Dabei spielt der Bündner eine entscheidende Rolle beim Milliardenkonzern Red Bull. Als er vor drei Jahren am Hauptsitz in Fuschl bei Salzburg aufkreuzte, wurde er kaum beachtet. Heute rätseln in der Getränkefirma mit ihren 3000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von zwei Milliarden Euro alle über den Aufstieg des 34-Jährigen aus dem Engadin. Offiziell die rechte Hand des österreichischen Gründers Dietrich Mateschitz, 62, gibt es inzwischen keinen Entscheid mehr, der nicht über Bahars Tisch geht. Mancher fragt sich: Wie konnte der Schweizer türkischer Abstammung solch eine Machtposition aufbauen? Wie konnte er das uneingeschränkte Vertrauen des öffentlichkeitsscheuen Milliardärs Mateschitz gewinnen? Und wie gross sind seine Chancen, dereinst in dessen Fussstapfen zu treten?

Red Bull hebt international ab

Dany Bahars Geschichte ist die Geschichte einer Blitzkarriere, die in einem normalen Unternehmen kaum möglich wäre. Aber Red Bull ist kein normales Unternehmen. Seit 20 Jahren befindet sich die Firma auf globalem Siegeszug, ohne dass die Strukturen den neuen Dimensionen angepasst worden wären. Der alkoholfreie Energiedrink verkauft sich inzwischen in 130 Ländern, letztes Jahr gingen 2,5 Milliarden Dosen über den Ladentisch, ein Viertel mehr als 2004, dieses Jahr werden es geschätzte 3 Milliarden sein. Unter dem Strich dürfte die Hälfte als Gewinn zurückbleiben. Damit finanziert Besitzer Mateschitz die unterschiedlichsten Aktivitäten: zwei Formel-1-Rennställe, den Fussballklub Salzburg, Zeitungen und Magazine oder auch ein Archipel in Tahiti. Red Bull ist zur riesigen Geldmaschine geworden: Das Dosengeschäft spült Milliarden in die Kasse, von dort rauscht ein Grossteil hinaus ins Sponsoring mit dem Ziel, die Marke zum Inbegriff eines trendigen Lifestyles zu machen. An den Hebeln dieser Maschine sitzt Dany Bahar.

Wer ist der Mann? Die Spurensuche beginnt in Istanbul. Dort kommt er 1971 als Taner Bahar zur Welt. Kurz darauf emigriert die Familie nach Silvaplana GR. Der Vater arbeitet als Elektriker, wird später Verwalter einer Überbauung mit Eigentumswohnungen. Leute wie der einstige Fernsehtycoon Leo Kirch verbringen hier ihre Ferien. Mutter Gülüm verdient in einem Hotel ein Zubrot für die Familie.

Bahar ist street-smart

Taner schlägt der Mutter nach, von ihr hat er den Charme und die Unternehmungslust. Ein sprachgewandter Junge, der neben Romanisch Deutsch, Italienisch und später Englisch lernt und nie weniger als eine Fünf aus der Sekundarschule nach Hause bringt. Als Taner im örtlichen Sportgeschäft Conrad eine Verkäuferlehre beginnt, zeigt sich rasch, dass er unterfordert ist. Also lässt ihn Besitzer Curdin Conrad die Werkstatt auf Vordermann bringen. Dort bemerkt der 16-Jährige, wie ein Mitarbeiter in die Kasse greift. Statt wegzuschauen, rapportiert Stift Taner den Vorfall der Meistersfrau. Mutig sei das gewesen, findet Conrad. «Unser Taner war aussergewöhnlich loyal und zuverlässig.»

Es ist keine schulische Intelligenz, die den Jungen auszeichnet. Eher eine intuitive: Er ist street-smart, «wie eine Katze, die immer auf ihre Beine fällt», sagt Conrad. Nach der Verkaufslehre beginnt Bahar mit 18 eine kaufmännische Lehre im Kanton St. Gallen. Kaum kommt er zu Geld, kauft er ein Mercedes-Cabriolet und fährt seine attraktive Freundin aus gutem Haus spazieren. Einmal lädt er Ex-Chef Conrad und dessen Frau nach Zürich ein. Er lässt sie mit einer Stretchlimousine abholen und in sein Stammlokal, ein Gourmetrestaurant, chauffieren. Seinem Bruder Daver missfällt Taners Lebensstil. Es kommt zum Streit. Bis heute sprechen die beiden kein Wort mehr miteinander.

Mit 25 findet Taner Bahar, der sich jetzt Dany nennt, seine erste Berufung. Mitte der Neunzigerjahre kommt das Inline-Skating auf, Coni Altherr ist der grosse Promoter der neuen Trendsportart. Bahar sucht für ihn Sponsoren. «Dany ist ein faszinierender Mensch», beschreibt ihn Altherr, «es gibt selten so scharfe Denker.» Selten auch so risikofreudige: Er gewinnt die Modemarke Benetton als 600 000-Franken-Sponsor, für damalige Verhältnisse eine Wahnsinnssumme. Als Gegenleistung müssen zwei Werkteams der Italiener übernommen werden. Als in der Folge ein grosser Verlust resultiert, geraten sich der draufgängerische Bahar und der besonnene Altherr in die Haare. «Dany wollte immer nur nach oben», sagt der Organisator des Engadiner Inline-Marathons.

Nächste Destination auf seinem Weg dorthin ist Rom. Ende der Neunzigerjahre wird Bahar Assistent von Sabatino Aracu, Politiker und hoher Funktionär im Rollersport. Was Bahar in Italien tut, ist nicht bekannt. Bemerkenswert ist, was man sich später am Red-Bull-Hauptsitz erzählt: Er soll Sekretär des Ex-Premiers Silvio Berlusconi gewesen sein. Die Behauptung trägt zur Legendenbildung bei, ist aber bis heute unbewiesen. Der einzige klare Bezug zu Berlusconi ist die Forza-Italia-Parteizugehörigkeit von Aracu.

Heirat als Eintrittsbillett

Von 2001 bis 2003 arbeitet Bahar in Vaduz bei der Fritz Kaiser Group, einer renommierten Vermögensverwaltungsfirma für wohlhabende Privatanleger. In dieser Zeit lernt er Red-Bull-Eigner Mateschitz kennen, der sein Vermögen von Kaiser verwalten lässt und mit dem Liechtensteiner zusammen den Schweizer Formel-1-Rennstall Sauber finanziert. Im Oktober 2002, ein Jahr nachdem sich Bahar unter seinem neuen Namen Dany einbürgern liess, stellt er die Weichen für den Zugang zum Schweizer Establishment. In der noblen Zürichseegemeinde Küsnacht heiratet er Annett Johansson, Tochter des bekannten Headhunters Björn Johansson. Bahar tritt der Griffith-Sponsorenvereinigung des Zürcher Fussballklubs Grasshoppers bei, wo sich Geschäftsleute treffen. Im Klub zum Rennweg, welcher der zukünftigen Schweizer Businesselite gegen einen Jahresbeitrag von 10 000 Franken vorbehalten bleibt, ist Bahar eines der ersten Mitglieder. Die Vermählung mit Annett Johansson verstärkt ausserdem den Draht zu Red Bull: Vater Björn hat Red-Bull-Gründer Mateschitz öfters Manager vermittelt. Im Herbst 2003 landet auch Dany Bahar bei Mateschitz – just zu der Zeit, als der Unternehmer erstmals eine professionelle Führungscrew für sein explosionsartig wachsendes Unternehmen einsetzt. Gestandene Profis von Konsumgütermultis wie Kellogg’s Cornflakes und Masterfood (Mars, Snickers) pilgern nach Salzburg. Sie etablieren Strukturen, definieren Abläufe, entwerfen Aktionspläne.

Aufstand der Manager

Nach wenigen Monaten merken sie, dass sie ins Leere managen. Eine Schattenorganisation mit Bahar an der Spitze bildet das wahre Machtzentrum. Im Sommer 2004 kommt es im Topmanagement zur offenen Auseinandersetzung: er oder wir. Mateschitz hält zu seinem Ziehsohn. Die meisten der kurz zuvor angeheuerten Manager gehen oder werden gegangen. Selbst einige von Mateschitz‘ langjährigen Weggefährten verlassen die Firma. «Red Bull», sagt einer, «wird die erste Unternehmung sein, die nicht aus Mangel an Geld untergeht, sondern aus Mangel an Leuten.»

Während Mateschitz, offiziell sowohl CEO als auch VR-Präsident, oft abwesend ist, um sich um seinen kleinen Sohn oder seine Freunde zu kümmern, schmeisst Bahar den Milliardenladen. Nichts läuft mehr ohne seinen Segen. Den Besitzer bekommen die Manager kaum mehr zu Gesicht. In den Sitzungen führt Bahar Regie, Mateschitz stellt ein paar wenige Fragen, das Follow-up mit den Projektverantwortlichen macht allein Bahar. Er ist der Einzige im Konzern, der mit Mateschitz per Du ist, der Einzige, der jederzeit Zugang zu ihm hat. Wird Mateschitz das Tagesgeschäft bald dem jungen Schweizer übergeben? Wird er ihn offiziell zum CEO machen? Die Wahrscheinlichkeit ist gross. Denn die Abhängigkeit von Dany Bahar wächst von Tag zu Tag.


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