Chief Executive Egli

Fussballtrainer Andy Egli macht in Fernost die gleichen Erfahrungen wie seine Managerkollegen in der Unternehmenswelt.

Wenn sich Andy Egli morgens um sieben in die U-Bahn zwängt, sieht er weit und breit keine vertrauten Gesichter. Für diesen Anblick mangelt es den Managern der grossen Westunternehmen in ihren chauffierten Limousinen an Zeit und Energie.

Dabei unterscheidet sich Eglis Aufgabe in Südkorea nicht grundsätzlich von jener seiner Kollegen aus Finanz und Industrie. Statt in einem Hochhausbüro erteilt Egli seine Direktiven auf dem Rasen des 56 000 Plätze fassenden Stadions des FC Busan I’Park. Nach neun Jahren ohne Titel soll der Schweizer das Team der Hafenstadt, die 400 Kilometer entfernt von Seoul in der Südostecke der Halbinsel liegt, zurück an die Spitze führen.

Wie alle Westmanager sieht sich auch der Schweizer Fussballcoach von der komplett anderen Arbeitseinstellung der Asiaten herausgefordert. Während sich in Europa und den USA in den letzten Jahrzehnten der Individualismus auch am Arbeitsplatz breitgemacht hat und immer mehr Angestellte ihren Alltag autonom bestimmen, befiehlt in Südkorea nach wie der Vorgesetzte allein. «Ohne meinen expliziten Auftrag tut hier keiner einen Schritt», sagt Egli.

Für seinen Einsatz rund um die Uhr wird Egli besser entlöhnt als beim FC Aarau, der ihn vor Jahresfrist in die Wüste schickte. Dafür braucht es für jede Massnahme unendlich viel Zeit. Will Egli beispielsweise seinen Youngsters einen taktischen Kniff beibringen, muss ihm ein Englisch-Dolmetscher zu Hilfe eilen. Das bisschen Südkoreanisch, das er im Sprachkurs bisher gelernt hat, genügt nicht für den Alltag.

«Derzeit versuche ich gerade, meine Spieler von der Mann- zur Zonendeckung umzupolen», sagt Egli. «Allein diese Veränderung in die Köpfe zu hämmern, braucht wahnsinnig viel Energie.» Doch der Einsatz soll sich lohnen. Wenn sein Team das moderne Fussballspiel rascher als die Gegner verinnerliche, habe es einen grossen Vorteil gegenüber den übrigen 13 Teams der obersten Liga.

Eglis Chef, der Präsident von Busan I’Park, ist ein Mitglied des schwerreichen Hyundai-Clans. Mit dem Bau von Autos, Schiffen und Motoren hat es diese Industriellenfamilie zu Geld gebracht. Der «Chairman», wie ihn Egli nennt, schwört auf westliches Führungsverhalten. Vorzugsweise engagiert er ausländische Trainer, die junge Spieler zu einem homogenen Team zusammenschweissen sollen. Dabei beweist der Hyundai-Erbe viel Geduld. Eglis Vorgänger auf der Trainerbank, ein Schotte, durfte 22-mal ohne Sieg bleiben, bevor er seinen Platz räumen musste.

Wie unter Expats üblich, ist auch Eglis Einsatz in Südkorea zeitlich limitiert. Sein Vertrag läuft bis Ende 2007. Allmählich sollte seine Mannschaft einen Gang zulegen, damit sich in Zukunft mehr als 6000 Zuschauer im Stadion verlieren. Nach einer Niederlagenserie rutschte das Team von Busan in die untere Tabellenhälfte ab und verpasste die Qualifikation für den Ausstich der besten vier. Nun wünscht sich der Schweizer neue Spieler. Doch auch das Transfergeschäft packt keiner ohne Befehl von oben an.

Dem Cheftrainer gefällt es trotzdem. «Entscheide zu fällen, war für mich noch nie ein Problem», sagt Egli. So gesehen ist der Mann eine Idealbesetzung für einen Managerjob in Asien. Am liebsten würde er noch lange bleiben. «Hier ist das Leben unglaublich spannend, die Wirtschaft boomt, die Menschen glauben an ihre Chance.» Den Fussballlehrer, der 76-mal das Trikot der Nationalmannschaft trug, würde ein Engagement in Vietnam, Singapur oder Malaysia reizen.

Auch in diesem Punkt unterscheidet sich Egli kaum vom typischen Expat bei ABB oder Nestlé. Wer im Ausland auf den Geschmack gekommen ist, will nicht mehr so schnell in die heimatliche Zentrale zurück.


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