Ein kleiner «Jérôme Kerviel» am Werk
Ein anonymer Brief deckt Fehlmanipulationen eines Junior-Händlers von Julius Bär auf. SonntagsZeitung, 8. Februar 2009
Am Freitag schwebte das Gespenst von Jérôme Kerviel über Julius Bär. Händler Kerviel hatte die französische Bank Société Générale vor Jahresfrist durch verbotene Spekulationen 5 Milliarden Euro gekostet. Bei Bär geht es zwar nur um 5 Millionen Franken. Doch die Panik war vergleichbar gross.
Auslöser der Flucht aus Bär war ein anonymer Brief an die Finanzmarktkommission (Finma) vom 23. Dezember 2008 (siehe Ausschnitt). Das Schreiben zirkulierte am Freitagmorgen in Londoner Börsenkreisen, während die Bär-Führung zur gleichen Zeit in einem Seminarraum in einem Zürcher Hotel ihr 2008er-Resultat präsentierte.
2,7 Milliarden Börsenwert lösten sich in Luft auf
Im anonymen Brief ist von «Kerviel»-Methoden bei Julius Bär die Rede. Der Aktienkurs der Schweizer Privatbank sackte innert Minuten auf 20 Franken ab – minus 40 Prozent. Rund 2,7 Milliarden Börsenwert hatten sich in jenem Moment in Luft aufgelöst.
Die Bär-Chefs wurden von der Guerilla-Aktion auf dem linken Bein erwischt. Ex-CEO Hans de Gier, der nach Alex Widmers Ableben die operative Leitung der Bank Julius Bär übernommen hatte, reagierte unwirsch. Die erhobenen Vorwürfe hätten keinerlei operative Bedeutung.
Diese stammen gemäss Brief von mehreren langjährigen «Direktionsmitgliedern » der Bank Julius Bär. Junior-Händler hätten Verluste auf festverzinslichen Positionen dem eigenen Buch der Bank belastet, dem sogenannten Nostro- Konto. Statt dem Vorfall auf den Grund zu gehen, sei einer der Händler vom zuständigen Börsenchef entlassen worden und die Position aus dem Bär-Handelsbuch ins zentrale Bilanzmanagement verschoben worden. «Woher haben wir die Gewissheit, dass es nicht noch weitere versteckte Nostro gibt», wollten die Kritiker von der Finma wissen. Die Verschiebung von Verlustpositionen könnte eine «altbewährte Lösung» sein, suggerierten sie. Die Aufsicht nehme den Fall ernst, sagte Finma-Sprecher Tobias Lux. Julius Bär habe reagiert und Massnahmen ergriffen. Ob sie genügten, werde nun geprüft.
Ein Bär-Sprecher spielte den Fall herunter. Julius Bär habe «diese vergleichsweise unbedeutende Angelegenheit intern schon im Oktober bereinigt», sagte er. Im Jahresbericht werde «ein unrealisierter Verlust von 5 Millionen Franken» auf das Investment ausgewiesen.
Nach dem Kurssturz prüft Julius Bär Klagen. «Wir sind in Kontakt mit der Börse bezüglich einer möglichen Untersuchung wegen Marktmanipulation », sagt Bielinski. Es sei kaum Zufall, dass «das anonyme Schreiben just am Tag unserer Zahlenpublikation in Umlauf » gekommen sei.
Gewinner sind Investoren, die Bär-Aktien am Donnerstag bei 33 Franken leer verkauften. Am Freitagmorgen konnten sie die Aktie dann für 20 Franken günstig erwerben. Schon am Abend lag der Titel wieder 50 Prozent über dem TagesTiefststand. Das Verbot von Leerverkäufen von Finanztiteln, die seit Ausbruch der Bankenkrise hoch- und hinunterschnellen, wurde vor wenigen Wochen aufgehoben.