Drei Männer und eine Sparkasse

Der Zürcher Erotik-Unternehmer Edouard Stöckli befindet sich im Strudel eines Finanzskandals um zwei Ex-Manager des Beate-Uhse-Konzerns mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Behörden ermitteln wegen Untreue. Handelszeitung, 12. April 2012

Er hat Witz, Charme – und ein Imperium. Was für eines. Edouard Stöckli gilt als Vater der Schweizer Pornoindustrie, mit Beteiligungen an der ganzen Wertschöpfungskette, von der Produktion eines Sexfilms über dessen Verleih bis zum Abspielen in eigenen Kinosälen.

Nun ist dem Unternehmer das Lachen vergangen. Die Strafermittler von Kiel erhoben Anklage gegen Stöckli und weitere Beschuldigte. Dem 66-jährigen Schweizer werfen die deutschen Staatsanwälte Mithilfe in einem der grössten und komplexesten Betrugsfälle in der Geschichte des Bundeslandes Schleswig-Holstein vor. Stöckli soll Freunden am Abgrund geholfen haben, durch vorgetäuschte Geschäftstransaktionen tiefe Finanzlöcher beim börsenkotierten deutschen Erotikkonzern Beate Uhse zu kaschieren.

Im Zentrum des Wirtschaftskrimis erster Güte stehen zwei Deutsche mit Lebensmittelpunkt Schweiz. Ermittelt wird gegen Stöcklis Freund Ulrich Rotermund, den Sohn der legendären Firmengründerin Beate Rotermund-Uhse. Im Visier steht zudem Richard Orthmann, der zusammen mit seinem Jugendfreund Rotermund über Jahre im Verwaltungsrat des deutschen Konzerns sass.

So gut wie Bargeld

Der 62-jährige Rotermund wohnt in der Steueroase Meggen am Ufer des Vierwaldstättersees, nach eigenen Angaben die seit Jahren „steuerattraktivste Gemeinde des Kantons Luzern“. Der 58-jährige Orthmann lebt in einer Villa in der Bodenseegemeinde Steinach SG. Dieser Ort preist sich auf der eigenen Homepage als „eine steuergünstige Gemeinde im Kanton St. Gallen“ an.

Nach dem Börsengang des Familienunternehmens im Jahr 1999 sass Rotermund auf einem riesigen Paket Beate- Uhse-Aktien. Lieber hätte der Nachfahre Bares für sich und die Expansionspläne des Unternehmens gehabt. Da trat Orthmann auf den Plan und schaffte quasi die Quadratur des Kreises. Möglich wurde sie dank dem Chef der Flensburger Sparkasse, einer Regionalbank mit Sitz im gleichnamigen Städtchen, wo sich auch die Beate-Uhse-Zentrale befindet. Frerich Eilts konnte es mit der Kreditvergabe an die berühmteste und wohl wichtigste Kundin seines regionalen Finanzinstituts offenbar nicht schnell genug gehen. Jedenfalls stieg laut „Schleswig-Holsteinische Landeszeitung“ unter Eilts‘ Kommando die gesamte Kreditsumme an die Uhse-Aktionäre im Jahr 2001 auf gegen 250 Millionen Euro -ein Klumpenrisiko für die Sparkasse. Nach ersten Rückzahlungen seien 2005 immer noch knapp 150 Millionen Euro ausstehend gewesen, so die Zeitung.

Selbst diese eindrückliche Kreditsumme konnte den Finanzierungshunger von Orthmann und Rotermund nicht stillen. Sie nutzten zusätzliche Kreditlimiten bei weiteren Banken, darunter die AIG Private Bank und die Schweizer Tochter der deutschen Commerzbank, beide mit Sitz in Zürich. Das meiste Fremdkapital waren keine Blankokredite, sondern Ausstände mit Sicherung. Dazu hatten die zwei Beate-Uhse-Strippenzieher Millionen von Aktien aus eigenem Bestand hinterlegt.

Er habe ans „grosse Geld“ gewollt, schrieb die „Schleswig-Holsteinische Landeszeitung“ kürzlich. „Richard Orthmann ist clever, hungrig und eiskalt“, meinte das Blatt. Schnell sei er vom Steuerberater zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Beate Uhse aufgestiegen. Mit dem Börsengang sei nicht nur Uhse-Filius Rotermund Millionär in dreistelliger Höhe geworden, auch Orthmann habe ein „strammes Aktienpaket“ im Wert von mehreren Millionen bekommen.

Anfang 2005 geriet das fremdfinanzierte und mit Aktien gesicherte Konstrukt plötzlich gefährlich ins Wanken. Ob es einstürzen oder halten würde, hing allein vom Kursverlauf der Uhse-Aktien ab. Und der zeigte steil nach unten. Einst mit über 20 Euro an die Börse gekommen, durchbrach der Titel die 10-Euro-Marke. Für Rotermund und Orthmann wurde die Lage damals bitterernst.

In jener Zeit heckten laut Anklage der Ermittlungsbehörde in Kiel Uhse-Präsident Orthmann und Bankier Eilts einen Sanierungsplan der speziellen Sorte aus. Frisches Kreditgeld der Flensburger Sparkasse an die Beate Uhse war nicht zu haben, da diese bei ihrer Hausbank bereits zu stark in der Kreide stand. Also gründeten die Drahtzieher laut Staatsanwaltschaft drei Strohfirmen mit den exotischen Namen Indalo, Velez und Mojacar, die alle den ausschliesslichen Zweck hatten, mit Käufen von Beate-Uhse-Aktien deren Kurs zu stützen. Das dafür nötige Kleingeld stammte aus Millionenkrediten der Hausbank, die ihrerseits mit Aktien des Erotik-Unternehmens gesichert waren. Ein Turbolader der Extraklasse: Würde der Kurs steigen, dann könnten sich die Uhse-Chefs und ihre Flensburger Banker am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Im Fall aber, dass die Aktien an Wert verlören, wäre die Folge eine kaum mehr zu stoppende Spirale nach unten.

Ein zweites Problem wurde im Verlauf von 2005 immer drängender. Die offenen Kredite bei den Schweizer Ablegern der AIG Private Bank und der Commerzbank mussten abgelöst werden. Doch die Flensburger Sparkasse war dazu nicht in der Lage, ohne interne Richtlinien zu verletzen. Zu gross war inzwischen ihr Kreditengagement bei den beiden Kunden.

Da kam Edouard Stöckli wie gerufen. Seine AMP Art Media Productions mit Sitz in Deutschland war quasi eine inaktive Gesellschaft. Nun sollte sie zum wichtigen Rettungsanker für die bedrängten Beate-Uhse-Unternehmer umfunktioniert werden. Von der Flensburger Sparkasse erhielt Stöcklis AMP einen Kredit über 14 Millionen Euro, von der Rotermund-Orthmann-Gruppe kamen 7,5 Millionen Euro als Darlehen hinzu. Mit den total 21,5 Millionen Euro erwarb die AMP vom Duo Ortmann/Rotermund rund 3 Millionen Aktien der Beate Uhse. Effektiv vorhanden als Cash waren aber nur die 14 Millionen Euro der Flensburger Hausbank. Mit diesem Geld bezahlten Orthmann und Rotermund offene Ausstände bei ihren Banken in Zürich zurück.

Stöckli war in den Augen der Staatsanwaltschaft ein Strohmann für das Rettungskonstrukt der Verantwortlichen des Unternehmens und ihrer Flensburger Bank. Der „Beschuldigte Stöckli“ habe als „angedachter Investor für die Beate Uhse AG aufgrund eines persönlichen Haftungsausschusses keinerlei eigene Haftung“ übernommen, schreibt sie in ihren Ermittlungsunterlagen. Das Risiko habe ausschliesslich bei der Flensburger Sparkasse gelegen. Diese habe Stöckli „im Gegenzug für die Überlassung der Gesellschaft AMP zum Zwecke der Kreditgewährung an diese“ gar einen Geschäftskredit über 65000 Euro gewährt.

„Mit dem Ziel eines Freispruchs“

Orthmanns Anwalt will zu den Vorwürfen gegenüber der „Handelszeitung“ keine Stellung nehmen. Der Verteidiger von Rotermund antwortet schriftlich. „Herrn Rotermund kommt nach den mir vorliegenden Informationen und dem mir bekannt gemachten Ermittlungsergebnis keine Rolle im behaupteten Untreuefall Beate Uhse zu“, so Rechtsanwalt Reinhard Daum. „Er hat die fraglichen Kredite nicht verhandelt und war in Vereinbarungen über die Gestellung und den Austausch von Sicherheiten nicht einbezogen.“ Sollte die Anklage zugelassen werden, würde die Verteidigung „mit dem Ziel eines Freispruchs geführt“, meint Daum in einer E-Mail.

Der angeklagte Stöckli lässt die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht auf sich sitzen. „Der Fall wird von den Anklägern massiv aufgeblasen“, sagt der Schweizer Unternehmer. „Aber die werden kein Urteil gegen mich erzielen, da bin ich mir sicher.“ Dass er kein eigenes Kapital riskiert habe, bestreite er nicht. Trotzdem habe es sich um ein echtes und nicht wie behauptet um ein vorgetäuschtes Geschäft gehandelt. „Wäre die Aktie gestiegen, hätte ich einen schönen Gewinn eingesackt“, begründet Stöckli seine Sicht. Sein reines Gewissen könnte nichts am Schaden ändern, der allein schon durch die Anklage bereits angerichtet sei, meint er. Stöckli verweist auf die im Sand verlaufenen Vergewaltigungsvorwürfe gegen Wettermann Jörg Kachelmann. Das Mammutverfahren habe beim Schweizer trotz Freispruch Spuren hinterlassen.

Stöckli lässt sich von Kachelmanns bekanntem Hamburger Anwalt Johann Schwenn verteidigen. Der muss sich gegen eine Anklage zur Wehr setzen, die sich auf 23 Bundesordner mit Dokumenten und Aussagen von Zeugen und Beklagten stützt. „Rein vom Aktenumfang und vom Tatverdacht her ist das sicherlich eines der aufwändigsten Verfahren“, sagt Sebastian Bromann, Sprecher des zuständigen Amtsgerichts Kiel. Die Anklage würde nun geprüft. Voraussetzung für einen Prozess sei eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung und dass die vorgeworfenen Taten mit dem passenden Rechtsartikel angeprangert würden. „Das dauert sicher ein halbes Jahr“, meint Jurist Bromann.

Sex-Patron Stöcklis Geduldsfaden hält möglicherweise nicht so lange. „Am Schluss werde ich wohl einfach eine soziale Einrichtung mit ein wenig Geld beglücken, damit das ganze Theater endlich ein Ende findet“, skizziert er einen möglichen Ausweg für sich.

Was für den Schweizer eine Exitstrategie sein könnte, ist für die Hauptbeschuldigten im Mammutverfahren gegen das führende deutsche Erotikhaus wohl keine Variante. Im Unterschied zu Stöckli drohen den beiden Beschuldigten mehrjährige Zuchthausstrafen.

Kommentare

  1. Hoffentlich bekommt dieser arrogante und überhebliche Orthmann eine saftige Strafe und sein Vermögen wird größtenteils eingezogen.
    Ich weiß aus Erfahrung, wenn ihm jemand kritisch gegenübertrat, dann wurde veranlasst und gesagt : die muss weg – die kann uns
    gefährlich werden !!!!!!

  2. Um nicht gefährlich zu werden musten viele gute Mitarbeiter weg

  3. Ist der richard orthmann eigentlich schon verurteilt oder zieht er wieder durch gute Anwälte seinen Kopf aus der Schlinge ???
    Man versteht das alles nicht mehr. Dieser Mensch bringt Banken und auch Firmen in Nöte, ohne dass irgendwelche Konsequenzen gezogen wrrden.

  4. Vielen Dank für den Beitrag. MfG

  5. Es wird langsam Zeit, dass man diesem Typen auf die Schliche kommt… Da läuft so gut wie gar nichts so wie es unsere Gesetze wollen…

  6. Ich war leider ein Mitarbeiter von Orthmann welcher weg musste. Und einer, der schwere Probleme kriegte.
    Ich bin daran ein Buch zu schreiben…..ein trauriges Kapitel, Mr. Orthmann

  7. …und die causa R. Orthmann ist durch Verbindungen zu Dr. L. Schernikau (Stichworte IMTC AG, Schweiz, HMS Bergbau AG, Deutschland, Berlin; IMT International Mining und Trading AG, Schweiz, Vunene Mining, Ichor Coal Südafrika/ UK/ Lodon, HMS Bergbau AG Indonesia und diverse Geschäftsverbindungen) sicherlich noch nicht ausreichend durchleuchtet…

  8. …personelle Verbindungen der Ortmann AG, IMTC AG und auch dessen Sohn zu IMT AG un zu HMS Bergbau AG, PT Indonesien geben natürlich keinerlei Anlass,…


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