Zweifel am freiwilligen Abgang

UBS-CEO Oswald Grübel informierte die Mitarbeiter in einem Memo über seinen Rücktritt. SonntagsZeitung, 25. September 2011

Grübel habe den Rücktritt aus freien Stücken eingereicht, der Verwaltungsrat habe ihn nicht dazu gedrängt. So lautet die gestrige offizielle Erklärung zum unvermittelten Rücktritt von Konzernchef Oswald Grübel. «Er hat nicht das Vertrauen des Verwaltungsrates verloren», sagte Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger im Gespräch mit der SonntagsZeitung (siehe Interview links).

An dieser Version sind allerdings Zweifel angebracht. Gemäss Aussagen von UBS-Insidern stemmte sich Grübel eine Woche lang gegen seinen vorzeitigen Rücktritt. Erst im Verlauf des Meetings des Verwaltungsrats in Singapur merkte er, dass er nicht mehr über den nötigen Rückhalt im obersten Gremium verfügte.

Dazu passt, dass der Entscheid erst am Samstag fiel – nach Abschluss der Sitzung und der Rückkehr nach Zürich. «Ich habe heute den Verwaltungsrat über meinen Rücktritt als CEO informiert», schreibt Grübel in einem internen Memo an die Mitarbeiter, das der SonntagsZeitung vorliegt. Europa-Chef Sergio Ermotti übernimmt interimistisch, die Bank sucht intern und extern nach einer definitiven Lösung.

VR soll nicht mehr einstimmig hinter Grübel gestanden haben

Grübel habe nach dem 2-Milliarden-Derivateverlust eines Junior-Traders vor 10 Tagen in London seinen letzten Spielraum genutzt, um selbst zu gehen, sagt ein UBS-Insider mit Verweis auf die VR-Sitzung in Singapur. «Grübel merkte, dass er später zum Gehen gezwungen werden könnte», sagt die Quelle.

Der VR sei «nicht mehr einstimmig» hinter Grübel gestanden, sagt der UBS-Manager weiter. Wie das Verhältnis zwischen Grübel-Supportern und Grübel-Gegnern war, ist nicht bekannt.

Grübel sagte gestern gegenüber der SonntagsZeitung: «Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich die Verantwortung für alles trage, was bei der UBS geschieht.» Weitere Erklärungen wollte er nicht geben. Dafür bedankte er sich ironisch bitter, «für die netten Sachen, die Sie immer über mich geschrieben haben».

Im Abschiedsmail an das UBS-Personal tönt Grübel an, dass ihm der Abschied schwerfällt. Der Milliarden-Verlust durch einen Trader «hat mich wie alle andern zutiefst schockiert», meinte der scheidende Konzernchef.

«Der Schritt, jetzt zurückzutreten, ist mir nicht leichtgefallen», schreibt der noch vor kurzem scheinbar unangreifbare UBS-Kapitän in der internen Mitteilung. «Ich bin überzeugt, dass es im besten Interesse der UBS ist, mit einem neuen Chef an der Spitze die Zukunft anzupacken.»

Der 51-jährige Sergio Ermotti, der erst im Frühling als Chef Europa und Mittlerer Osten vom italienischen Finanzkonzern Uni Credit zur Schweizer Grossbank gestossen war und entsprechend über kaum eine Hausmacht verfügt, übernimmt per sofort die operative Führung der UBS. Villiger will in spätestens sechs Monaten eine definitive Lösung gefunden haben.

Zusammen mit Ermotti gab UBS-Präsident Kaspar Villiger, der mit Grübel und weiteren UBS-Spitzenleuten am Samstag früh in Zürich-Kloten gelandet war, Details zu Grübels Abgang bekannt. Der UBS-Präsident betonte, dass Grübels Entschluss nichts mit dem 2-Milliarden-Derivateverlust in London und dessen internen und externen Aufarbeitung zu tun habe. «Er wollte ein starkes Signal aussenden», sagte Villiger.

Investmentbank-Chef Carsten Kengeter werde weitermachen können. «Er und sein Team machen einen hervorragenden Job zur Bewältigung der Krise», so Villiger. «Ich habe keinen Grund, an seiner Zukunft zu zweifeln.»

Spannungen inner- und ausserhalb der Bank

Villigers Aussage, wonach Grübel freiwillig die Führung abgegeben habe, kontrastiert mit dem seit Monaten wachsenden Widerstand gegen seine Strategie. Diese basiert auf einer weltweit führenden Investmentbank und brachte zuletzt grosse Gewinnausschläge. Kurz nach seinem Antritt als CEO im Frühling 2009 hatte Grübel in einem Mail ans Personal verkündet, dass die UBS «global aufgestellt, vom Staat finanziell unabhängig und erfolgreich» sein soll. Dies sei nur mit einer engen Kombination von «Privatkundengeschäft mit Investmentbanking- und Asset-Management-Expertise» möglich.

Mit dem integrierten Ansatz brachte Grübel die in Trümmern liegende Investmentbank auf Vordermann. Sein Vorsteuer-Gewinnziel von 15 Milliarden Franken, das er Ende 2009 verkündete, basierte zu einem grossen Teil auf einem grossen Handelsgeschäft mit entsprechenden Risiken.

Ein Ex-UBS-Investmentbanker, der mit Grübels Strategie vertraut ist, spricht von grossen Spannungen innerhalb und ausserhalb der Bank, die seit Monaten anhalten würden. «Die verschärften Eigenkapital-Vorschriften der Behörden machen eine fundamentale Umgestaltung der Bank längst dringend», sagt der Insider.

Grübel habe es verpasst, der Bank eine Strategie mit nachhaltigen Gewinnaussichten zu verpassen. «Wenn Sie es den Investmentbankern überlassen, zu definieren, wie gross deren Handelsgeschäft sein soll, dann bleibt eine echte Reduktion Wunschdenken», sagt die Quelle.

Entscheidend sei die Frage, wie gross die Investmentbank für eine Erstklass-Vermögensverwaltung sein müsse. «Dies müssen die grossen Aktionäre zusammen mit dem VR nun entscheiden.»


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