Über den Tisch gezogen

Die US-Justiz bereitet der kleinen Basler Kantonalbank grosse Probleme – wegen amerikanischer Steuerhinterzieher und mutmasslicher Poker-Betrüger. Handelszeitung, 29. September 2011

Chris Ferguson ist in der Pokerszene einer der bekanntesten Akteure. Der dunkle Cowboy-Hut, die langen braunen Haare, der Bart und der Übername „Jesus“ wurden zu seinen Markenzeichen. Er war das grosse Vorbild für die Pokerspieler dieser Welt. Doch sein Ruf ist mittlerweile ruiniert. In Internetforen wird darüber debattiert, ob er als „dümmster und gierigster Pokerspieler aller Zeiten“ in die Geschichte eingehen wird. Stars wie Ferguson und Howard Lederer sollen Tausende von Kunden auf ihrer Webseite Full Tilt Poker betrogen und um insgesamt 300 Millionen Dollar erleichtert haben. Die US-Behörden erhoben am 19. September Anklage. Laut der New Yorker Staatsanwaltschaft handelt es sich nicht um ein legales Poker-Portal, sondern um ein „weltweites Schneeballsystem“. Die Full-Tilt-Verwaltungsräte und deren Vertraute hätten Einnahmen aus dem laufenden Spielbetrieb in die eigene Tasche abgezweigt.

Das Geschäft in Amerika

Auf Seite 93 der Anklageschrift taucht der Name der Basler Kantonalbank (BKB) auf. Gemäss der US-Anklagebehörde führte das Finanzinstitut Konten für einige Firmen, die im angeblichen Schneeball-Konstrukt beteiligt waren. Genannt werden die Ranston Ltd., die Mailmedia und Vantage Ltd.

Die BKB ist nur eine von vielen Banken, die ihre Plattformen im Full-Tilt-Konstrukt zur Verfügung gestellt haben sollen. Neben zahlreichen unbekannten Finanzinstituten werden auch renommierte Institute wie die Genfer Pictet und die Grossbanken Barclays und Citibank genannt.

Trotzdem erstaunt es, dass die kleine Basler Kantonalbank im Full-Tilt-Fall auftaucht. Auf ihrer Homepage schreiben die BKB-Verantwortlichen: „Wir leisten einen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft; wir tragen zu einer lebenswerten und gerechten Gesellschaft bei; wir übernehmen ökologische Verantwortung für zukünftige Generationen.“

Nach aussen gibt sich das Institut als „good corporate citizen“, als Unternehmen mit Sinn fürs Gemeinwohl. Dazu passen Kundenbeziehungen mit einer Internet-Poker-Anbieterin mit verschlungenen Transaktionen wie die Faust aufs Auge.

BKB-Sprecher Michael Buess will sich nicht zu Einzelfällen äussern. „Aufgrund des Bankkundengeheimnisses können wir bestehende oder potenzielle Kundenbeziehungen grundsätzlich nicht kommentieren.“ Die Basler Kantonalbank unterhalte Geschäftsbeziehungen „unter Einhaltung der jeweils einschlägigen gesetzlichen, regulatorischen und internen Vorschriften“ und würde die „marktüblichen Standards und Verhaltensregeln“ beachten. „Sobald Hinweise bekannt sind, dass dies nicht mehr gegeben ist, wurden Geschäftsbeziehungen konsequent abgebrochen“, sagt Buess.

Genau das geschah in einem anderen Fall, in dem die US-Justizbehörden ermitteln, nicht. Die Rede ist vom US-Steuerfall. Statt die Finger vom Geschäft mit reichen Amerikanern und deren unversteuerten Vermögen auf Schweizer Konten zu lassen, witterte die Basler Kantonalbank das vermeintlich grosse Geschäft. Sie tat dies zu einem Zeitpunkt, als die USA die Grossbank UBS weichkochte und der Druck auf das Bankgeheimnis massiv stieg. Amerika machte für jedermann klar, dass die Schweizer Steuerpraxis nicht länger toleriert würde.

Der Donnerschlag aus den USA steht der Basler Kantonalbank offenbar unmittelbar bevor. Ob eine Anklage wegen Mithilfe zur Steuerhinterziehung die BKB oder ein anderes Schweizer Finanzinstitut trifft, ist noch offen. Sicher ist jedoch, dass sich die Staatsbank vom Rheinknie mit ihrer US-Offshore-Praxis enormen Risiken ausgesetzt hat.

Dafür dürfte sie einen stolzen Preis bezahlen, vermuten mit dem Vorfall Vertraute. „Die BKB hat sich in den Augen der US-Justiz besonders verwerflich verhalten“ , sagt ein US-Anwalt, der amerikanische Kunden mit Geldern auf Schweizer Konten vertritt. „Ihre Busse könnte durchaus im dreistelligen Millionenbereich liegen.“ Der Fall wirft zwei Fragen auf. Wie ist die kleine, überschaubare BKB dazu gekommen, ins risikoreiche US-Offshore-Geschäft einzusteigen zu einem Zeitpunkt, als die USA bereits die UBS in die Mangel genommen hatten? Und was für eine Risikokultur herrscht an der Spitze dieser vermeintlich vorsichtigen Bank, die vom HalbkantonBasel-Stadt eine unlimitierte Ausfall-Garantie geniesst?

Am Anfang steht die enge Beziehung zu zwei externen Vermögensberatern aus dem UBS-Dunstkreis. Martin Lack und Renzo Gadola setzten von ihren nebeneinander liegenden Büros in der Zürcher City aus einen vermeintlich genialen Plan um. 2008, als die UBS längst mit den USA kooperierte, befürchteten viele US-Millionäre, dass ihre Daten bei der Grossbank bald in Washington landen würden. „Don‘ t worry!“, sagte ihnen das Duo Lack/Gadola. Sollten die US-Justizbehörden ihre Jagd auf amerikanische Steuersünder der Schweizer Grossbanken verschärfen, würden die beiden eine sichere Lösung in der Schweiz anbieten.

Kantonalbanken als sicherer Hafen

„Gadola und Lack sagten zu ihren US-Kunden: Die Kantonalbanken sind das Sicherste des Sicheren, die Basler KB ist das Nonplusultra „,meint der US-Anwalt, der viele betroffene Kunden betreut. Die Berater hätten geglaubt, dass die USA noch so viel Druck aufsetzen könnten, die Staatsbanken würden das Schweizer Bankgeheimnis niemals aufheben.

Die unabhängigen Vermögensverwalter Lack und Gadola fanden in S. L. einen internen Manager des Zürcher Ablegers der BKB als Vertrauten. Zu dritt brachten sie unversteuerte US-Gelder zur Bank. Auch andere Institute versuchten, vom erzwungenen Exit der UBS zu profitieren, darunter die Zürcher Kantonalbank, die Privatbank Julius Bär und die Sankt-Galler Wegelin. Doch gemäss Anklage der USA gegen Lack war die Kooperation zwischen der BKB und den externen Vermögensverwaltern, welche die US-Steuerflüchtigen betreuten, besonders eng.

Das Vorhaben hatte einen entscheidenden Fehler. Die alte, verschwiegene und oftmals dubiose Welt des Bankgeheimnisses war in Echtzeit am Zusammenbrechen. Am Anfang stand die Offenlegung von Tausenden von US-Kun-den der UBS. In der Folge zeigten sich immer mehr Amerikaner mit „schwarzen“ Schweizer Bankkonten beim Fiskus an. Im „freiwilligen Offenlegungsprogramm“ mussten sie dann sämtliche Bankbeziehungen und Namen der Kundenberater nennen.

Gadola und Lack gerieten auf den Radarschirm der US-Ermittler, ohne dass sie dies gemerkt hätten. Im November 2010 wurde Gadola in einem Hotel in Miami auf frischer Tat ertappt, als er einem Kunden, der mit dem FBI kooperierte und von diesem für das Treffen mit dem Schweizer Banker verkabelt worden war, von einer freiwilligen Offenlegung abriet.

Gadola landete im Gefängnis und legte ein umfassendes Geständnis ab. In der Folge flog nicht nur sein Partner Lack auf, der inzwischen ebenfalls angeklagt ist, sondern auch BKB-Manager S. L. und die BKB selbst. Gadola ist damit zum Pendant von Bradley Birkenfeld geworden. Während der UBS-Kundenberater mit seinen Aussagen die UBS zu Fall gebracht hatte, verschaffte Gadola den USA den Schlüssel zur vermeintlich uneinnehmbaren Festung der Kantonalbanken.

Heute verfluchen die Basler Chefs ihren Entscheid, zur Unzeit ins US-Offshore-Geschäft eingestiegen zu sein. In einem Interview mit der „Basler Zeitung“ sagte kürzlich Andreas Albrecht, Präsident der Staatsbank: „Es wäre wohl gescheiter gewesen, wir hätten die Tür für die Amerikaner, die ja nur einen marginalen Teil unseres Geschäfts ausmachen, früher geschlossen.“

Involvierter Mitarbeiter beurlaubt

Albrechts persönliches Problem ist, dass er als Jurist einer renommierten Basler Kanzlei kaum fehlendes Wissen geltend machen kann. Von seinem Hintergrund her ist dem BKB-Präsidenten eine rechtzeitige Risikoeinschätzung in Sachen unversteuerte US-Gelder zuzumuten. Nicht besser macht die Lage, dass in Albrechts fünfköpfigem Konzernausschuss ein weiterer Jurist sitzt und mit Vizepräsident Ralph Lewin sogar noch ein Ex-Regierungsrat von Basel-Stadt mit entsprechender Verbandelung mit der Politik.

Zu einer möglichen Anklage gegen die Bank oder einzelne Exponenten wollte sich BKB-Sprecher Buess nicht äussern. Man habe die involvierten Mitarbeiter beurlaubt und kläre die US-Vorwürfe ab.


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