Kleine Schweizer

Charles Vögele In Deutschland wollte sich die Schweizer Modegruppe ein zweites Standbein aufbauen. Bislang resultierten nur Verluste. Handelszeitung, 1. September 2011

Er gilt als coolster Mann Deutschlands. Seit Wochen lächelt Schauspieler Til Schweiger für Charles Vögele von den Plakatwänden. Seine Gelassenheit scheint bereits auf die Konzernzentrale in Pfäffikon SZ abzufärben. Ruhig und gelassen erklärt Finanzchef Markus Voegeli, wie es zum Halbjahresverlust von 62 Millionen kam. Neben der Flaute seien Abschreiber in Deutschland und Österreich entscheidend gewesen. Damit sei die Goodwill-Frage aber „jetzt vom Tisch“, abgesehen von den 37 Millionen, die noch im Schweizer Geschäft stecken. „Die sind aber nicht gefährdet.“ Ähnlich cool kommunizierte Voegelis Chef André Maeder kürzlich den hohen Halbjahresverlust. Er meinte im Communiqué, dass Frankenstärke, Altlasten und Konsumflaute zu einem Rückschlag mit fast 10-prozentigem Umsatzeinbruch geführt hätten. Auf Anfrage der „Handelszeitung“ ergänzt er: „Die neue Ausrichtung zeigt erste Erfolge.“ Die Modernisierung werde vorangetrieben, was zukünftiges Wachstum ermögliche. Dabei ist Beobachtern längst klar, dass Charles Vögele nicht unter kurzfristigen, konjunkturbedingten Schwankungen leidet, sondern in einer strukturellen Krise steckt. Wer ist Vögele, wofür steht die Marke? Das sind die existenziellen Fragen, die sich beim Modekonzern stellen; und zwar seit 1999, als er an die Börse ging.

Opportunitäten statt Strategie

Vögeles Geschichte in Deutschland steht stellvertretend für die Irrungen des Konzerns, der mit über 800 Filialen und einem Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Franken immer noch zu den grossen Kleiderhäusern Europas zählt. Immer wieder folgt man bei Vögele nicht einem strategischen Kompass, sondern nimmt Opportunitäten wahr. In Erfolgsstorys verwandeln kann man sie in Pfäffikon kaum je.

Das zeigt sich besonders gut an der Übernahme von Mac Fash. Vögele übernahm den deutschen Kleiderhändler rund um den eigenen Börsengang, als man den Investoren eine Wachstumsgeschichte erzählen wollte. Durch den Erwerb einer ebenfalls im Billigbereich positionierten Kette liess sich die Präsenz in Deutschland auf einen Schlag vom Süden auf das ganze Land ausweiten. Rund 40 Millionen Franken bezahlte Vögele 1999 für MacFash.

Die Vögele-Manager fackelten nicht lange. Sie hatten es weder auf die Marke noch auf die Produkte von Mac Fash abgesehen. Interessiert waren dieSchweizer einzig an den zusätzlichen Standorten, die bald schon unter dem eigenen Namen betrieben wurden. „Wir waren die modischen, trendbewussten Anbieter im Billigbereich, Vögele sprach ältere Leute mit weniger Modebewusstsein an“, erinnert sich ein ehemaliger Mac-Fash-Kadermann. Vögele hingegen habe „voll auf das eigene Sortiment“ gesetzt und das jüngere Zielpublikum nicht weiter gepflegt.

Wichtige Mac-Fash-Kaderleute wurden in der Folge abgesetzt oder gingen freiwillig. Know-how ging verloren, die Kundschaft fand in den Shops im Vögele-Look nicht mehr die gewohnte Mode und wanderte zur Konkurrenz, der Umsatz sank. Der Fehler, so der Ex-Kadermann, sei gewesen, dass sich Vögele zu lange nur über den Preis positioniert habe. „Auf Dauer genügt das eben nicht.“

Doch Vögele hatte ein Ziel erreicht: Genug gross im deutschen Markt sein, um sich den Investoren als Wachstumsgeschichte anpreisen zu können. Doch mit über 300 Ablegern-mehr als im Heimmarkt Schweiz-explodierten die Kosten. Weil die Erträge nicht Schritt hielten, wuchs das Minus unter dem Strich. Allein seit 2005 türmte das Unternehmen in Deutschland so fast 73 Millionen Euro Verluste auf. Auch im laufenden Jahr präsentiert sich das Ergebnis tiefrot.

Die deutsche Misere schlug auf den Konzern durch. Während 2006 und 2007 noch stolze Gewinne von jeweils rund 60 Millionen resultierten, blieben im Folgejahr, als sich die Weltwirtschaft rapide abkühlte, noch 12 Millionen übrig. In Deutschland machten Billigmarken wie Kik und Takko den Schweizernzunehmend das Leben schwer, hinzu kamen starke Traditionshäuser wie C& A.

Der Verwaltungsrat reagierte und setzte Anfang 2009 mit André Maeder auf einen Konzernchef, der das Modegeschäft aus dem Effeff kennt und der dafür sorgen sollte, nicht nur die Finanzen ins Lot zu bringen, sondern auch die Marke neu zu positionieren. Maeder eilte der Ruf eines Topshots der Modebranche voraus, er kam von Hugo Boss, wo er unter anderem die Marke „Hugo“ neu positioniert hatte, zuvor war er beim Luxuswarenhaus Harrods und bei S. Oliver.

Maeder unterzog Vögele sofort einer finanziellen Radikalkur, mit hohen Abschreibern und einem grossen Verlust im Jahr 2009. Gleichzeitig gab er bei der Positionierung Vollgas und präsentierte im Frühling 2010 Schauspielerin Penélope Cruz als neue Markenbotschafterin. Warum auch deren Schwester Mónica auf die Lohnliste musste, leuchtete vielen nicht ein. Noch viel mehr monierten Kritiker, dass die spanischen Schönheiten nicht zur traditionell älteren und ländlichen Zielgruppe passten-ebensowenig wie Filmbeau Til Schweiger.

Marke ohne Gesicht

Markenexperte Daniel Schindler setzt ein Fragezeichen hinter die Führung von Vögele. „Das Problem sind die Manager, die mit bekannten Marken-Botschaftern auf Kundenfang gehen, aber nicht begreifen, dass nicht Schauspielerei weiterhilft, sondern allein Modekompetenz als tragender Teil des Markenverständnisses.“ Charles Vögele suche „seit zehn Jahren ein Publikum und findet es nicht“, gleichzeitig gehe das Geschäft „den Bach runter“.

Tatsächlich hat die Vögele-Aktie mit derzeit rund 26 Franken nicht einmal mehr einen Zehntel des Höchstkurses von 350 Franken nach dem Börsengang wert. Daran könnten Schauspielergrössen nichts ändern. „Vögele ist mittlerweile eine Kein-Geld-Marke.“ Wer dort einkaufe, habe nur ein kleines Kleiderbudget. „Das ist die Vögele-Kundschaft, die muss man bedienen und nicht irgendeine erfundene, die man lieber hätte.“

Das entspricht nicht dem Anspruch der Führungsriege. Nicht nur Konzernchef Maeder stammt aus der grossen Mode-Glamourwelt, sondern auch Verwaltungsrat Peter Littmann, ein deutscher Marketingmann mit Teilzeit-Professur. Er wurde in der Hugo-Boss-Küche gross und war dort bis 1997 operativer Chef. Littmann und Maeder dürften die gleiche Sprache sprechen und die Welt durch die gleiche Brille betrachten. Das kann zur Ansicht führen, dass es Geduld brauche, um die eigenen Kunden zum Glück zu zwingen.

Wie lange das Duo Maeder und Littmann am Drücker bleibt, hängt auch von Grossaktionärin Migros ab. Der Detailhandelsriese erhöhte seinen Vögele-Anteil von 8 Prozent im Jahr 2008 diesen Sommer auf über 20 Prozent. Es handle sich nach wie vor um eine reine Finanzbeteiligung, sagt die Migros. Es fragt sich, wie lange sie dem Kurszerfall zuschaut.

Maeder sieht das Deutschland-Geschäft mit Verweis auf ein Umsatzplus gegenüber dem Gesamtmarkt unter Kontrolle. „Wir sind zuversichtlich, auf dem richtigen Weg zu sein“, sagt er. Auch dass traditionelle Käufer vom coolen Auftritt abgeschreckt und keine neuen gefunden werden, glaubt der 52-Jährige nicht. „In unseren Analysen konnten wir feststellen, dass die bestehende Kundschaft Charles Vögele treu bleibt“, sagt Maeder.

Vielleicht sollte er sich auch einfach einmal bei der Schweizer Konkurrenz umschauen. Soeben meldete Schild ein Umsatzplus von mehr als 2 Prozent. Statt mit Filmstars zu werben, plant sie lieber, rund 50 neue Filialen zu eröffnen.


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