In der Schusslinie

Mövenpick – Der Traditionskonzern betreibt mehr als die Hälfte seiner Hotels in der arabischen Krisenregion. Die Unruhen treffen ihn in einem heiklen Moment. Handelszeitung, 3. März 2011

Aus den 500 Zimmern hätte man auf das Mittelmeer geblickt. Den Gästen sollten auch ein Privatstrand, ein Yachthafen, mehrere Restaurants und Bars geboten werden. Ein erstklassiges Resort mit angebautem Einkaufszentrum wollte Mövenpick in Tripolis bauen. «Libyen stand auf unserer Expansions-Wunschliste ganz weit oben», sagte Hotel-Chef Jean Gabriel Pérès, als er 2008 das Projekt der Öffentlichkeit vorstellte.

Daraus wird vorläufig nichts. In Libyen fliegen Kampfjets Einsätze gegen die protestierende Bevölkerung, es tobt ein Bürgerkrieg. «Die aktuellen Ereignisse im Land machen uns sehr betroffen», sagt Pérès. Es sei völlig offen, wie sich die politische Lage in Libyen weiterentwickle. Derzeit seien darum «keine konkreten Aussagen zu weiteren Plänen» möglich, erklärt er.

Der Fall Libyen steht exemplarisch für die Risiken, die der Schweizer Hotel- und Gastrokonzern im arabischen Raum eingeht. Mövenpick steht in der Region quasi in der Schusslinie. Denn der Konzern der deutschen Familie von Finck unterhält gleich Dutzende von Hotels in der Gegend – von Tanger in Marokko über Tunis, Kairo bis nach Sanaa im Jemen. Und überall dort bleibt politisch kein Stein auf dem anderen. Von den 71 weltweiten Mövenpick-Hotels befinden sich nicht weniger als 41 und damit mehr als die Hälfte in der heissen Region.

Mövenpicks Klumpenrisiko heisst Arabien. Dieses wird verschärft durch die Tatsache, dass die Hotelsparte die mit Abstand wichtigste Division des Konzerns mit seinen rund 16 000 Mitarbeitern ist. 2009 lag der Umsatz der ganzen Gruppe bei gut 1,3 Milliarden Franken. Die Hotels steuerten rund 800 Millionen dazu bei. Die Restaurants setzten 330 Millionen um, die Genussmittel rund 100 Millionen.

Wirklich gut lief es Mövenpick schon 2009 nicht. Der Umsatz sank um 7 Prozent. Vor allem die Hotels mussten einen starken Rückgang hinnehmen, weil viele Gäste im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise auf Ferien verzichteten. Durch die Umwälzungen in den bisher von Clans beherrschten Ländern drohen dem Konzern nun erneut happige Einnahmenausfälle – ausgerechnet jetzt, wo sich die Ertragslage aufzuhellen begann. 2010 erreichte der Umsatz nämlich fast wieder den Stand von vor der Krise.

Keine Abschreiber nötig

Direkte Abschreiber auf Anlagen im arabischen Raum sind nicht das Thema. Mövenpick betreibt die Hotels entweder selbst oder vergibt Lizenzen für ein örtliches Management. Die Investitionen in Bauten und Einrichtungen stammen hingegen von anderen Geldgebern. So etwa auch in Libyen. «Wir sind lediglich Betreiber unserer Hotels, nicht Bauherren oder Investoren. Die bisherigen Aufwendungen für erste Studien bewegen sich in einem kleinen Umfang», erklärt Pérès.

Einer dieser Investoren ist ein gewichtiger Minderheitsaktionär der Mövenpick-Hotelsparte. Die saudische Kingdom Holding mit Sitz in Riad hält einen Drittel der Aktien. Sie gehört zu über 90 Prozent al-Walid ibn Talal Al Saud, Mitglied der saudischen Königsfamilie und 21. Sohn des Staatengründers. Er gilt als progressiver Denker und soll inoffiziell Berater seines Halbbruders sein, des saudischen Königs. Diese Verbindung zum inneren Kreis der Macht kann zwar helfen, nach Umwälzungen aber auch hinderlich sein.

Für Mövenpick stellt sich im Zusammenhang mit dem starken Engagement im arabischen Raum jedenfalls die Frage nach adäquatem Risikomanagement. Das auf Eis gelegte Tripolis-Hotelprojekt deutet darauf hin, dass die Gruppe vorschnell von stabilen Verhältnissen ausgegangen war. 2008 malte die zuständige Mövenpick-Leitung noch rosa. Sie freute sich über die Zusammenarbeit mit der Bank of Commerce & Development, dem grössten privaten Geldinstitut des Landes. Es könnten «in naher Zukunft mit dem gleichen Besitzer weitere Projekte in Libyen» folgen, sagte Hotel-Chef Pérès damals.

Privater libyscher Partner

Nun stehen die Bagger still, und Mövenpick übt sich in Schadensbegrenzung. Ob die Bank of Commerce & Development mit dem Regime des libyschen Diktators Gaddafi zusammenhänge, beantwortet Pérès mit einem dünnen Satz: «Mövenpick Hotels & Resorts steht in keiner Weise mit der Herrscherfamilie in Verbindung.»

Das ist nicht so eindeutig, wie es Mövenpick verstanden haben will. Die Bank gilt zwar als privatwirtschaftliches Unternehmen. Doch auf ihrer Homepage weist sie als Aktionäre 2462 natürliche und 35 juristische Personen aus, wobei sich die wiederum aus privaten Firmen und staatlichen Organisationen zusammensetzen.

Hat der libysche Staat seine Hände im Spiel, und sei dies auch nur als Minderheitsaktionär, kann kaum von einer rein privaten Unternehmung in westlichem Sinne gesprochen werden. Das finden auch die Analysten der Ratingagentur Standard & Poors. Dass das libysche Bankenwesen der internationalen Entwicklung hinterherhinke, folge «hauptsächlich aus einer sehr zentralistischen Entscheidungsfindung». Die libyschen Banken würden dirigiert durch «ein sehr komplexes System, in dem der Staat immer das letzte Wort» habe.

Trotz grossen Investitionen mit entsprechenden Gefahren von Einnahmenausfällen fand die arabische Revolution bei Mövenpick lange nicht statt. Auf der Internetseite verbreitete die Führung noch Mitte Januar, kurz nachdem der tunesische Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali das Land fluchtartig verlassen hatte und die Unruhen bereits auf Algerien übergeschwappt waren, den Eindruck von Courant normal. «Mövenpick Hotels & Resorts von Amors Pfeil getroffen», lautete die Überschrift einer Mitteilung; mit einem «Monat der Romantik» wurde um Paare geworben, die in Mövenpick-Hotels «im Nahen Osten und in Asien» von günstigen Preisen profitieren wollten.

Der Chef ist nicht erreichbar

Auf Anfrage heisst es in der Zürcher Mövenpick-Zentrale, Konzernchef Guido Egli weile «im Ausland». Dass Verantwortliche trotz Reisetätigkeit erreichbar sind, zeigt der rasche Rückruf von Verwaltungsratspräsident Peter Kalantzis aus Griechenland, der allerdings seinerseits an Egli verweist. Mövenpick schliesslich teilt schriftlich mit, dass «keine eigenen Hotels besitze», sondern sie nur betreibe.


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