Gestutzte Flügel

Der grösste unabhängige Vermögensverwalter Aquila taucht in der US-Anklage auf. Damit droht das Ende einer Erfolgsstory. Handelszeitung, 15. September 2011

Max Cottings persönlicher Schicksalstag war der 5. August. An jenem Freitag lösten die USA ihren Angriff auf Cottings Aquila-Gruppe aus, einen der grössten Vermögensverwalter der Schweiz. Ein Aquila-Partner, der lange für das US-Offshore-Team der UBS gearbeitet hatte, wurde von den Amerikanern wegen Mithilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Die USA werfen dem Partner vor, US-Kunden mit einem Gesamtvermögen von über 200 Millionen Franken vor dem Fiskus versteckt zu halten. Dem Schweizer drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Vehängnisvoller Entscheid

Cotting, ein 55-jähriger Zürcher mit Zweitwohnsitz Zermatt, wo er zusammen mit seiner Frau eine Skihütte mit 30 Mitarbeitern betreibt, zog die Reissleine. Um sein Lebenswerk nicht zu gefährden, löste er den Partnerschaftsvertrag mit dem Angeklagten und einem weiteren Ex-UBS-Vermögensverwalter innerhalb einer Woche auf. Eine andere Wahl sei ihm nicht geblieben, begründet Cotting den Schritt. „Wir können uns nicht erlauben, in unsaubere Geschäfte verwickelt zu werden.“ Aquila sei nie gross im US-Offshore-Geschäft tätig gewesen, entsprechend wäre es töricht, sich daran die Finger zu verbrennen. Genau das droht jetzt aber zu passieren. Der Fall könnte damit eine der grössten Erfolgsstorys am Schweizer Finanzplatz zu einem frühen Ende bringen.

Aus dem Nichts heraus hatte Cotting ab Ende der 1990er-Jahre Aquila als Plattform für unabhängige Vermögensverwalter gross gemacht. Die Idee des früheren Privatbankers in Diensten der Grossbank Credit Suisse war bestechend. Kleine und agile Kundenberater, die lieber selbstständig als angestellt tätig sein wollten, sollten möglichst alles Administrative und Technische abgeben und sich ganz auf ihr Kerngeschäft, die Kunden, fokussieren. Aus der vor elf Jahren als Ein-Mann-Firma ins Leben gerufenen Aquila ist eine kleine Macht geworden. Aquila besteht aus einem Stammhaus mit rund 20 Mitarbeitern für die zentralen Dienste, dazu kommen die 35 Partnergesellschaften mit rund 80 Vermögensverwaltern an der Front. Gemeinsam werden 2500 Kunden und rund 5 Milliarden Franken Vermögen betreut. Aquila zählt damit zu den grössten unabhängigen Vermögensverwaltern der Schweiz. Sein Markenzeichen ist der Adler im Logo.

Cotting stellt für seine Leistungen den Partnern einen Anteil an den Kundengebühren in Rechnung. 13 Prozent müssen ihm die Partner abliefern, mit einer Obergrenze von 150000 Franken pro Partner oder 300000 Franken, wenn mehrere Partner unter dem gleichen Namen auftreten. 2010 kamen Cotting und seine 20 Stammhaus-Leute damit auf rund 8 Millionen Franken Einnahmen. 400000 Franken Durchschnittseinkommen sind nicht schlecht für ein Business, das faktisch auf der Bereitstellung einer Finanzplattform basiert.

Der steile Aufstieg seiner Gruppe hat Cotting möglicherweise unvorsichtig werden lassen. Jedenfalls ist ihm mit der Verpflichtung von Ex-UBS-Partnern mit langer US-Offshore-Vergangenheit ein Fehler unterlaufen. Der angeklagte G. und ein nicht angeklagter Weggefährte aus Zeiten bei der Grossbank stiessen Mitte 2009 von der Neuen Zürcher Bank (NZB) zur Aquila. Die NZB hatte zuvor beschlossen, aus der Vermögensverwaltung für Privatkunden auszusteigen. In der Anklageschrift erheben die USA schwere Vorwürfe gegen Berater G. Dieser soll noch im Herbst 2009, als sich die Schweiz bereits per Staatsvertrag zur Kooperation mit den US-Behörden verpflichtet hatte, einen US-Kunden mit nicht versteuerten Vermögen zu einer neuen Bank verschoben haben.

Der Bargeld-Trick

Zu jenem Zeitpunkt war G. seit kurzem Partner bei Aquila Associates, die zu Cottings Gruppe gehört und in der neuesten US-Anklage als „Swiss Asset Manager No. 2“ prominent genannt wird. Für G. problematisch sind sogenannte Kompensationsgeschäfte, die ihm vorgeworfen werden. Laut den US-Behörden nahm der Kundenberater zu UBS-Zeiten Cash von US-Kunden an, die ihr unversteuertes Geld auf einem Schweizer Konto haben wollten. Im Gegenzug gab Berater G. anderen Amerikanern mit einem Schweizer Offshore-Konto Bargeld, das diese im eigenen Land ausgeben wollten. All das geschah gemäss Anklage auf US-Boden und verletzte US-Gesetze.

Da hört der Spass auch für Cotting auf. Kompensationsgeschäfte seien nicht nur in den USA illegal, sondern auch nach Schweizer Recht. Dass sich viele hiesige Kundenberater nicht an das Verbot gehalten hätten, mache die Sache nicht besser, meint der Aquila-Chef. Er habe G. und dem zweiten Ex-UBS-Berater geglaubt, als diese versicherten, alle US-Gesetze eingehalten zu haben. „Dass sich dies im Nachhinein als Trugschluss herausgestellt hat, ist natürlich unschön“, meint Cotting.

Wie gefährlich der US-Steuerkrieg für Cottings Aquila werden könnte, ist schwer abschätzbar. „Wir wissen nichts von US-Ermittlungen gegen uns“, sagt Cotting dazu. Mit der Anklageerhebung gegen einen Ex-Partner ist Cottings Aquila aber auch bei den Schweizer Behörden zum Thema geworden. Als einer der ganz wenigen unter den unabhängigen Vermögensverwaltern in der Schweiz hat sich Cotting freiwillig der Aufsicht der Schweizerischen Finanzmarktaufsicht Finma unterstellt. Dies, um das Vertrauen bei Partnern und Kunden zu stärken. Mit der Finma stehe er seither in Kontakt, erklärt der Aquila-Gründer. Ein Verfahren sei aber seines Wissens nicht am Laufen.

Die Aufsicht selber wollte sich zu einem allfälligen Verfahren auf Anfrage nicht äussern.

Jetzt droht der grosse schnitt

Konsolidierung Die anhaltende Finanzkrise dürfte nicht nur für Schweizer Banken zur Rosskur werden. Auch die unabhängigen Vermögensverwalter im land müssten sich neu erfinden. Die oft prophezeite konsolidierung der rund 2500 externen Vermögensverwalter würde endlich eintreten. Der Schnitt dürfte quer durch die Branche gehen und könnte sowohl kleinbüros mit nur einem kundenberater als auch grosse gruppen treffen. Nur wer sich jetzt darauf einstelle, mache das Rennen, sagt Cotting von Aquila.


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