UBS-Transparenzbericht wirft neue Fragen auf

Präsident Villigers wichtigste Arbeit ist widersprüchlich, Wichtiges bleibt unerwähnt. SonntagsZeitung, 17. Oktober 2010

Alt-Bundesrat Kaspar Villiger, 69, trat als Präsident an, um die UBS bei Politik und im Publikum wieder zum vertrauenswürdigen Partner zu machen. Der am Donnerstag vorgestellte „Transparenzbericht“ ist dafür sein wichtigster Beitrag.

Auf den rund 70 Seiten ist das Bemühen um transparente und ehrliche Aufarbeitung der grossen Krise spürbar. „Was geschehen ist, hätte nicht geschehen dürfen“, steht am Anfang. Es wird klar, dass die Verantwortlichen auch in den Augen der neuen UBS versagt haben.

Rechtlich lässt Villiger sie springen, um nicht US-Klägern zu helfen. „Wenn die Bank klagt, vertritt sie die Ansicht, dass unrechtmässig gehandelt wurde“, zeigt Wirtschaftsanwalt Peter Nobel Verständnis. Dafür wäre auch die UBS als juristische Person verantwortlich.

Für die UBS ist das wichtigste Ziel des Transparenzberichts, dass die Bank unbelastet nach vorn schauen kann. „Heute haben wir die Grundlage geschaffen, um einen Schlussstrich unter die vergangenen Ereignisse zu ziehen“, lässt sich Villiger im Communiqué zitieren.

Das setzt voraus, dass jede wichtige Frage geklärt und nichts verschwiegen wird. Das missglückt. An einigen Stellen ist die Transparenzoffensive widersprüchlich, Anderes bleibt unerwähnt.

Bisher hiess es, die USA hätten die Bank angeklagt, wäre kein Steuer-Deal zustande gekommen. Dann gab die Geschäftsprüfungskommission einen Chefbeamten wider, der UBS-Rechtschef Markus Diethelm zitierte, wonach eine Anklage gegen die Bank unwahrscheinlich sei, „da die USA eine derartige Destabilisierung der Finanzwelt nicht verschulden wollten. Es könnte jedoch zu einer Anklageerhebung gegen Kurer und Rohner kommen.“

Das sei „frei erfunden“, meinte Diethelm darauf im Juni in der NZZ. Nun steht im Transparenzbericht, als die Bank Ende 2008 einen Deal suchte, habe das US-Justizdepartement (DOJ) dies von der Herausgabe von Kundendaten abhängig gemacht. „Zugleich stand die Erhebung einer strafrechtlichen Anklage gegen die Bank und ihre obersten Organe im Raum.“

Erstmals wird offiziell zugegeben, dass Strafverfahren gegen den damaligen Präsidenten Peter Kurer und seinen CEO Marcel Rohner drohten. Hat Rechtschef Diethelm, der massgeblich am US-Deal beteiligt war, im Juni gelogen?

„Ab dem 8. Dezember, als das DOJ konkrete Drohungen gegen die Bank aussprach, lag der Fokus der Gespräche ausschliesslich auf der Bank“, hält Diethelm auf Anfrage fest. „Um es klipp und klar zu sagen: Zu keinem Zeitpunkt der Gespräche mit dem DOJ, weder vor noch nach dem Dezember hat die Bank jemals über einzelne Mitglieder der Geschäftsführung verhandelt oder gesprochen.“ Diese hätten eigene Anwälte gehabt. „Doch die Betroffenen hätten Anfang 2009 allenfalls nochmals ins US-Visier geraten können, wenn der Deal gescheitert wäre.“

Neu klingt das Ausmass der Verstösse im US-Geschäft gravierender als bisher. Oft sei unkontrolliert geblieben, ob Offshore-Konstrukte nur dem Schein nach bestanden hätten. „Dies ermöglichte einigen Kundenberatern in einer Reihe von Fällen, Kunden bei der Umgehung von Beschränkungen betreffend das Halten von US-Wertschriften zu unterstützen.“

Die Bankenaufsicht, die sich auf UBS-Berichte abstützte, schrieb Anfang 2009 statt von „einer Reihe von Fällen“ nur von Einzeltätern. „Der Umstand, dass einzelne Kundenberater der Bank einzelnen Kunden bei ihren Anstrengungen zur Vermeidung von Steuern […] behilflich waren, war gewissen Kundenberatern, den (wenigen) Managern des NAM-Business und dessen direktem Vorgesetztem sowie einzelnen Fachspezialisten von GWM&BB bekannt.“

Zwischen dem Transparenzbericht und dem unabhängigen, von der UBS bestellten Gutachter Peter Forstmoser gibt es eine Differenz. Bei Ausbruch der US-Ermittlungen sei „eine darauf spezialisierte US-amerikanische Anwaltskanzlei mit der Durchführung einer unabhängigen Untersuchung […] beauftragt“ worden, schreibt die Bank, und bestätigt auf Anfrage, dass sie die US-Kanzlei Wachtell ausgewählt habe. Forstmoser sagte hingegen am Donnerstag: „Wachtell wurde vom DOJ eingesetzt und ist deshalb unabhängig.“ Die NZZ übernahm diese Version und nicht die korrekte der UBS.

Ebenso bleibt Wichtiges unerwähnt. Gemäss Transparenzbericht beschloss die Bank nach dem Whistleblowing von Bradley Birkenfeld im August 2007, „das Geschäft mit US-Kunden zurückzufahren“. Dass sich Rohner und sein Offshore-Chef Raoul Weil gemäss US-Akten bereits im August 2006 weigerten, „Empfehlungen von Managern zu folgen, das US-Offshore-Geschäft herunterzufahren, zu verkaufen oder abzutrennen, da dies zu teuer käme und zu viel schädliche Aufmerksamkeit erzeugen würde“, bleibt verschwiegen.

Im Dunkeln bleibt schliesslich auch, dass die Wachtell-Anwälte mehrere Monate lang an den als langjährigen Rechtschef und direkt in die Affäre verwickelten Peter Kurer respektive dessen Leute rapportierten. Statt den wichtigen Umstand zu erwähnen, steht im Transparenzbericht: „Um die Unabhängigkeit der Untersuchung zu gewährleisten, hat Wachtell […] ab Sommer 2008 direkt an einen Verwaltungsratsausschuss“ mit unabhängigen Mitgliedern rapportiert.


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