Lizenz zum Rückbau
Die Bank Julius Bär muss die Expansionsstrategie überarbeiten. SonntagsZeitung, 1. Februar 2009
Am Freitag präsentiert die Bank Julius Bär das Jahresresultat 2008. Die Aktionäre erwarten klare Aussagen zur strategischen Ausrichtung, nachdem ihr charismatischer Chef Alex Widmer im Dezember aus dem Leben geschieden ist. Mit Widmer hat die Bank mehr als das Aushängeschild verloren: Bei der Privatbank mit globalen Ambitionen drehte sich alles um den 52-Jährigen. Nun muss der für Widmer eingesprungene frühere Konzernchef Hans de Gier, 64, die Strategie generalüberholen.
Moskau, Kairo, Istanbul – die Neueröffnungen jagten sich
Die vom Verwaltungsrat vor drei Jahren beschlossene, von de Gier als Konzernchef akzeptierte und von Alex Widmer als Privatbankenchef durchgeführte globale Expansion ist am Scheideweg angelangt. Viel neues Geld kam in die Bank, doch lasten die Kosten schwer.
Erste Zeichen weisen auf einen Übungsabbruch hin. Der im September verpflichtete Stephan Häberle, ein Topshot des Private Banking der Liechtensteiner LGT Bank, tritt seine Stelle nicht an, sein Vertrag wurde aufgelöst. Er hätte ein Team von rund 80 Kundenberatern für die Region Osteuropa und Afrika aufbauen sollen. Er wollte keinen Kommentar abgeben. Julius Bär lehnte mit Verweis auf die Pressekonferenz vom Freitag eine Stellungnahme ab.
Häberles Nicht-Antritt und der Verzicht auf den Aufbau eines grossen Private-Banking-Teams für eine wichtige Region signalisieren ein radikales Umdenken an der Bär-Spitze bezüglich der von Alex Widmer angeführten Expansion. Unter dessen Ägide hatte die Bank massiv ausgebaut. 2007 eröffnete Bär in Abu Dhabi eine Filiale und baute ihre Präsenz in Singapur aus. 2008 jagten sich die Neueröffnungen – in Verbier, Moskau, St. Gallen, St. Moritz, Kairo und Jakarta. Hinzu kam die Lizenz für Istanbul.
Der forsche Ausbau brachte viel Neugeld. 2006 waren es im Private Banking 6 Milliarden Franken, 2007 schon 12 Milliarden. Mitte 2008 verwaltete die Bär-Gruppe (Privatbank und Assetmanager GAM) mit 4300 Mitarbeitern Vermögen von 364 Milliarden Franken. Die Erträge kletterten zwischen 2005 und 2007 von 1,5 auf 3,4 Milliarden. Der Gewinn stieg von 145 Millionen (2005) auf 940 Millionen Franken (2007). Der Aktienkurs ging hoch.
Es kursieren Gerüchte über Kreditabschreiber
Jede Neueröffnung oder Erweiterung erhöhte nicht nur die variablen Miet- und Personalkosten, sondern auch die fixen Kosten für Büros, IT, Banklizenzen und garantierte Boni. Sachanlagen werden linear abgeschrieben. So können Kosten auf mehrere Jahre verteilt werden. Bei einem Strategieabbruch aber werden sie auf einen Schlag fällig. Das könnte angesichts der sich verschärfenden Finanzkrise zumindest teilweise nötig werden. Hinzu kommen Gerüchte über Kreditabschreiber. In Asien lockte Bär Kunden mit Krediten. Sollten die Sicherheiten nicht mehr genügen, drohen ausserordentliche Verluste.
Abzuwarten bleibt, was aus den am nächsten Freitag publizierten Zahlen herausgelesen werden kann. Schon nach der Akquisition von UBS-Töchtern 2005 arbeitete Bär mit Pro-forma-Zahlen. Nun wurde intern bekannt, dass die Produkteentwicklung, die vor Jahresfrist von GAM zur Bank verschoben wurde, an ihren ursprünglichen Platz zurückkehrt. Ausser Spesen nichts gewesen, kritisieren Insider. Das Hin und Her verunmögliche einen harten Ergebnisvergleich.