Bis oben voll mit Derivaten

UBS und CS gehören zu den ganz Grossen im riskanten Geschäft. SonntagsZeitung, 20. Dezember 2009

Nach gigantischen Verlusten durch die geplatzte Kreditblase standen die Banken auf der Risikobremse. Doch ihre Derivatausstände blieben hoch. Vor allem jene von UBS und Credit Suisse, die mit je rund 45 000 Milliarden Franken – das entspricht der kumulierten Wirtschaftsleistung der Schweiz in 100 Jahren – ein Fünftel des Derivate-Weltbestands halten (siehe Grafik).

Nominalbeträge von Derivaten, die komplexe Finanzgeschäfte ermöglichen, würden nichts über das Risiko aussagen, sagt die UBS. «Es kann sogar sein, dass mit steigenden ‹Notional Values› das Risiko einer Bank sich verringert», sagt Sprecher Andreas Kern. «Dies hängt damit zusammen, dass ‹Notional Values› nur die Anzahl der Verträge reflektieren, nicht aber deren Risiko.»

Das stimme nur zum Teil, sagt der Zürcher Finanzprofessor Maurice Pedergnana, Risikoexperte im Verwaltungsrat der Zürcher Kantonalbank. Die Stabilität des Finanzsystems würde durch Derivate «tendenziell erhöht, nach einem bestimmten Punkt aber möglicherweise ins Negative hineinwachsen». Das Tempo der Innovationen in diesem Bereich könnte insbesondere das Risikomanagement der Banken überfordern. «Darin sehe ich die grosse Gefahr», urteilt Pedergnana.

Die Derivaterisiken beschäftigen auch die Aufsicht. «Wir haben gemerkt, dass da Gefahren schlummern, die wir jetzt auf unseren Radar holen», sagt Finma-Sprecher Alain Bichsel.

Im Stresstest verdreifacht sich der Kapitalbedarf der Banken

Neue internationale Vorschriften ermöglichen erstmals einen detaillierten Blick auf die Derivate. Sie zeigen, wie viel zusätzliches Eigenkapital UBS und CS bei künftigen Schocks auftreiben müssten. Demnach zeigt der Stresstest bei den Derivaten für die UBS im schlimmsten Fall eine Zunahme des Verlustrisikos von heute 49 auf 119 Milliarden Franken. Die CS weist per Mitte 2009 einen Sprung von 36 auf 106 Milliarden aus. So viel könnte im Extremfall ausfallen, wenn Gegenparteien, also andere Finanzmarktteilnehmer, ihre Ausstände nicht mehr begleichen würden.

Beide Grossbanken bräuchten mehrere Milliarden neues Kapital. Gemäss diesem Stresstest entsprechen die Derivaterisiken der Schweizer Grossbanken etwa jenen der US-Investmentbank Goldman Sachs. Die übrigen amerikanischen Finanzmultis weisen noch höhere Risiken aus.

Wie die Subprime-Kreditpapiere werden auch die Derivatekontrakte in den Büchern der Handelsabteilungen der Grossbanken geführt. Dieser Umstand gibt jenen Stimmen Auftrieb, die das Investmentbanking von den systemrelevanten Inlandaktivitäten abspalten wollen. Eine diese Woche aktiv gewordene Expertenkommission des Bundes unter der Leitung von Peter Siegenthaler, dem Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, prüft unter anderem eine Aufspaltung von UBS und CS, deren Bilanzsummen die Schweizer Volkswirtschaft um ein Vielfaches übersteigen.

Laut Eva Hüpkes, Ex-Kaderfrau der Finma und heute beim globalen Financial Stability Board tätig, würden Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand, der in der Expertengruppe sitzt, und weitere Exponenten im Ausland eine «Abtrennung des ‹Casino-Bankings›» befürworten.

Privatbankier Konrad Hummler zielt in die umgekehrte Richtung. Nicht Grösse sei entscheidend, sondern das Risiko fürs System. «Deshalb bin ich für eine Abspaltung von Zahlungsverkehr und Wertschriftenabwicklung.»

Von einer Aufteilung will die CS nichts wissen. «Das Investmentbanking ist ein elementarer Bestandteil der Wertschöpfungskette eines starken Finanzplatzes», verteidigt Sprecher Andrés Luther das Modell seiner integrierten Bank.


Einen Kommentar schreiben