Schlingernde UBS sucht Leadership

Personal und Experten vermissen bei Marcel Rohner die starke Hand. SonntagsZeitung, 3. August 2008

Sein Job, den er vor gut einem Jahr angetreten hat, ist der schwierigste im Land. Marcel Rohner , 43, muss den lecken UBS -Tanker mit 80 000 Mitarbeitern aus dem Sturm steuern. Er kämpft gegen schwindendes Vertrauen – bei Mitarbeitern, Aktionären, Anlegern. Ist CEO Rohner der Odyssee seines Unternehmens, das für die Schweiz so bedeutend ist wie kein anderes, gewachsen? «Ja», sagt Rohner, «der Rückhalt ist da – das sehe ich an den Schritten, die wir bereits umgesetzt haben. Ohne Unterstützung der Mitarbeiter geht das nicht.» Die Krise und die damit verbundenen Ängste im Personal könne aber niemand über Nacht bewältigen.

An der Basis ist man skeptisch. «Er mag kein charismatischer Typ sein, dafür ist er verlässlich, verantwortungsbewusst und nicht eitel», sagt Elly Planta von der UBS -Arbeitnehmervertretung. «Aber Feldherren können auch nicht das Ende der Schlacht abwarten, um ihre Leute hinter sich zu scharen. Alle vermissen Leadership.»
Vorschnelle Entwarnungen trüben die Wahrnehmung

Auch der emeritierte Zürcher Bankenprofessor Hans Geiger macht fehlende Überzeugungskraft aus. « Rohner hat ohne Zweifel die intellektuellen Fähigkeiten für den Job. Aber kann er die Manager und das Personal der UBS vom Erfolg des Turnarounds überzeugen? Glauben seine Leute an ihn?»

Rohner will Gegensteuer geben. So erklärt er sich spontan zu einem ausführlichen Telefongespräch bereit, als die SonntagsZeitung der UBS Fragen zu diesem Artikel unterbreitet: «Meine Aufgabe ist, alles dafür zu tun, dass die UBS zum Erfolg zurückkehrt, und die Mitarbeiter in ihrer Arbeit zu unterstützen. Leadership ist keine Frage der lauten Worte, sondern das Vorleben von Werten und Verhaltensweisen.»

Rohners Problem in der Wahrnehmung von aussen sind vorschnelle Entwarnungen. Wiederholt versprach der Aargauer Licht am Ende des Tunnels, Mal für Mal verdüsterte sich die Lage der Bank und der Finanzindustrie. Am 1. Oktober 2007, als die UBS die Anleger mit über 4 Milliarden Dollar Verlusten im US-Hypothekenmarkt schockierte, sagte er, die Rest-Bank arbeite gut. Am 30. Oktober wiederholte er die optimistische Prognose trotz Kurszerfall. «Die Gruppe als Ganzes sollte im laufenden Quartal positiv sein.»

Anfang Dezember folgten weitere 10 Milliarden Dollar Abschreiber, die Bank stürzte in die roten Zahlen und brauchte 13 Milliarden Dollar Notkapital. Rohners damaliger Chef Marcel Ospel sagte auf Radio DRS: «Noch schlimmere Auswirkungen sind für mich sehr schwer vorstellbar.»

Auch Rohner beschwichtigte. «Die Situation ist weniger gefährlich und besser zu bewältigen als in den letzten neun Monaten», sagte er vor der GV vom 23. April, als die UBS ihre Eigentümer um weitere 15 Milliarden Franken Kapital bat.

Rohner will nicht von Fehlprognosen sprechen. «In einer Krise, die niemand richtig einschätzen kann, will man hören, dass dies alles bald vorbei ist.» Die Lage habe sich kontinuierlich verbessert. «Dass es schnell vorbeigeht, habe ich nie versprochen.»

Anfang Mai 2008, bei der Präsentation des ersten Quartals, musste Rohner einen Neugeldabfluss von 13 Milliarden Franken beichten. Er verordnete einen rigorosen Kostenabbau mit 5500 gestrichenen Stellen. Hypothekenpapiere über 15 Milliarden Dollar gingen an Blackrock, einen spezialisierten Investor. Die UBS bleibt im Risiko und stellte 12 Milliarden Dollar Kredit zur Verfügung.

Durch Abschreiber und Verkäufe reduzierte die Bank ihre Subprime-, Alt-A- und Prime-Positionen um die Hälfte auf 42 Milliarden Dollar. «Das haben wir im zweiten Quartal dieses Jahres erfolgreich weitergeführt», sagt Rohner . Übernächste Woche dürften noch geschätzte 20 Milliarden Dollar übrig sein. Neue Milliardenverluste drohen wegen Forderungen an marode Kreditversicherer.

Die Investoren bleiben skeptisch. Die UBS -Aktie dümpelt um 20 Franken, ein Viertel ihres Wertes vor einem Jahr. Madeleine Hofmann von Julius Bär nimmt Rohner in Schutz. «Die UBS sitzt nun einmal auf diesen hohen Positionen, das kann weder Rohner noch sonst jemand ändern», sagt die Analystin.
Rohners ehemaliger Chef im Risk Management ist enttäuscht

«Dass Rohner den US-Hypothekenklumpen nicht gesehen hat, enttäuscht mich», sagt hingegen Felix Fischer . Bis 1998 war Fischer Chef Risk Management der UBS , der 34-jährige Rohner unter ihm Marktrisiko-Chef. Als die Grossbank kurz nach der Fusion mit dem Bankverein eine Milliarde Franken mit dem Hedge-Fund Long-Term Capital Management verlor, wurde Fischer durch den heutigen Julius-Bär-Manager David Solo ersetzt, kurz darauf folgte Rohner .

Es war der Start zu einer steilen Karriere. 2002 übernahm Rohner die UBS -Paradedisziplin Vermögensverwaltung mit 30 000 Mitarbeitern. Rohner wurde Mitglied im Risiko-Ausschuss der Konzernleitung und sah alle Risk-Reports. Von da an war er mitverantwortlich für die US-Immobilienposition. Am 6. Juli 2007 wurde der vermeintliche Erfolgs-CEO Peter Wuffli überraschend von Rohner abgelöst.

Felix Fischer macht fehlende Erfahrung bei Rohner aus. «Mich erstaunt, dass ein grosser Konzern wie die UBS so junge Kandidaten so rasch an die Spitze setzt.»

Bankenprofessor Geiger beschreibt Rohner als «starken Theoretiker», der an der Universität Zürich den «harten quantitativen Weg» mit mathematischen Extravorlesungen eingeschlagen habe.

Rohner gibt sich auch beim Regulator kooperativ, der von den Grossbanken eine minimale Eigen-/Fremdkapital-Relation fordert. Das sei zwar ein vereinfachendes Instrument, sagt Rohner . «Etwas Gutes hat es aber: Das Bilanzwachstum muss mit dem Gesamtkapital Schritt halten.»

Kann Rohners Appeasement-Strategie die UBS heilen? Im Steuerstreit mit den USA scheint der Druck nach dem Schuldeingeständnis vor dem US-Senat nachzulassen. «Nichts beschönigen und klare Konsequenzen aus den Fehlern ziehen», sagt Rohner. «Genau das wollen der amerikanische Kunde und die Mitarbeiter von uns sehen.»

Die teuren Investmentbanking-Stars könnten Rohner hingegen als Softie abstempeln. Eine Abkoppelung schliesst er nicht mehr aus. «Wie weit die Integration der Bereiche der Bank in Zukunft gehen soll, diskutieren wir zurzeit mit dem Strategie-Ausschuss des Verwaltungsrats.» Strukturen könnten nie in Stein gemeisselt sein – «schon gar nicht nach einer derart tiefgreifenden Krise».


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