Kampf für intelligente Industriepolitik

Thomas Cueni, Geschäftsführer des Pharmaverbands Interpharma, bekämpft die Parallelimporte von patentgeschützten Gütern. Es geht ihm um den Forschungsplatz Schweiz. Handelszeitung, 17. September 2008
Schon um sechs schwimmt Thomas Cueni gegen den Strom. «Ich fühle mich so fit und tatendurstig wie schon lange nicht mehr», lobt der Interpharma-Chef das Frühcrawlen im Privatpool.

Widerstand beflügelt den Chef der Pharmalobby. Seit 75 Jahren, davon 20 mit Kämpfernatur Cueni an der Spitze, sorgt Interpharma für beste Rahmenbedingungen. Cuenis Bilanz lässt sich sehen: Tierversuche, Gentechnologie, freie Forschung – die Pharmaindustrie blieb in politischen Auseinandersetzungen immer Siegerin.

Der Blick nach vorn sei entscheidend, sagt Cueni im Gespräch. «Das Thema Gentechnologie mit der Volksabstimmung von 1998 hatten wir erstmals 1990 intern behandelt.»

Methoden in Diskussion

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr geben Cuenis Methoden öffentlich zu reden. «Er ist ein Lobbyist, der seine Grenzen überschreitet», sagt der freisinnige Nationalrat Otto Ineichen, als liberaler Bürgerlicher grundsätzlich für freie Forschung und Wirtschaft.

Cueni sei zu forsch, findet der Luzerner Unternehmer und Politiker. «Das sorgt bis in die eigene Branche für Verunsicherung», sagt Ineichen, und fügt an: «Cuenis Hang zum Überzeichnen der Konsequenzen kann kontraproduktiv sein.»

Die Kritik platzt mitten in das Ringen um Parallelimporte. Der «Billigimport» patentgeschützter Produkte bedrohe den Forschungsplatz, warnt Cueni. Bisher mit Erfolg: Der Bundesrat will gemäss seiner Botschaft an das Parlament am generellen Verbot günstiger Importprodukte festhalten. Die Vorlage war noch unter dem damaligen Justizminister Christoph Blocher ausgearbeitet worden. In der Sommersession folgte der Nationalrat der Regierung knapp (siehe Box).

Die Wende könnte jetzt im Ständerat erfolgen. Die zuständige Wirschaftskommission (WAK) unterstützt den generellen Import patentgeschützter Güter aus der EU, ausgenommen bleiben nur die Medikamente. Kommt die Lex Pharma in der Herbstsession in der kleinen Kammer durch, muss der Nationalrat nochmals über die Bücher.

Mail an Couchepin

Im Lobbying für ein generelles Parallelimporte-Verbot wollte Cueni am Beispiel des Pharma-Hochpreislandes Deutschland zeigen, dass Schweizer Medikamente längst preiswert seien. Dabei verzerrten höhere deutsche Steuern das Bild.

«Thomas Cueni neigt dazu, mit statistischen Tricks die Grenze des landesüblichen Manipulationsmasses zu überschreiten», sagt Sozialdemokrat Rudolf Strahm, bis Mitte Jahr Preisüberwacher.

Vor zwei Jahren berichtete die «NZZ am Sonntag» über eine E-Mail Cuenis an Interpharma-Mitgliedsfirmen. «Ich konnte ihm die Idee ausreden», schrieb Cueni über ein Treffen mit Gesundheitsminister Pascal Couchepin vom September 2006. Nicht der Bundesrat, sondern der Pharmalobbyist gebe den Ton an, blieb als Eindruck zurück.

Streit mit der «NZZ»

Cuenis Unbeugsamkeit im Kampf um Parallelimporte, der auf Messers Schneide steht, ist der liberalen «Neuen Zürcher Zeitung» («NZZ») ein Dorn im Auge. Wirtschaftsjournalist Heinz Bitterli schrieb in seinem Leitartikel «Peinlicher Kampf der Pharmabranche gegen Parallelimporte» im Mai 2006: «Aus Sicht (der Pharmabranche) bricht der Forschungsstandort Schweiz samt all den Arbeitsplätzen zusammen, wenn die einheimischen Konsumenten – die zwar nur einen winzigen Bruchteil des Branchenumsatzes generieren – nicht mehr weit überdurchschnittlich zur Kasse gebeten werden wollen, um die Preispolitik auf regulierten Auslandmärkten zu subventionieren.»

Cueni wäre nicht Cueni, würde er den Vorwurf des Machtmissbrauchs unkommentiert lassen. «Eine intelligente Industriepolitik, in welcher es vor allem um Anreiz und Schutz der Forschungsleistung geht, ist Herrn Bitterli ein Greuel.» Mit fatalen Folgen, glaubt Cueni. «Mit dieser Denkweise wäre es nie zum amerikanischen Biotech-Wunder gekommen.»

Lob des Politberaters

Die Lobbygruppe Interpharma feiert im November ihr Jubiläum. Mit dem Motto «75 Jahre – für die Forschung von morgen» sollen die Erfolge von gestern den Weg in die Zukunft weisen.

Im Buch «Rohstoff Wissen», einer Auftragsarbeit von Interpharma zum runden Geburtstag, interviewt Autor Karl Lüönd den Politberater Iwan Rickenbacher. «An diesem Beispiel kann man das, was ich unter intelligentem Lobbying verstehe, genau aufzeigen», sagt Rickenbacher über Interpharma. «Am Ende des Tages haben sie vielleicht nicht das Beste, aber das Bestmögliche erreicht.»

Für Rickenbacher ist die Pharmalobby im Unterschied zur Meinung einiger Politiker ein fairer Partner. «Es ist Konsens bei Freund und Feind, dass sie nicht ‹tricky› ist», sagt der frühere CVP-Generalsekretär im Buch. «In anderen Branchen konnte man da nicht immer so sicher sein.»

Cueni will Contrat social

Cheflobbyist Thomas Cueni bläst ins gleiche Horn. «Wir brauchen einen Contrat social, der Forschung und Innovation ermöglicht, der aber auch Nachhaltigkeit für die Finanzierung des Gesundheitswesens beinhaltet», gibt sich der Einflüsterer kompromissbereit.

Worte eines Wolfs im Schafspelz? Für Thomas Cueni ist das Urteil, das Aussenstehende über ihn abgeben, nicht massgebend für die Selbsteinschätzung. «Das stammt vermutlich von Leuten, die mich entweder kaum kennen oder die an manchmal hart geführten Podiumsveranstaltungen mit mir teilgenommen haben.»


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