Für die Schweiz ist Schweigen Gold

Anders als die deutsche Regierung intervenieren die Schweizer Behörden – Bundesrat, die Notenbank und die Banken-Kommission – ruhig und bestimmt. Gut so, meint der frühere Notenbanker Kurt Schiltknecht. Handelszeitung, 8. Oktober 2008

Europas Regierungen flüchten sich in Aktionismus: Eine nach der anderen verspricht ihren Sparern Deckung. Nach Irland, Griechenland, Schweden und Österreich verkündeten am Sonntag auch die deutsche Regierungschefin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit ernsten Mienen, die Regierung sichere alle Einlagen privater Sparer ab – laut Finanzministerium geht es dabei um die gigantische Summe von 800 bis 1200 Mrd Euro. Seither brechen die Aktienkurse weg. «Die Tatsache, dass verschiedene Staaten der EU alle Konten garantieren wollen, zeigt doch, wie schlimm es ist», heisst es auf dem Börsenparkett in Zürich. Da solle wohl noch etwas noch Grösseres verhindert werden.

Keine Spur von Aktionismus legen die Schweizer Behörden an den Tag. Interims-Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf lässt sich nicht zu emotionalen Ausbrüchen hinreissen. «Notenbank und Bankenaufsicht seien am Werk», richtet Widmer-Schlumpfs Departement auf Anfrage aus. «Der Bundesrat bereitet allfällige Massnahmen so vor, dass sie rechtzeitig Wirkung entfalten», heisst es weiter. «Er wird diese Massnahmen kommunizieren, wenn entsprechende Entscheide gefällt sind.»

SNB: «Nicht hyperventilieren»

Eine Globalgarantie für alle Ersparnisse bei Banken in der Schweiz, wie dies Deutschland beschlossen hat und weitere EU-Staaten anstreben, ist für die Schweiz vorläufig kein Thema. Die Obergrenze der geschützten Einlagen bleibt bei 30 000 Fr. Wichtig sei genug Liquidität.

«Was die Schweiz betrifft, brauchen wir nicht zu hyperventilieren», sagt SNB-Sprecher Werner Abegg. Die Behörden würden ihren jeweiligen Auftrag erfüllen. «Wir stellen viel Liquidität zur Verfügung, das ist unser Bereich, und darüber geben wir auch proaktiv Auskunft», sagt Abegg. Weniger reden, mehr handeln und dies offenlegen, laute die Devise der Notenbank.

Die Banken würden über genügend liquide Mittel verfügen, ist Abegg überzeugt. Ende letzter Woche hätten sich die Guthaben der Geschäftsbanken bei der SNB auf 9 Mrd Dollar belaufen, rund doppelt so viel wie üblich. Hinzu kommen Dollar-Auktionen in unterschiedlichem Rhythmus. «Damit lösen wir nicht alle Probleme der Kreditkrise», sagt Abegg. «Aber wir geben den Marktteilnehmern zu verstehen, dass sie nicht plötzlich auf dem Trockenen sitzen.» Das nehme die Unsicherheit aus dem Spiel, sagt der SNB-Sprecher.

Zugeknöpft gibt sich die Notenbank über ihre Aufgabe als «Lender of Last Resort». Der Markt wisse, dass die Nationalbanken der letzte Zufluchtsort für zahlungsunfähige Banken seien, mehr gebe es dazu nicht zu sagen. «Dazu kann man keine Szenarien entwickeln.»

Aufgeregter geben sich die Volksvertreter. Die St. Galler SP-Nationalrätin Hildegard Fässler versprach letzte Woche eine parlamentarische Taskforce, obwohl beide Räte je eine Finanz- und Wirtschaftskommission halten und die sechsköpfige gemeinsame Finanzdelegation rasch Notkredite beschliessen kann.

Der Thurgauer CVP-Ständerat und Präsident der Finanzkommission, Philipp Stähelin, bezeichnet die Taskforce als «Blödsinn». Die bestehenden Gremien genügten.

Kurt Schiltknecht, ehemals Direktoriumsmitglied der Nationalbank und heute Publizist und Wirtschaftsprofessor, kritisiert den Berner Aktivismus. «Es ist nur vernünftig, wenn die zuständigen Stellen die Sache nicht ständig zerreden. Das jetzt einsetzende Politikergeschwätz macht jedenfalls die Bürger und Anleger höchstens noch nervöser.» Möglicherweise würde man im Nachhinein einzelne Fehler der Verantwortlichen feststellen. «Insgesamt aber packen die Schweizer Behörden das Problem richtig an und manövrieren bis jetzt geschickt durch die Krise», glaubt Schiltknecht. Die hochdosierten Finanzspritzen der Notenbanken würden nicht wirkungslos verpuffen, ist der Partner des einstigen Börsenstars Martin Ebner überzeugt und vergleicht die Nationalbanken mit Feuerwehrbrigaden. «Wasser hat es unendlich viel – Geld drucken ist ja fast gratis.» Das Problem sei, dass die Regierungen den Bürgern und Anlegern verständlich machen müssten, dass «Banken mit kurzfristigen Liquiditätsproblemen nicht zwingend untergehen». Es sei ja gerade Sinn und Zweck der Nationalbank-Interventionen, dies zu verhindern.

EBK: Kommentare unnötig

Als zweite Schweizer Staatsstelle ist die Bankenkommission (EBK) gefordert. Die Aufsichtsstelle der Finanzindustrie stellt sicher, dass die untergeordneten Banken gesund sind. Meldet ein Institut eine Unterdeckung beim Eigenkapital, beschliesst die EBK Massnahmen.

Den Vorwurf, die Schweizer Behörden würden angesichts der Krise auf Tauchstation gehen, lässt ein EBK-Sprecher nicht gelten. «Wir sagen, was wir sagen können», betont Alain Bichsel. Die Ausstattung der Schweizer Banken mit eigenem Kapital sei gut, die Liquidität stabil. «Jede Verwerfung an der Börse brauchen wir nicht zu kommentieren», betont Bichsel.

Interview mit Ernst Leuenberger, Präsident der parlamentarischen Finanzdelegation

Ernst Leuenberger, Präsident der parlamentarischen Finanzdelegation, hält nichts vom wachsenden Polit-Alarmismus.

Das Volk macht sich Sorgen wegen der Finanzkrise. Warum beruhigen die Behörden nicht?

Ernst Leuenberger: Gefordert ist vor allem die Nationalbank, und die kann nicht einmal der Bundesrat beeinflussen. Zusätzliche Dispositive sind eine klassische Aufgabe der Exekutive. Das Parlament soll sich raushalten, ausser es gibt eine Vorlage à l Americaine.

Sie halten nichts von der geplanten Taskforce?

Leuenberger: Die beiden Präsidentinnen der parlamentarischen Wirtschaftskommissionen wurden durch einen gewissen Altwarenhändler namens Otto Ineichen aufgescheucht. Das wiederum machte den Präsidenten der Finanzkommission nervös, und nun fragt sich auch die Finanzdelegation, was zu geschehen hätte, wenn eine Schweizer Bank kollabieren würde. Nach heutigem Stand sehe ich keinen Handlungsbedarf.

Fühlen Sie sich gut infomiert?

Leuenberger: Der Bundesrat steht in intensivem Kontakt mit Parlamentariern, vor allem mit der Finanzdelegation. Die Regierung hat Beurteilungen vorgenommen und sich Massnahmen überlegt. Das genügt mir.

Macht die Nationalbank einen guten Job?

Leuenberger: Sie tut, was situativ angesagt ist.

Wo stehen wir in der Finanzkrise?

Leuenberger: Die Nachrichten aus Deutschland lassen einen zweifeln, ob nicht noch mehr auf den Tisch kommt. Dass diese Krise überhaupt möglich war, überrascht mich nicht. Als 68er weiss ich, zu was der Kapitalismus und seine Adlaten fähig sind.

Meinen Sie gierige Banker?

Leuenberger: So haben wir uns das vor 40 Jahren vorgestellt. Ein paar verantwortungslose Glücks- und Raubritter, von der Presse hochgejubelt, führten das System an den Abgrund.

Zählen Sie die UBS-Chefs dazu?

Leuenberger: Klar. Da versenken ein paar Leute fast so viel wie das Bundesbudget – das fasst mein Verstand nicht. Wenn einer beim Bund nur schon 10 000 Fr. verdonnert, kriegt er ein Verfahren.

Die Bankenaufsicht prüft Verfahren gegen UBS-Manager.

Leuenberger: Aufsichtsverfahren bringen nichts, das ist Kategorie Parkbusse. Kürzlich hörte ich Bankleuten beim Gespräch zu, wie sie sich lustig darüber machten, den Kunden Lehman-Produkte angedreht zu haben. Leute, die im äusserst delikaten Finanzgeschäft auf diese Art ihre Arbeit machen, sind verantwortungslos.

Erwarten Sie Strafverfahren?

Leuenberger: Nein. Wir haben die Swissair-Freisprüche erlebt. Auch jetzt wird nichts passieren.


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