«Gewinnernationen haben Familiensinn»

Die Schweizer Firma Logitech macht Milliarden mit Computermäusen. Ihr CEO Guerrino De Luca feiert Weihnachten in China – ­ arbeiten will er langfristig in Europa.

Signor De Luca, Sie sehen anders aus.

Anders? In welchem Sinn?

Sie tragen Krawatte.

Heute ist Generalversammlung, da trägt man das.

Auf den Fotos sieht man Sie und Ihre Geschäftsleitungskollegen immer ohne.

Es gibt auch Bilder mit. Aber gut, ein grosser Teil des Managements sitzt in Kalifornien, dort gehst du nicht mit Krawatte ins Büro.

Ist es auch ein Zeichen für eine andere Managementkultur?

Ich glaube nicht. Über die letzten 25 Jahre hat es sich bei uns einfach eingespielt, dass Krawattentragen nicht dazugehört.

Wenn sich ein Bankier aus Zürich, der genug hat vom Geldgeschäft, bei Ihnen bewirbt: Sollte er sich besser ohne Krawatte vorstellen?

Er soll einfach so sein, wie er ist. Jedes Mal, wenn du versuchst, jemand anders zu sein, merkt man das sehr rasch. Man kann niemanden überlisten, ausser sich selbst. Wir haben Bankleute aus Zürich angestellt, die am alten Ort immer Krawatte trugen. Schon am zweiten Tag bei uns fühlten sie sich erleichtert, weil sie das Ding endlich ausziehen konnten.

Welche Art von Leuten suchen Sie?

Solche, die bei einer grossen Kleinfirma arbeiten wollen.

Was ist das denn?

Eine Firma, die zwar immer grösser wird, aber den Geist ihrer Gründungszeit behält.

Schwierig. Alle Multis waren einst klein und leiden heute unter bürokratischem Ballast.

Wenn die Mitarbeiter spüren, dass sie etwas bewirken können, ist das eine kleine Firma. Dann gibt es niemanden, der sagt: Mir egal, ein anderer soll sich darum kümmern. Es gibt keinen anderen.

Logitech hat 7000 Leute, Sie wollen den Umsatz auf 3 Milliarden Dollar verdoppeln. Bald werden auch Sie zum bürokratischen Monster.

Wenn die Firma wächst, wird es für die Angestellten schwieriger, den Link zwischen ihrer Arbeit und dem Gesamtresultat zu sehen. Deshalb braucht es viel Kommunikation. Damit die Leute verstehen, was eine Strategie für ein einzelnes Team im Alltag bedeutet. Gleichzeitig muss jeder eine möglichst klare Gewinn/Verlust-Verantwortung behalten und daran gemessen werden.

Zuletzt profitiert das Topmanagement. Sie geben sich und Ihrem Führungsteam immer noch viele Optionen, obwohl das verpönt ist. Warum?

Das sehe ich anders. Viele Firmen betrachten Optionen als beste Art, die Interessen der Firma und jene der wichtigsten Manager gleichzuschalten. Wir haben vermutlich das stabilste Managementteam in der ganzen Branche. Das hat auch mit den Optionen zu tun, die die Manager Anfang 2000 erhielten, als der Aktienkurs tief war.

Bei Ihnen persönlich gelang das nicht, Sie zogen von Apple zu Logitech, nachdem der berühmte Gründer Steve Jobs an die Apple-Spitze zurückgekehrt war.

Geld spielte keine Rolle. Ich wollte eine kleinere Firma führen, statt bei einem Multi Chef einer Sparte zu sein. Mich reizte es, auf der ganzen Klaviatur ­ Entwicklung, Produktion, Finanzen, Verkauf, Marketing ­ zu spielen.

Sie flüchteten nicht vor Steve Jobs?

Er hatte mich ja zum Marketingchef von Apple gekürt. Steve macht einen tollen Job.

Weil er den iPod auf den Markt brachte?

Weil er ein aussergewöhnlicher CEO ist, wenn es um neue Produkte geht.

Haben Sie ein Vorbild? Oder ist das eine zu naive Vorstellung, dass CEOs andere Manager idealisieren?

Es gibt keine Idole, nur Respekt für die Leistung. Ich respektiere Steve Jobs für seine unglaubliche Fähigkeit, Innovationen zu lancieren und zu fühlen, was die Kunden wollen. Andere Topshots beherrschen anderes, und ich versuche, möglichst viel von unterschiedlichen Leuten zu lernen.

Was halten Sie von Microsoft-Gründer Gates?

Bill Gates ist der mit Abstand aussergewöhnlichste Geschäftsmann der Hightech-Industrie. Er war ein Niemand und wurde zum dominierenden Anbieter und reichsten Mann der Welt. Und trotzdem ist er immer noch jeden Tag im Geschäft, hat immer noch grosses Verständnis dafür, wie die Technologie das Geschäft beeinflusst, versteht sowohl Technik als auch Finanzen. Und er ist ein Kämpfer, einer, der nie nachlässt, nie aufgibt.

Sind Sie Konkurrenten?

Nein. Wenn Microsoft den PC nicht gross gemacht hätte, würde es Logitech nicht geben.

Führungsleute wie André Kudelski sagen, die Schweiz sei nicht mehr konkurrenzfähig, zu stark reguliert, die Steuern seien zu hoch.

Das gilt für alle Staaten, auch in den USA nimmt die Regulierungswut zu. Wir betrachten uns als Weltbürger und sind zufrieden mit unserem Standbein in der Schweiz. Die Lausanner Hochschule ist ja eine Art Mitbegründerin von Logitech, Ingenieure von dort kreierten die ersten Computermäuse. Heute schicken wir Schweizer nach Kalifornien oder China. Hier gibt es Ingenieurtalente und Finanzierungsmöglichkeiten, vor unserer Haustür liegt ein schöner See. Es hat sich nichts zum Schlechten entwickelt.

Es gibt eine Krise in Europa, die Wirtschaft stagniert, Italien ist in einer Rezession. Was ist los?

Ich habe immer an Wettbewerb geglaubt, und Europa schafft diesbezüglich den nächsten Schritt nicht. Der Staat bleibt zu wichtig, nicht wie in den USA. Das macht den Unterschied bezüglich Risikobereitschaft und Innovationen.

Verliert Europa für Logitech an Bedeutung?

Europa ist unsere erfolgreichste Region. Manchmal ist es naiv, die Makrosituation einer Region mit der Mikrosituation einer Firma gleichzusetzen. Als kleiner Fisch kann man selbst dann gut schwimmen, wenn die grosse Ökonomie rund um einen herum schlecht läuft.

Langfristig könnte die Krise in Europa auf alle Firmen durchschlagen.

Ich bin Europäer, und ich glaube, das Potenzial ist gross, viele smarte Leute stammen von hier. Also hoffe ich, dass sich die Märkte öffnen und die Kultur und die Umgebung freundlicher werden bezüglich Unternehmertum und Unternehmern.

Sie kennen China, verlagerten frühzeitig Ihre Produktion nach Schanghai, treffen die chinesischen Angestellten persönlich an Weihnachten. Was zeichnet die Menschen dort aus?

Es ist ein junges Land mit einem Volk, das den Willen hat zu gewinnen. Die Leute haben ein starkes Gefühl für ihre Familien. Dieser Familiensinn ist typisch für Gewinnernationen.

Ist das so?

Nehmen Sie die Juden, die Chinesen, die Iren. Wenn man für seine Familie arbeitet, hat man eine Motivation, die nicht zu schlagen ist. Geld zu verdienen, zu wachsen, aber nicht für die Regierung, nicht für den Staat und auch nicht für sich allein, sondern für seine Sippe ­ das gibt den Chinesen die Energie. Die Politik kann man kritisieren, die Umweltrisiken sind gross. Aber die Chinesen sind Menschen, die hart und schnell arbeiten und die sehr pragmatisch sind.

Werden Sie mehr Logitech-Aktivitäten nach China verschieben?

Unsere Fabriken sind schon dort. Aber für Forschung und Entwicklung investieren wir in Fernost nicht mehr als in der Schweiz. China hat zwar ein grosses Langfristpotenzial, aber nicht zwingend eines schon für morgen oder übermorgen.

Seit der 52-jährige Guerrino De Luca 1998 seinen Marketingchef-Job bei Apple gegen die CEO-Stelle bei Logitech getauscht hat, eilt die Herstellerin von Computermäusen von Erfolg zu Erfolg. 2004 erzielte sie bei 1,5 Milliarden Dollar Umsatz einen Rekordgewinn von 150 Millionen. In fünf Jahren werde es das Doppelte sein, verspricht ihr italienischer Chef. Logitech wurde 2005 zur Schweizer Marke mit dem besten Renommee gekürt.


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