Wegelins juristischer Schachzug stürzt bedrängte Banken in ein Dilemma

SonntagsZeitung, 12. Februar 2012

Kurz vor dem Gerichtstermin am vergangenen Freitag verschickte die New Yorker Staatsanwaltschaft die Anklageschrift gegen die Bank Wegelin. Die Adresse, an die der Fedex-Kurier lieferte: der Wegelin-Hauptsitz St. Gallen. Die Anstrengung war vergebens, Wegelin blieb dem Prozess fern. Die Klage sei nicht «ordnungsgemäss» zugestellt worden. Das liessen die Partner der Bank die USA wissen. Was nach juristischer Verzögerungstaktik aussieht, entpuppt sich im Steuerkrieg mit den USA als Kernfrage. Klagen die USA eine Bank ohne Präsenz in Amerika an, dann sind sie auf Schweizer Rechtshilfe angewiesen. Wird diese geleistet, erfolgt die Klagezustellung via Bern. Erst dann ist eine Anklage rechtlich bindend. Mit diesem Trick stürzt Wegelin Bern und die übrigen zehn von Amerika bedrängten Banken in ein Dilemma: Würden diese einer direkt zugestellten Klage Folge leisten? Oder sollten sich die Institute im Fall von weiteren Anklagen wie die St. Galler hinter dem Schweizer Gesetz verschanzen? Das bestehende schweizerisch-amerikanische Rechtshilfeabkommen bietet keine Basis für ein solches Vorgehen wie im Fall Wegelin, weil Steuerdelikte dort explizit ausgenommen sind. Eine Sprecherin des Bundesamtes für Justiz bestätigt, dass es für eine korrekte Zustellung einer Anklage Schweizer Rechtshilfe bedarf. Wie dies die US-Justizbehörden einschätzen, bleibt allerdings offen.


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