Stille Teilhaber

Das brasilianische Finanzhaus Bank J. Safra gilt als äusserst verschwiegen. Wie das zur Kultur der hinzugekauften Bank Sarasin passt, ist offen. Handelszeitung, 31. Mai 2012

Am Sitz der Bank Safra am Zürcher Paradeplatz herrscht gähnende Leere. „Dort habe ich noch nie einen Kunden hineingehen sehen“, frotzelt ein Vermögensverwalter, der seine Büros in der Nähe hat. Im Innern sieht es aus wie in einem Museum, überall blank polierte Granitböden, getäferte Wände mit Gemälden von Firmengründer Jacob Safra.

Knapp einen Kilometer westlich herrscht Betrieb. Im Sarasin-Handelsraum klingeln die Telefone und flimmern die Bildschirme. Die Basler Privatbank versuchte sich in den letzten Jahren als nachhaltiger Finanzplayer zu positionieren. Dazu zählen eine offensive Werbekampagne mit dem spriessenden Bäumchen im Logo und der Slogan „Bank Sarasin – Nachhaltiges Schweizer Private Banking seit 1841“.

Die betont offensiven Helvetier und die verschlossenen Brasilianer bilden ein ungleiches Paar. Im letzten November kaufte Safra die Bank Sarasin für eine Milliarde Franken. „Man kann nicht eine kotierte Schweizer Privatbank erwerben und dann meinen, es brauche null öffentliche Kommunikation“, meint der Insider.

Safra-Chef Joseph Safra weiss um die Kritik, allerdings kümmert er sich nicht darum. „Je weniger über die Bank in den Zeitungen steht, desto besser finden es die Safras“, sagt der Gesprächspartner, der nicht namentlich genannt werden will. So wie er die Familie Safra schildert, dürfte es sich dabei nicht um eine temporäre Stillhaltephase handeln, sondern um eine über Generationen entwickelte Familienphilosophie. Damit rückt die Frage ins Zentrum, wie gut die Sarasin-Bank mit ihrem distinguiert offensiven Gebaren zur anachronistisch anmutenden Schweigekultur ihrer neuen Muttergesellschaft passt.

Es könnte sein, dass die Basler eines Tages aufwachen und sich fragen, ob sie mit ihrem Verkauf an die Brasilianer nicht vom Regen in die Traufe geraten sind. Denn schon bei der früheren Sarasin-Besitzerin, der holländischen Genossenschaftsbank Rabo, scheiterte eine fruchtbare Zusammenarbeit vor allem an der Unverträglichkeit der Kulturen. Dort war es nicht Verschlossenheit versus Gesprächsfreudigkeit, die das unüberbrückbare Gegensatzpaar bildeten. Vielmehr waren es die unterschiedliche Herkunft und der fehlende strategische Fit.

Die Rabo als genossenschaftliche Grossbank wollte ihr makelloses Rating im Kapitalmarkt unter keinen Umständen von einer Schweizer Bank mit potenziell riskanter Steuervergangenheit gefährdet sehen. Also suchten die Rabo-Chefs nach einem Abnehmer für ihr knapp 50 Prozent grosses Sarasin-Aktienpaket. Dieses landete nicht bei der Zürcher Privatbank Julius Bär, sondern bei der Bank J. Safra mit Sitz in São Paulo (siehe Kasten).

Seither lassen die potenten Käufer ihre Schweizer Banker schalten und walten, als wäre nichts passiert. „An der Sarasin-Front ist nichts vom neuen Besitzer zu spüren“, sagt ein Zürcher Personalvermittler, der mit Sarasin zusammenarbeitet. Ausser dass Safra den zuvor geltenden Stellenstopp aufgehoben habe und nun wieder Wachstum als Losung gelte. Vor allem in Osteuropa wolle die Privatbank zulegen, so der Insider, nachdem sie zuvor durch forsches, aber unrentables Asset-Wachstum in Asien aufgefallen war.

In Zürcher Bankenkreisen macht das Szenario die Runde, dass sich Safra vom Deal zurückziehen könnte. Damit sich dieser Eindruck nicht verfestigt, gehen die Basler in die Gegenoffensive. Die Zeitung „Der Sonntag“ berichtete von einem internen Mail ans Sarasin-Personal. Unter „Safra-Transaktion auf Kurs“ signalisierte das Memo, dass der Deal wie geplant über die Bühne gehen würde. Es lägen „erste Bewilligungen“ von den zuständigen Aufsichtsbehörden vor. Tatsächlich hat die Wettbewerbskommission frühzeitig ihren Segen erteilt. Offen ist der Entscheid der Übernahmekommission und der Bankenaufsicht Finma. Von ernsthaften Vorbehalten ist nichts zu hören.

Die Übernahme läuft nach Plan

Benedikt Gratzl, Kommunikationsverantwortlicher der Bank Sarasin, präzisiert: „Die Projektarbeiten im Hinblick auf den Abschluss des Verkaufs der Mehrheitsbeteiligung an der Bank Sarasin durch die Rabobank an Safra gehen nach den uns vorliegenden Informationen weiterhin planmässig voran. Wir gehen entsprechend unverändert davon aus, dass die Transaktion voraussichtlich Mitte 2012 abgeschlossen werden kann.“

Dies scheint auch das wahrscheinlichste Szenario. Ob das Paar glücklich wird, muss sich weisen. Bei der holländischen Rabobank kamen erste Zweifel erst nach ein paar Jahren. Vielleicht spielt Harmonie im Hause Safra gar nicht die entscheidende Rolle. Sollte nämlich Patron Joseph seine neue Basler Tochter aus dem gleichen Grund halten wie seine vielen Liegenschaften an bester Lage, dann wäre absehbar, dass er den Sarasin-Managern nicht ins operative Geschäft hineinfunken würde – zumindest nicht, so lange die Zahlen einigermassen stimmen. Den prächtigen Geschäftssitz am Paradeplatz scheint Safra jedenfalls nicht aus reinem Renditedenken erworben zu haben, sondern um Nachbarin HSBC eins auszuwischen. Diese erwarb Ende der 1990er-Jahre die Republic National Bank von Josephs Bruder Edmond, zu der die wertvolle Immobilie gehörte. Nur rund ein Jahr später, nachdem Edmond als Folge eines Brandes in seinem Monaco-Penthouse erstickt war, fügte der um sieben Jahre jüngere Joseph einen eigenen Prachtbau an der berühmten Finanzadresse dem Familienbesitz hinzu.

Ins Bild passen würde, dass Sarasin-Chef Joachim Strähle offenbar weitermachen kann, obwohl er letzten Sommer den US-Steuerbehörden während einer Reise nach Übersee ins Netz gegangen war. Auch diesbezüglich gilt bei den Safras die Devise: Schweigen und aussitzen.

Sollte Patron Joseph seine neue Basler Tochter wie seine Häuser führen, dann funkt er den Managern nicht rein.

Abwehr gegen Julius Bär

Mit dem Kauf der Basler Sarasin letzten Herbst wurde Safra auch im Schweizer Private Banking zu einem Faktor. Zum Handkuss kam Safra, weil das Sarasin-Management unter Chef Joachim Strähle unter keinen Umständen unter die Haube von Julius Bär wollte. Die Zürcher hätten Sarasin vollständig integriert. Dies hätte zu einem grossen Jobabbau in Basel geführt. Anderseits wäre eine Privatbank mit rund 250 Milliarden verwalteten Vermögen entstanden.


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