Glückloser Imperator

An der Börse wendet man sich zunehmend vom Spezialchemieunternehmen Dottikon ab. Der reduzierte Verlust kann die Führungsschwächen von Patron Markus Blocher nicht überdecken. Handelszeitung, 31. Mai 2012

Unter Markus Blocher gilt ein verkleinerter Verlust bereits als grosser Erfolg. Statt mit 7,1 Millionen wie im Vorjahr steckt Dottikon nur noch mit 800000 Franken in den roten Zahlen. Für 2012 rechnet Blocher junior mit einer „Rückkehr in die Gewinnzone“. Und so schüttet der Sohn des bekannten Polit-Milliardärs auch wieder eine Dividende aus. Davon profitiert vor allem Markus Blocher selber, der das Unternehmen zu 68 Prozent kontrolliert.

Doch die Lage des Aargauer Spezialitätenchemieunternehmens ist alles andere als rosig. „Dottikon machte unter der Führung des Seniors bis zu 30 Millionen Reingewinn“, sagt ein langjähriger Kenner des Unternehmens. Solche Zahlen seien in weite Ferne gerückt, vom nachhaltigen Turnaround sei man weit entfernt. Die Schuld liege unter anderem bei Blocher junior. Er solle sich als kleiner Imperator gebärden und gestandene Leute vergraulen. Zudem überzeuge seine Hochpreisstrategie nicht. „Der Alte hätte keine Billigaufträge zur Grundauslastung verschmäht.“

Dottikon ging im Jahr 2003 nach der Wahl von Christoph Blocher in den Bundesrat als Teil der Ems-Gruppe an die Geschwister Magdalena und Markus. Weil der Bruder als zweite Geige nicht glücklich wurde, wurde Dottikon 2005 unter seiner Führung abgespaltet. Die Alleinherrschaft des 41-Jährigen tat der Firma bisher nicht gut. Der Umsatz halbierte sich beinahe auf noch rund 80 Millionen Franken, die einst stolze Rendite löste sich in Luft auf. Dottikon wurde zum Sanierungsfall, mit scharfer Kostenreduktion inklusive Kurzarbeit, einer strategischen Kehrtwende mit neuem Fokus auf Premiumprodukte und einem Führungsstil mit Drill.

Heikle Kehrtwende

Die Probleme sind freilich nicht nur Blochers Schuld. Die Pharmakonzerne laufen mit neuen Medikamenten bei den Gesundheitsbehörden auf, was bei Zulieferer Dottikon auf die Auftragslage drückt. Umso schmerzhafter fehlen nun die 08/15-Projekte für Generika-Hersteller, auf die Blocher mit seiner Dottikon seit einiger Zeit bewusst verzichtet. Lieber nichts als Massenware, lautet sein Credo.

Ob er damit in nächster Zukunft auf einen grünen Zweig kommt, ist offen. In seiner Berichterstattung zum schwierigen Jahr 2011 prophezeit der Doktor der Chemiewissenschaften eine baldige Wiedergeburt von Qualitätsprodukten. Die Auslagerung ins Ausland habe zu Qualitätseinbussen und Lieferengpässen geführt, mit „verheerender Gesundheitsschädigung, aber auch Tod von Patienten“, schrieb Blocher kürzlich martialisch in einer Mitteilung. „Unter diesen Umständen steigt das Bewusstsein der Wichtigkeit und des Wertes zuverlässiger sowie sicherer Lieferketten.“ Sprich Dottikon.

Doch eine Vision entwickeln, das Unternehmen darauf ausrichten, das Kader hinter sich scharen und die Mannschaft tagtäglich motivieren – das ist kein leichtes Unterfangen. Statt auf dem Weg nach oben aus den eigenen Fehlern zu lernen, legte sich Markus Blocher in ein gemachtes Bett. Solange es gut lief, war das kein Problem. Doch in der Krise wurde es für den Junior immer schwieriger. Der übermächtige Vater, der Dottikon zu stolzer Grösse brachte, mag im Hintergrund als Coach helfen. Zuletzt ist der Sohn aber auf sein eigenes Bauchgefühl angewiesen.

Das soll ihn offenbar immer wieder täuschen. Blocher schare Ja-Sager um sich, während Kaderleute von Bord oder in die innere Emigration flüchteten, erklären Kenner. Tatsächlich fällt auf, dass zahlreiche Dottikon-Manager das Feld räumten, seit Blocher das Steuer übernahm. Es handelt sich teils um gestandene Dottikon-Angestellte, teils um neue Leute, die nach kurzer Zeit den Bettel hinschmissen.

Setzen auf Vertraute

Nachgerückt sind oft Vertraute. Besonders umstritten sei die Finanzchefin, meint ein Dottikon-Kenner. Diese habe zuerst eine interne Widersacherin in die Flucht geschlagen, bevor sie ihren direkten Vorgesetzten beerbte, der beim Patron in Ungnade gefallen ist. Ein angeblicher „Kontrollwahn“ der Kaderfrau soll inzwischen Abgänge in der Finanzabteilung provoziert haben. Damit habe sich die Managerin bei Blocher praktisch unersetzlich gemacht. Auf die Fragen der „Handelszeitung“ nahm das Unternehmen keine Stellung.

Derweil scheint Dottikon für Investoren kein Thema mehr zu sein. Als letzte hat die Bank Vontobel die Abdeckung des Titels eingestellt. Es wird damit gerechnet, dass Blocher, der vor zwei Jahren die Zweidrittels-Schwelle bei Dottikon überschritten hatte, irgendwann ein Going Private plant. Dann wird Dottikon definitiv zur Privatsache des Jung-Patrons aus vermögendem Haus.

Schrumpfkur statt Aufbruch

Christoph Blocher und Dottikon stehen für eine lange, erfolgreiche Industriegeschichte. Die einstige Pulverfabrik im gleichnamigen kleinen Aargauer Ort hat sich unter den Fittichen des legendären Unternehmers zu einer Perle entwickelt. Frühere Angestellte bringt sie bis heute ins Schwärmen.

Umso grösser ist die Enttäuschung über die Entwicklung unter Blochers Sohn Markus. Zu hausgemachten Problemen gesellten sich Konjunktursorgen. Beides führte zu einer gefährlichen Spirale nach unten. Statt Aufbruch zu neuen Ufern ist in Dottikon Abbau angesagt. Entsprechend steht Markus Blocher auf die Bremse. Er fuhr die Investitionen 2011 von 30 auf 5 Millionen Franken zurück.


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