Im Visier Washingtons

Die Privatbank Julius Bär droht in den Steuerkrieg mit den USA zu geraten. Sie verwaltete grosse US-Vermögen und zögerte, diese offenzulegen. Handelszeitung, 21. Juli 2011

Die amerikanische Staatsanwaltschaft ist ein Gegner, wie man ihn sich nicht wünscht. Das wissen Schweizer Banker. Das United States Attorney ’s Office brachte die UBS an den Rand des Abgrunds, die Credit Suisse belagert es seit kurzem mit einem Verfahren. Zittern vor den Amerikanern muss jetzt auch ein Institut, dass sich bisher geschickt im Windschatten der Grossen hielt: Julius Bär. Die Bank steht nun als drittes wichtiges Schweizer Finanzhaus auf einer Fahndungsliste Washingtons. Auch Julius Bär wird verdächtigt, amerikanischen Kunden jahrelang beim Steuerhinterziehen geholfen zu haben. Noch ist offen, ob die USA gegen Bär vorgehen werden. Einiges deutet aber darauf hin, dass Bär in einem solchen Szenario einiges zu befürchten hat, wie Recherchen zeigen. Denn wie andere Banken soll das Zürcher Bankhaus auch 2008 noch US-Kunden der UBS mit unversteuerten Geldern in der Schweiz aufgenommen haben, obwohl der Fall der Grossbank bereits Schlagzeilen auslöste.

Karibische Konstrukte

Dass die betroffenen Kunden rasch weg wollten von der UBS, die mit den US-Behörden kooperierte, ist logisch. Mit Vermittlungsgebühren lockten diese Banken offenbar externe Kundenberater mit US-Offshore-Kunden zu sich. Laut einem Zürcher Banker hätten Bär und die ZKB 50 und mehr Basispunkte geboten, mehr als etwa die St. Galler Privatbank Wegelin.

Aber wie von den flüchtigen US-Kunden der UBS profitieren, ohne selbst ins Visier der USA zu geraten? Die Antwort auf diese knifflige Frage liefert das Dokument „D-1046-00“ mit dem schlichten Titel „US Clients Policy“ .Am 11. Juli 2008, nur sechs Tage bevor ein UBS-Manager vor einem US-Senatsausschuss den Abschied seiner Bank aus dem Geschäft mit unversteuerten Amerikanern bekanntgab, regelte Bär im Detail das Geschäft mit US-Kunden, die Schutz vor ihrer eigenen Steuerbehörde suchten. Die Bär-Vorschriften entsprachen der damaligen Schweizer Praxis. Kunden-alte und neue-durften faktisch nur beraten werden, wenn sie physisch nicht in den USA waren. „Idealerweise gibt der Kunde Julius Bär eine Kontaktperson bekannt, die nicht in den USA lebt“, steht im Dokument, das der „Handelszeitung“ vorliegt.

Interessant ist dabei, ab wann ein Amerikaner als „US-Person“ gilt. Hier nutzten die Banker eine Lücke. Bei Stiftungen und Anstalten zähle nicht nur der offizielle Kontoinhaber, „sondern auch der ökonomisch Begünstigte“ ,steht im Papier. Bei Firmenstrukturen in der Karibik und anderswo könne hingegen der Entscheid auf der Basis des Firmendomizils erfolgen. Das erinnert an das Vorgehen vieler Banken im Zusammenhang mit dem „Qualified-Intermediary“-Abkommen mit den USA. Es verbot US-Wertschriften für Amerikaner mit nicht deklarierten Konten im Ausland. Die Vorschrift konnte jedoch umgangen werden, indem den Stiftungen und Anstalten eine Firma unterlegt wurde-Schweizer Banken nutzten die Lücke und unterlegten bestehende Strukturen mit Firmen auf den British Virgin Islands oder in Panama.

Noch im August 2008 schrieb ein Vermögensverwalter in einem Mail, dass Bär ausgewählten Beratern erlaube, „intransparente US-Kunden“ zur Bank zu bringen, sofern die Strukturen vor 2001 aufgestellt worden seien oder keine US-Investments seit Anfang 2002 getätigt worden seien. Laut einem früheren Bär-Manager sei die US-Kundschaft mit nicht deklarierten Vermögen „sehr wichtig“ gewesen. Eine andere Quelle berichtet, die Bank habe nach UBS und CS am meisten US-Offshore-Vermögen verwaltet. Die Rede ist von über 5 Milliarden Dollar.

Überstürzter Exit

Bär betont, sich korrekt verhalten zu haben. „Wir haben uns über die letzten Jahre schrittweise aus dem grenzüberschreitenden Geschäft mit US-Kunden zurückgezogen“ ,sagt ein Sprecher von Bär. „Wir konzentrieren uns nur noch auf Amerikaner, die nicht in den USA leben, sowie US-Kunden von externen Vermögensverwaltern, sofern sie vollständig dokumentiert sind.“ Diese müssten zwingend über eine Lizenz der US-Aufsicht verfügen.

Obwohl die UBS Anfang 2009 ihre Schuld eingestand, US-Kunden auslieferte und die Schweiz den USA im Sommer 2009 Tausende Steuersünder offenlegen wollte, forderte die Bank US-Kunden erst am 4. September 2009 auf, bis Ende Monat zu belegen, dass ihre Gelder in der Schweiz korrekt versteuert seien. Sonst würde ihnen gekündigt. Dass der Exit überstürzt erfolgte, zeigen die knappen Fristen. Den Kunden teilte Bär mit, dass sie sich bis zum 23. September in den USA anzeigen könnten. Zur Erstellung der dazu nötigen Kontoauszüge brauchte Bär aber „mindestens zehn Geschäftstage“ .Für die Betroffenen hätte die Zeit also kaum gereicht, hätten die USA die Frist des Offenlegungsprogramms nicht verlängert.


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