Steuer-Deal ohne Parlament

Ein Gutachten im CS-Auftrag zeigt, wie sich die Schweiz schnell mit den USA einigen kann. SonntagsZeitung, 10. Juli 2011

Romeo Cerutti, oberster Jurist der Credit Suisse (CS) und Mitglied der Konzernleitung beim Finanzmulti, steuert die Schweiz Richtung raschen Steuerdeal mit den USA. Das zeigt ein «Memorandum », das Cerutti beim renommierten Steueranwalt Urs Behnisch bestellt hat.

Die Schweiz könne weitere US-Kunden offenlegen, ohne hiesiges Gesetz zu verletzen, kam der Basler Professor und Partner der Zürcher Kanzlei Meyer Lustenberger am 13. Mai zum Schluss. Daraus folgt, dass kein zweiter Parlamentsbeschluss à la UBS-Vertrag nötig würde, um mit den US-Behörden den angestrebten Deal abzuschliessen. Die Legislative hätte vermutlich nicht mitgespielt.

Im Memo, das die SonntagsZeitung auszugsweise kennt, betont der Steuerrechtler, dass das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) von 1996 massgebend sei. Wenn sich US-Kunden hinter Strukturen versteckt hätten und so «Abgabebetrug» vorliege, könne Amtshilfe gewährt werden. «Für eine Anzahl von Fällen würde die Schweiz gestützt auf ein Amtshilfegesuch der USA für Betrugsdelikte und dergleichen (…) Amtshilfe leisten», schreibt Behnisch.

«Fishing Expeditions» seien Kapitulation gegenüber USA

Darauf angesprochen, reagiert er überrascht, bestätigt aber: «Ich habe analysiert, was nach Abkommen und Gerichtsentscheiden gilt und was das für eine nächste Offenlegung bedeutet.» Störend sei, dass die USA ohne Kenntnis konkreter Namen so wie bei der UBS erneut Auskunft erhielten. «‹Fishing Expeditions› sind das wahre Problem. Aber das haben wir uns selbst eingehandelt. » Ein Gericht hatte im März 2009 einen entsprechenden Pilotentscheid gefällt.

Die CS wollte keine Stellung nehmen zum bestellten Gutachten. Auch zur Rolle ihres Chefjuristen Cerutti wollte sich ein Sprecher nicht äussern. Ein CS-Insider bestätigt, dass die Bank dank ihren US-Ressourcen den Lead auf Schweizer Bankenseite hat.

Ein Zürcher Banker, der über die Verhandlungen mit den USA im Bild ist, empfindet die in seinen Augen absehbare «Fishing Expedition» als Kapitulation. Bern würde erneut zulasten langjähriger US-Kunden Recht zurechtbiegen, nur damit die Banken Ruhe vor den USA hätten.

Laut dieser Quelle ermitteln die USA gegen insgesamt zehn Schweizer Banken, die US-Kunden mit nicht deklarierten OffshoreVermögen Vermögen betreut hätten. Neben der CS seien dies: Julius Bär, Bank Wegelin, Basler Kantonalbank, Neue Zürcher Bank, HSBC (Schweiz), Bank Leumi (Schweiz), Hapoalim (Schweiz) und zwei weitere, namentlich nicht bekannte Auslandbanken.

Julius Bär und Wegelin sagten auf Anfrage, sie würden heute keine US-Kunden mehr betreuen. Ein Bär-Insider behauptet hingegen, die Privatbank verwalte nach wie vor grosse US-Vermögen.

Die ZKB als führendes Staatsinstitut könnte ebenfalls ins USVisier geraten. Das brächte die Gefahr einer Staatshaftung mit sich. Laut einem Zürcher Anwalt bedrängen die USA reuige USKunden. «Was besprachen Sie mit ihrem ZKB-Banker rund um die UBS-Situation?», laute eine Frage an kollaborierende amerikanische ZKB-Kunden, die sich ins «Voluntary Disclosure Program» begeben haben.

Die USA könnten der ZKB nachweisen wollen, von der UBS abgesprungene US-Kunden akquiriert zu haben. Laut einem ZKBSprecher gebe es «null Hinweise» auf Ermittlungen gegen die Bank.

Die CS hat «volles Vertrauen» in Unterhändler Ambühl

Ob die CS ihr Ziel eines raschen Deals mit den USA erreicht, ist offen. Staatssekretär Michael Ambühl vom Finanzdepartement hat den USA offenbar bereits Kundennamen und Bussen offeriert. Die Schweiz biete den USA an, Offenlegungspflichten «vereinfacht » umzusetzen und «die Vergangenheit » zu regeln, bestätigt ein Sprecher von Ambühl: «Es versteht sich, dass mit dieser Regularisierung ein Schlussstrich unter alles Vergangene zu ziehen wäre.» Global Deal oder kein Deal, lautet offenbar Ambühls Verhandlungsstrategie.

Laut einem CS-Insider habe die Grossbank «volles Vertrauen» in den Unterhändler. Doch die USA stellen sich quer, wie Reuters kürzlich mit Bezug auf US-Justizkreise bekannt machte. «Denken Sie etwa, wir würden einen wasserdichten Straffall fallen lassen?», wurde ein namentlich nicht genannter US-Beamter von der Agentur zitiert. Die USA könnten mit solchen Aussagen versuchen, GlobalBussen Bussen und Kunden-Offenlegungen in die Höhe zu treiben.

Diese zehn Schweizer Banken sind ins Visier der amerikanischen Behörden geraten.

Credit Suisse
Julius Bär
Bank Wegelin
Neue Zürcher Bank
Basler Kantonalbank
HSBC (Schweiz)
Bank Leumi (Schweiz)
Bank Hapoalim (Schweiz)
Schweiz-Töchter von zwei weiteren Auslandbanken

Quellen: Involvierte schweizerische und amerikanische Anwälte


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