Eiserner Besen statt Florett

CEO Jaquet verordnet Clariden Leu Sparprogramm – Senior Banker entlassen. SonntagsZeitung, 15. Mai 2011

Olivier Jaquet ist kein Zauderer. Seit 70 Tagen ist der 41-jährige Frontmann bei der Zürcher Traditionsbank Clariden Leu (CL), und schon sticht der einstige Spitzenfechter zu. Jaquet hat von CL-Mutter Credit Suisse den Auftrag gefasst, das dümpelnde Institut aus fünf Ex-CS-Töchtern auf Vordermann zu bringen.

Wie die SonntagsZeitung aus internen Quellen erfahren hat, appellierte Jaquet am Freitagabend ans Personal, «selbst bei Kleinigkeiten» kostenbewusst zu agieren. Das mache die Bank fit für eine Erfolg versprechende Zukunft. Ein Ausbildungsprogramm für Hochschulabsolventen sowie eine Mitarbeiterbefragung wurden bereits gestrichen. Das stösst CL-Kadern sauer auf. Sie verweisen auf 1.-Klass-Flüge von Jaquet und dessen Fitnessstudio, das sich der CEO eingerichtet haben soll. Es handle sich um zwei Fitnessgeräte im alten Sanitätszimmer, sagt CL-Sprecherin Tanja Kocher, zudem verzichte Jaquet bewusst auf ihm zustehende 1.-Klass-Flüge.

Bestätigen kann Kocher ein lanciertes «Fitnessprogramm» namens «.win». «Wir wollen Wachstum und effizienten Ressourceneinsatz, um Clariden Leu erfolgreich in die Zukunft zu führen. Natürlich sind wir auch kostenseitig gefordert. Das gehört zur unternehmerischen Verantwortung.» Ein konkreter Stellenabbau sei nicht vorgesehen.

Die Führungscrew des Mitte März abgetretenen Hans Nützi, der als Kundenberater für die CL aktiv bleibt, müsse um ihren Verbleib fürchten, zeigen sich diverse Gesprächspartner überzeugt.

Die Filiale in Genf ist ein eigenes Königreich

Darauf deutet ein Spruch von Jaquet hin, der CL-intern die Runde macht. Laut übereinstimmenden Aussagen soll der CEO gesagt haben: «Die Toten werden erst nach der Schlacht gezählt.» Viele vermuten ein Köpferollen, und zwar ganz oben.

Die neue Gangart bekam einer der rund 20 Senior Private Banker der CL zu spüren. G. V.*, ein Bulgare, der seit 2003 für die CS-Tochter von Genf aus tätig war und dessen Kundenbasis mit hohen Chargen des ehemaligen Ostblocks intern zu reden gab, ging vor Wochenfrist von Bord. Die Trennung wurde innerhalb der Bank nur einem kleinen Kreis mitgeteilt. Das wirft Wellen, weil G. V. zu den sogenannten «Untouchables» der CL gehörte. Besonders der Genfer Ableger sei ein eigenes Königreich, sagt ein Ex-CL-Manager. Das dortige halbe Dutzend Senior-Kundenberater habe bisher selbst bestimmt, wer aus der Zürcher Zentrale an der wöchentlichen Sitzung genehm sei. Jeder dieser «Seniors» habe mindestens 500 Millionen Franken Kundenvermögen verwaltet.

Der Bulgare G. V. führte einen eigenen Fonds und soll laut einer Quelle die investierten Vermögen mit Buchhaltungs- und Finanzkosmetik gepusht haben. So habe V. nicht nur die bei der CL verbuchten Kundenanlagen ausgewiesen, sondern auch die Investments des Fonds, was zu einer Verdoppelung der verwalteten Vermögen geführt habe. Mit Krediten auf hinterlegten Wertpapieren habe er das Fondsvermögen zusätzlich hochgetrieben.

Die Gründe für die überraschende Trennung liegen im Dunkeln. CEO Jaquet verpasse damit die Chance, mit G. V. ein Exempel zu statuieren, sagt eine Quelle. Derzeit schiessen Gerüchte ins Kraut, wonach G. V. gewissen «Ostblock»-Kunden, die mit der Performance des Fonds unzufrieden gewesen seien, den Exit verwehrt habe, worauf diese der CL Anwälte auf den Hals gehetzt hätten.

Schon einmal erregte eine «Ostblock»-Senior-Beraterin Aufsehen bei der CL. E. K.*, ebenfalls aus Bulgarien, mit einem Russen verheiratet, wurde von CL-Managern früh als Sicherheitsrisiko bezeichnet. Erst nach langem Zaudern soll sich CEO Nützi vor Jahresfrist von ihr getrennt haben.

CL-Sprecherin Tanja Kocher lehnte eine Stellungnahme zu Abgängen von Einzelpersonen ab.

Die neue Gangart könnte ein Zeichen dafür sein, dass CL-Mutter Credit Suisse die weitgehend unkontrollierten Senior-Berater als Risiko einschätzen könnte. Dass Jaquet hier eingreift, deute darauf hin, dass er die CL für einen Verkauf schmücken wolle, vermutet ein Ex-CL-Manager. «Das ist keine Option», entgegnet Sprecherin Kocher. «Wir wollen unternehmerischen Mehrwert – auch für die CS-Gruppe.»


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