Eins plus eins = Stagnation

Bank Zweiplus, die Sarasin-Tochter für den kleinen Mann, schrumpft. Das Problem der Bank ist ihr unklares Profil. Handelszeitung, 26. Mai 2011

Die Chefs stehen auf dem Dach, über ihnen strahlend blauer Himmel, im Hintergrund das Grossmünster und der Zürichberg – eine Postkartenkulisse. Links lächelt Sarasin-Chef Joachim Strähle als Präsident, rechts Alfred Moeckli als Firmenchef. Die Lenker der Bank Zweiplus präsentieren sich im Geschäftsbericht mit den Händen in den Hosentaschen.

Doch so zufrieden, wie sich die Chefs öffentlich geben, sind sie kaum. Denn in den Firmenbüchern sieht die Lage deutlich schlechter aus. Die Kundenvermögen, die beim Start 2008 noch 8 Milliarden Franken betrugen, sanken bis Ende 2010 auf 5,7 Milliarden. Die Erträge fielen in dem Jahr, in dem sich die meisten Banken von der Krise erholten und wieder zulegten, um 4 Prozent; der Betriebsgewinn stagnierte.

Dabei war der Coup scheinbar clever angedacht. Mehrheitsbesitzerin Sarasin, die Basler Privatbank mit langer Tradition, tat sich mit der arabischen Minderheitspartnerin Falcon Private Bank zusammen, der früheren AIG Schweiz. Mit Zweiplus wollten sie die Bank für den kleinen Mann schaffen. Nicht Millionäre, sondern Angestellte, Miniunternehmer und Sparer wurden ins Visier genommen. Sie sollten ihr Erspartes dank unabhängiger Zweiplus-Beratung wahren und mehren.

Wie Harlem und Wall Street

Das Bild im Geschäftsbericht zeigt exemplarisch, woran Zweiplus krankt: Anspruch und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander. Die Zweiplus-Büros sind von der Zürcher City so weit entfernt wie das Harlem von Wall Street. Die Bank logiert mitnichten im Zentrum der Schweizer Finanzmetropole, wie das Foto weismachen will, sondern hinter den Geleisen des Vorortsbahnhofs Zürich-Altstetten, gleich neben der kantonalen Steuerverwaltung und mitten in der früheren Industriezone, wo heute viele Banken ihre Backoffices hochziehen.

Bei Medienanfragen verhält sich Zweiplus ebensowenig wie eine unbürokratische Jungfirma. Die Verantwortlichen legen jedes Wort auf die Goldwaage, ziehen externe PR-Berater bei und beantworten bloss schriftlich eingereichte Fragen.

Das passt zum Kernproblem des Schweiz-arabischen Joint Venture. Es liegt im Sowohl-als-auch-Setup: Günstig dank der Informatiklösung von Sarasin, E-Banking und Billigbüros in der Zürcher Agglomeration, gleichzeitig teuer wegen der persönlichen Beratung – das ist weder Fisch noch Vogel, weder Gourmet noch Discount. Und das ist unattraktiv.

Die Zwitterstruktur weckt Zweifel am ursprünglichen Plan der Mutterhäuser. Die Basler Sarasin und die Zürcher AIG Privatbank hatten Mitte 2007 angekündigt, ihre Retail-Kundschaft mit weniger als 500 000 Franken Vermögen in eine neugegründete Tochter auszulagern. Zweiplus sollte dadurch mit mehr als 235 000 Kunden und stolzen 8 Milliarden an den Start gehen können.

Treiber der Transaktion dürfte weniger die Lust auf Neues gewesen sein als vielmehr der Fokus auf das Alte. Sowohl Sarasin als auch die AIG Privatbank wollten sich von ihren Kleinkunden trennen, die nicht zum gewünschten Image als Qualitäts-Institut mit reicher Kernkundschaft passten. Kommt hinzu, dass Kleinkunden mit wenig Vermögen für alle Privatbanken defizitär sind. Die hohen Kosten für die Luxusbetreuung rechnen sich erst ab einer bestimmten Höhe.

Riskant am Vorgehen der beiden Mütter war die Zwangsrelegation von Kunden. Die wenigsten mögen es, wenn sie als unbedeutend eingestuft werden. «Kein Kunde will als zweitklassig gelten, sondern günstige Services und Beratung im Stil einer Privatbank erhalten», kritisiert Maurice Pedergnana, Professor am Bankeninstitut der Hochschule Luzern, diese Kunden-Zwangsverschiebung.

Zudem läuft man bei einer Zwangsabschiebung als Bank immer Gefahr, dass das wahre Potenzial einzelner Kunden unterschätzt wird – sei es, weil sie weitere Vermögen bei Konkurrenzbanken halten oder weil sie sich finanziell auf dem aufsteigenden Ast befinden. Das wiegt besonders schwer.

Kommt hinzu, dass sich mit dem Abschieben zu Zweiplus für Zehntausende von Kunden eine wahre Odyssee fortsetzte. Sie hatten einst bei der Zurich Invest Bank, einer Tochter des gleichnamigen Versicherungskonzerns, ein Fondskonto eröffnet. 2003 übernahm die Schweizer AIG diese Kunden, die 2009 im Zuge der Finanzkrise bei der arabischen Falcon landeten und danach schon wieder das Schiff wechseln mussten.

Das sind keine guten Voraussetzungen für eine neue Bank, die sich das Vertrauen der Öffentlichkeit erst erkämpfen muss. Dabei wäre der Fokus von Zweiplus nicht schlecht. Finanzexperte Pedergnana billigt der anvisierten Kundschaft «viel Potenzial» zu. Dieses nutze Zweiplus aber viel zu wenig, fährt er fort. «Es fehlen Gesicht und Profilierung.»

Die Kritik am Institut will Bankchef Moeckli nicht gelten lassen. «Als junge, erst Mitte 2008 gegründete Bank haben wir gerade zwei volle Geschäftsjahre abgeschlossen – beide mit einem Gewinn», sagt Firmenchef Moeckli. Das beweise, dass Zweiplus «sogar sehr schnell gut auf Touren gekommen» sei. Denn: «Zwei Geschäftsjahre: Das ist im Bankengesamtkontext noch kein Zeithorizont.»

Hintertüre Börsengang

Inzwischen ist Zweiplus im Markt jedoch nicht mehr alleine. Die Sankt Galler Bank Wegelin gründete 2010 die Tochter Nettobank, die sich als günstiger, internetbasierter Dienstleister profiliert. Laut Chef Stefan Jaeger wurde bewusst auf eine erzwungene Relegation von Kunden ins neue Gebilde verzichtet. «Die Kunden von Wegelin sollen selbst entscheiden, ob sie bei Wegelin oder bei der Nettobank sein möchten», sagt er. «Einen Wechselzwang, das kennt man bei uns nicht.»

Jaeger, Sohn des bekannten Sankt Galler Wirtschaftsprofessors und langjährigen LdU-Nationalrats Franz Jaeger, weiss um die Schwierigkeiten. «Alle Neugründungen im Banking haben derzeit schwer», nimmt er die Konkurrentin in Schutz. «Die Kunden bleiben, wo sie sind, und horten Bargeld. Geduld ist gefragt – das gilt für uns und alle Mitstreiter.»

Dass der Erfolg eintritt, wenn die Strategie stimmt, zeigt das Beispiel der Internetbank Swissquote. Ihr Chef Marc Bürki spricht von starkem Wachstum «in allen Kundensegmenten» und einem Reingewinn von «jetzt wieder über 10 Millionen pro Quartal». Was macht Swissquote besser als Zweiplus & Co.? Die Dienstleistungspalette sei «komplett und vielseitig», meint Bürki. Hinzu komme der technologische Vorsprung. Als nächster Schritt folge eine Banklizenz in Dubai.

Von solcher Aufbruchstimmung kann Hauptaktionärin Sarasin, deren Chef Strähle laut über ein Management-Buy-out des Mutterhauses nachdenkt, bei der Tochter Zweiplus nur träumen. Zwar verteidigt Sprecher Benedikt Gratzl nach wie vor die Ausgliederung eines Teils der Kundschaft. «Daran zweifeln wir keine Sekunde.» Doch glücklich scheinen die Basler mit ihrer Knapp-60-Prozent-Beteiligung nicht zu sein. Sonst würde Gratzl kaum den Weg Richtung Exit skizzieren. «Unsere Beteiligung ist nicht in Stein gemeisselt», meint er. «Aus Sicht der Bank Sarasin muss es das Ziel für die Bank Zweiplus sein, dereinst auf eigenen Beinen zu stehen, beispielsweise durch einen Börsengang.»

Das Original der Günstigbanken

Pionier der Internet- und Günstigbanken ist Swissquote mit Sitz in Gland VD und Ableger in Zürich. Das Unternehmen startete als reine Internet-Handelsplattform für Kleintrader. Heute offeriert Swissquote eine breite Produktepalette inklusive Sparkonti und Private-Banking-Services und publiziert ein eigenes Hochglanzmagazin für Kunden. Im Unterschied zu Zweiplus ist Swissquote ihrem Technologie-Ansatz treu geblieben. Sie will keine teure Kundenberatung aufbauen, sondern agiert vor allem online.

Weitere Günstigbanken sind etwa die Axa Bank, eine Tochter des gleichnamigen französischen Versicherungsmultis, die Saxo Bank aus Dänemark und die Wegelin-Tochter Nettobank. Incore, eine Tochter der Zürcher Privatbank Maerki Baumann, positioniert sich als Börsen- und Depotbank für Drittbanken.


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