Die USA offerieren elf Schweizer Banken die Straffreiheit

Credit Suisse, Basler KB und HSBC müssen bis Ende Jahr ihr US-Geschäftsmodell offenlegen. SonntagsZeitung, 18. Dezember 2011

Freitagmorgen, 10 Uhr, Bernerhof, der Sitz des Eidgenössischen Finanzdepartements: Vertreter der elf Schweizer Banken, die von den USA bedrängt werden, warten auf vertrauliche Informationen von Michael Ambühl, dem Finanz-Staatssekretär und Unterhändler im Steuerkrieg mit den Amerikanern. Anwesend sind auch Spitzenleute der Bankenaufsicht Finma, von Justiz, Steuerverwaltung und der Bankiervereinigung. Was Ambühl den Banken nach monatelangem Verhandlungsmarathon als Offerte überbringt, erscheint wie ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Es gibt, so die Botschaft des Chefbeamten, eine Lösung ohne Anklage.

Laut einem Involvierten müssen beim Deal beide Seiten nachgeben. Die elf bedrängten Banken erhalten von der US-Justiz je ein individuelles Abkommen à la UBS offeriert. Adressaten sind die Credit Suisse (CS), Julius Bär, Wegelin, die Zürcher Kantonalbank (ZKB), die Basler Kantonalbank (BKB), die Neue Zürcher Bank (NZB) in Liquidation und die Schweizer Ableger von HSBC, der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) und den drei israelischen Banken Leumi, Hapoalim und Mizrahi.

Im Gegenzug müssen die Banken erleichterte Rechtshilfegesuche aus Washington akzeptieren und damit alle Informationen ihres US-Offshoregeschäfts via Bern an die USA liefern. Die Namen der US-Kunden werden geschwärzt. Obendrauf kommt eine Busse. Die Banken müssen bis nächsten Dienstag schriftlich ihr Einverständnis erklären.

Jede der elf Banken soll umfassendes Datenmaterial aushändigen. Darunter fällt:

→ die Korrespondenz zwischen Banken und ihren US-Kunden, inklusive Sitzungs- und Telefonnotizen;

→ interner Schriftwechsel über US-Kunden in den jeweiligen Abteilungen und mit dem Management;

→ Korrespondenz zwischen Banken und Drittfirmen wie externen Vermögensverwaltern und Treuhändern betreffend US-Kunden;

→ alle Dokumente über das US-Geschäftsmodell sowie die Informationen über US-Gelder, die Drittbanken überwiesen wurden.

Brisant: Selbst die Namen ihrer US-Offshorebanker müssten die Banken übermitteln. Allerdings soll dies unter der Auflage erfolgen, dass die USA keine individuellen Strafverfahren anstrengen würden.

Den Banken bleibt nur wenig Zeit, wie das Bundesamt für Justiz im Meeting vom Freitag verdeutlichte. Als Tatbeweis müssten drei erste Banken ihr Material per Stichtag 31. Dezember abliefern. Betroffen sind die Grossbank CS, die BKB sowie die HSBC Schweiz.

Bei einem Nein nehmen sich die USA jede Bank einzeln vor

Die nächste Gruppe für eine Daten-Grosslieferung nach Washington umfasst Julius Bär, Wegelin, die ZKB und die LLB. Auch für sie gilt der 31. Dezember als Liefertermin, deren Fahrplan könnte sich aber noch ändern. Für die NZB wurde kein Termin bestimmt, für die israelischen Institute ist das Abgabedatum noch offen.

Ambühl bekräftigte am Meeting vom Freitag, dass die USA alle elf Banken als «Target» – also strafrechtliche Ziele – betrachten. Entsprechend sässen alle im gleichen Boot und würden die Bedingungen wohl akzeptieren, sagt die Quelle. Anders sei ein Schlussstrich kaum möglich. Entsprechend erwarteten die USA die Zustimmung aller elf Banken.

Was im Fall eines Neins passiert, ist unklar. Laut einem New Yorker Anwalt mit Beziehungen ins US-Justizministerium würden die USA bei einem negativen Entscheid innert weniger Wochen die erste der elf Banken anklagen und weiteren solches androhen. «Der Deal wäre gestorben, alle elf Institute kämen früher oder später an die Kasse.»

Ein Sprecher der CS wollte keinen Kommentar abgeben. Eine Sprecherin der Bankiervereinigung, Rebeca Garcia, meinte auf Anfrage: «Wir können bestätigen, dass wir am Treffen dabei waren, äussern uns aber nicht zum Inhalt.» Selbiges lässt Mario Tuor, Sprecher von Ambühl, verlauten.

Die Bankiervereinigung muss im Nachgang zu den Einzeldeals der elf Banken einen Globaldeal für die übrigen rund 300 Banken in der Schweiz koordinieren. Betroffene US-Kunden können dabei offenbar zwischen Offenlegung und Abgeltung wählen. Im Unterschied zum Modell mit Deutschland beinhaltet Abgeltung keine Immunität.

Nach umfassenden Ermittlungen gegen das Schweizer US-Offshoregeschäft verfügen die USA über umfangreiche Informationen. Weiterer Widerstand scheine den elf Banken zwecklos, meint ein Involvierter. «Würde ein Institut ausscheren, gingen die USA wohl sofort auf diese Bank los», sagt er. Dieses Risiko wolle kein Institut eingehen. Lieber würde die Offerte akzeptiert und nach vorne geschaut. Insbesondere wenn eine Bank börsenkotiert sei und die Altlasten aus dem US-Geschäft längst im Kurs abgebildet seien.

Unbekannt ist die Höhe der Bussen. Die UBS kaufte sich bei ihrem Friedensdeal von 2009 für 780 Millionen Dollar frei. Gut möglich, dass die CS mehr bezahlen muss. Der US-Anwalt in New York spricht von 3 Milliarden Dollar für alle elf Banken. Die Busse hänge ab vom Umfang des US-Geschäfts einer Bank sowie von deren in den Augen der USA schuldhaftem Verhalten.


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