Clariden Leu: Aus kam im Morgengrauen
Bank-Chefs hatten Tränen in den Augen. SonntagsZeitung, 20. November 2011
Am Montagmorgen schritt Kommando «Orange» zur Tat. Projektleiter Hans-Ulrich Meister, Nummer 2 der Credit Suisse, und sein Vertrauter Hanspeter Kurzmeyer, beide Grenadiere der Schweizer Armee, marschierten in die ordentliche Sitzung der Clariden-Geschäftsleitung. Dort diskutierten die nichts ahnenden Privatbank-Manager über laufende Projekte und Kosten.
Meister bat Clariden-CEO Olivier Jaquet vor die Tür und eröffnete ihm, er könne seine Siebensachen packen. Danach kehrten Meister und Kurzmeyer in den Raum zurück und stellten die verdutzten Clariden-Chefs vor vollendete Tatsachen: Clariden Leu wird in die Mutterbank integriert. Nach über 250 Jahren verschwindet die älteste Schweizer Bank. Kurzmeyer wurde als neuer Clariden-Boss präsentiert, als letzter Clariden-Tag wurde der 31. März 2012 bestimmt. Anwesenden, die dem eigenen Personal seit Monaten scharfe Kostenschnitte zumuten, seien die Tränen gekommen, heisst es aus Clariden-Kreisen.
Bis zuletzt war nichts über die Aktion durchgesickert. «Projekt ‹Orange› startete vor ein paar Monaten und wurde im kleinsten Kreis abgewickelt», sagt ein CS-Manager. Neben Meister und Kurzmeyer war Rolf Bögli, Meisters Stabschef, aktiv. Die strategische Vorgabe, Clariden auf den Prüfstand zu legen, stammte offenbar von CS-Präsident Urs Rohner.
Die Optionen waren schnell aufgezählt. Ein Verkauf war kein Thema, da die CS die gut 90 Milliarden Clariden-Kundenvermögen nicht hergeben wollte, wie Meister nach der Operation am Dienstag ausführte. Die Steuergeschichte des abgesetzten Clariden-Chefs Jaquet habe das Aus der Clariden-Bank beschleunigt, sagt die CS-Quelle. Dass Jaquet seine Einkommenssteuern seit 2002 in Liechtenstein bezahlt habe, die ganze Zeit aber mit seiner Familie an der Zürcher Goldküste gelebt und dort die Infrastruktur in Anspruch genommen habe, sei von der CS-Spitze «sehr ernst» genommen worden. Die SonntagsZeitung hatte Jaquets Steuerkonstrukt Anfang Oktober aufgedeckt.