Von der UBS-Datenherausgabe sind viele jüdische Erben betroffen

Die Schweiz will offenbar noch mehr Kundennamen preisgeben, darunter Nachfahren jüdischer Kriegsflüchtlinge und Wallstreet-Grössen. SonntagsZeitung, 7. Juni 2009

Die Schweizer Behörden sind offenbar gewillt, weitere US-Kundendaten der UBS an Amerika auszuhändigen. Laut einem Schweizer Bankier, der sich nicht zitieren lassen will, signalisiere Bern Bereitschaft zu einem weiteren Deal. «Wahrscheinlich wird es eine zweite ‹Lex UBS› geben», sagt der Bankier.

Mit einem solchen Deal könnte der Bundesrat versuchen, die drohende Datenherausgabe von 50 000 Konti mit unversteuerten US-Vermögen zu verhindern, über die ein Gericht in Miami Mitte Juli entscheidet.

Betroffen wären erneut viele jüdische Bürger. Dies war schon bei der ersten Offenlegung im Februar mit rund 250 US-Kunden der Fall. Zahlreiche jüdische Emigranten hatten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs auf der Durchreise nach Amerika Gelder in der Schweiz parkiert.

US-Steueranwalt William Sharp berät jüdische und nicht jüdische UBS-Kunden in den USA. «Im rechtlichen Sinn spielt es für die US-Behörden keine Rolle, dass auf der ausgehändigten UBS-Liste viele jüdische Kunden aufgeführt sind», sagt William Sharp. Die USA hätten es auf alle 50 000 Konti abgesehen, «egal, wer diese Kunden sind und woher sie stammen».

Laut einem UBS-Manager, der nicht genannt werden will, kann die Offenlegung jüdischer Kunden zum öffentlichen Thema werden, weil es «den einen oder anderen Prominenten» darunter habe. Auch der Schweizer Bankier, der von einer bevorstehenden zweiten Datenherausgabe spricht, rechnet mit Schlagzeilen. «Unter den 50 000 hat es auch jüdische Wallstreet-Grössen», sagt er. «Stellen Sie sich den Aufschrei vor, wenn die kriminalisiert werden.»

Der Steuerexperte rechnet mit vielen Geständnissen

Das vom Bundesrat für den US-Steuerstreit beauftragte Justizdepartement gibt sich bedeckt. «Unser Ziel lautet, dass die UBS nicht zur Datenherausgabe gezwungen wird», sagt Sprecher Folco Galli. Von der 250er-Liste haben die USA bisher zwei UBS-Kunden vor den Richter gezerrt. Steven Rubinstein, ein Buchhaltungsexperte jüdischer Herkunft, soll mehrere Millionen Dollar in der Schweiz vor dem US-Fiskus versteckt haben. Der nicht geständige Rubinstein musste eine Rekordkaution von 12 Millionen Dollar hinterlegen. Laut einem mit dem Fall vertrauten Schweizer Anwalt hätten sich die Amerikaner mit Rubinstein den Falschen ausgesucht. «Der wird freigesprochen.»

Der zweite Angeklagte ist ein Jachthändler aus Florida, der gestand, mithilfe von Schweizer UBS-Beratern 3 Millionen Dollar hinterzogen zu haben. Zur 250er-Liste von Februar sind inzwischen weitere Aufstellungen mit US-Kunden gekommen, gegen die ermittelt wird. So hat die UBS den Amerikanern 463 zusätzliche Konti offengelegt, wie sie in einer Stellungnahme von Ende April zuhanden des Gerichts in Miami ausführte. Es handelt sich um nicht deklarierte Konti mit Überweisungen von einem UBS-Konto in den USA.

Gejagt werden weitere UBS-Kunden, deren Namen auf einer gestohlenen CD der liechtensteinischen Fürstenbank LGT stehen. Und laut Rechtsanwalt William Sharp gibt es noch eine sogenannte Whistleblower-Liste mit «Hunderten oder noch mehr Namen von US-Kunden mit Offshore-Konti».

Angesichts dieser Datenfülle und dem bisher harten Vorgehen der US-Ermittler rechnet der Steuerexperte mit vielen Geständnissen der betroffenen rund 50 000 UBS-Kunden. Bis Ende September können diese bei einer Selbstanzeige von einer ermässigten Strafsteuer von maximal 20 Prozent des höchsten Vermögensbestands der vergangenen Jahre profitieren.

«Sich nicht freiwillig anzuzeigen, ist schlicht zu riskant», sagt Sharp. «Neben möglichen Gefängnisstrafen von fünf oder noch mehr Jahren drohen immense Strafsteuern, die dreimal so hoch sein können wie das in der Schweiz versteckte Vermögen.»


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