Ungebremst bis zum Schlamassel

Die Jagd der Chefs nach Gewinnen als Ursache des Debakels – wie es so weit kommen konnte. SonntagsZeitung, 22. Februar 2009

Den explosiven Brief der US-Behörden erhielt die UBS vor rund 10 Tagen. Entweder würden bis Mittwoch, 18. Februar, die Daten von gegen 300 US-Kunden ausgehändigt, oder die UBS würde in Amerika als kriminelle Organisation angeklagt.

Das war das Ende. Weil die Bank US-Recht verletzt hatte, konnten die Amerikaner die Schweiz schachmatt setzen. Zuletzt blieb dem Bundesrat nur die Wahl zwischen Katastrophe und Desaster. «Ein Konkurs der UBS hätte uns bis zu 100 Milliarden Franken gekostet, langfristig sogar bis zu 300 Milliarden», sollte Finanzminister Hans-Rudolf Merz am Donnerstag sagen.

Vier Stunden vor Ablauf des Ultimatums entschied sich die Landesregierung für das vermeintlich kleinere Übel. Sie befreite die UBS vor einer Anklage, opferte dafür Hunderte langjähriger US-Kunden. Deren Daten sind seit vergangenen Mittwoch in den USA, hängige Rekurse wurden missachtet.

Ob der Schaden geringer ist, wird sich weisen. Am Freitag stürzten die UBS-Aktien zwischenzeitlich auf ein Rekordtief, auch Credit Suisse und Julius Bär mussten Federn lassen. Investoren und Grosskunden sahen im UBS-Deal das Ende des Bankgeheimnisses. Vermögensverwalter mussten pausenlos verunsicherte Kunden beruhigen. «Viele ausländische Privatkunden werden ihre Optionen prüfen, riechen doch andere Staaten die Schweizer Schwäche», prophezeit die «Financial Times».

Für Professor Robert Waldburger, Ex-Kadermann der Eidgenössischen Steuerverwaltung und UBS-Berater im US-Steuerstreit, stellt der Deal mit den Amerikanern «kein Präjudiz» dar. «Dieser Einzelfall dürfte nicht mehr vorkommen: Teile der Bank machten gravierende Fehler, haben in den USA bedeutende wirtschaftliche Interessen und wurden denunziert», sagt Waldburger.

Im November 2001 hätte der spätere Crash verhindert werden können. Konzernchef Marcel Rohner , damals Nummer zwei im Private Banking, sein Weggefährte Raoul Weil und weitere Topshots entschieden über «eine Anpassung unserer heutigen Aktivitäten, ja unseres ganzen Offshore-Geschäfts», wie US-Spezialisten der UBS beantragten. Doch Rohner & Co. wollten weitermachen.

Boni bekam man, wenn man neue US-Kunden an Land zog

Ein riskanter Entscheid. Die UBS lief nach der 18-Milliarden-Übernahme der US-Bank Paine Webber von 2000 Gefahr, bei Vergehen von den scharfen US-Behörden in die Zange genommen zu werden. Und die Schweizer waren seit 2001 ein sogenannter Qualified Intermediary für die US-Steuerbehörde und mussten steuerliches Wohlverhalten garantieren.

Die eigene Grösse in den USA, die QI-Verpflichtung und das klassische Offshore-Geschäft aus der Schweiz heraus kamen sich in die Quere. Trotz der Gefahr, bei Vergehen wegen ihrer Exponiertheit erpressbar zu sein, drückten die UBS-Chefs Rohner und Weil im US-Offshore-Geschäft aufs Tempo.

Zwar beschränkte die Bank im sogenannten Länderpapier USA die erlaubten Dienstleistungen der US-Kundenberater. Gleichzeitig machte sie Neugeldzuflüsse und damit die Gewinnung frischen Vermögens bestehender oder neuer Kunden zum «wichtigsten Faktor bei der Partizipation am Bonuspool», schreibt die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) in ihrer Untersuchung des UBS-Amerika-Geschäfts – eine «eigentliche Pervertierung». Mit dem Länderpapier würde es die Bank «nicht so ernst meinen», hätten «einzelne» Kundenberater daraus geschlossen (Kurzbericht unter www.finma.ch).

Doch von Einzelfällen kann keine Rede sein. Die US-Ermittler registrierten ein reges Reiseverhalten der rund 60 UBS-Manager. «2004 reisten etwa 32 Kundenberater in die USA und trafen sich rund 3800-mal mit Kunden, um ihnen nicht lizenzierte und nicht registrierte Services und Anlagetipps zu geben», steht in der nach dem Deal mit der Schweiz für 18 Monate auf Eis gelegten Anklage.

Der Befund aus den Vereinigten Staaten hindert die Finma nicht daran, die UBS-Topmanager freizusprechen. Sie habe «keine Anzeichen für ein Mitwissen der obersten Organe» gefunden. Demgegenüber schreiben die US-Ermittler von Spitzenleuten, die gewusst hätten, dass das US-Offshore-Geschäft «nicht in Übereinstimmung mit dem Qualified-Intermediary-Abkommen» erfolgt sei.

Neben Konzernchef Rohner war Präsident Peter Kurer spätestens ab Frühling 2006 im Bild. In einer Antwort an Ex-UBS-Berater Bradley Birkenfeld, dessen spätere Kooperation mit den US-Behörden den Fall ins Rollen brachte, versprach Kurer , sicherzustellen, dass die Regeln verbessert, die Kundenberater intensiver trainiert und die Arbeit der Berater stärker kontrolliert würden.

Auf die sprudelnden Erträge mit jährlichen Gewinnen von bis zu 300 Millionen Dollar wollte die oberste UBS-Führung jedoch nicht verzichten. Der Verkauf des Offshore-Geschäfts an Dritte oder ans eigene US-Management habe die UBS verworfen, schreibt die Finma. Erst im Sommer 2007 habe die Führung ein «Abtauen» auf «null herunter» beschlossen.

Kurz darauf erfuhr die Bank von den US-Ermittlungen, die inzwischen zur Anklage gegen Raoul Weil und zur Busse über 900 Millionen und der Preisgabe des Bankgeheimnisses geführt haben.


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