Miami Vice

Die UBS steht da vor Gericht, wo sie Kunden mit Geld und Glamour umgarnte. SonntagsZeitung, 12. Juli 2009

Am Freitag gab es vor dem Bundesbezirksgericht Miami einen Vorgeschmack auf das morgige Hearing im US-Steuerstreit gegen die UBS. Ein Dutzend Reporter und mehrere TV-Kameras standen vor dem geschwungenen Bau und warteten auf Paris Hilton. Die Hotelerbin soll wegen mangelnden Einsatzes für einen ihrer Filme 8 Millionen Dollar berappen. Wenn in ein paar Stunden die Kläger des US-Steueramts das Schweizer Bankgeheimnis aushebeln wollen, ist Hiltons Prozess längst passé, dafür droht ein Medienrummel ganz anderen Ausmasses.

Der eigentliche Tatort liegt ein paar Kilometer südlich. Im Finanzdistrikt an der Brickell Avenue, Ecke 8th Street, hoch oben im 32. Stock des Bank of America Tower, unterhalten die Schweizer seit Jahren Büros für Reiche. Um die Vermögendsten kümmerte sich Martin Liechti, ein langjähriger Generaldirektor der UBS, der den USA vor Jahresfrist ins Netz gegangen war.

In Miami Jagd auf vermögende Kunden machen kann Liechti schon deshalb nicht mehr, weil seine Bewegungsfreiheit mittels elektronischer Fussfesseln begrenzt wurde. Begonnen hatte sein Niedergang am 21. April 2008, als ihn zwei Beamte mit vorgehaltener Maschinenpistole aus dem startbereiten Flugzeug holten. Der Chef der Americas-Vermögensverwaltung war von seinem ehemaligen Mitarbeiter Bradley Birkenfeld verraten worden und sollte nun die Steuertricks der UBS in Miami und anderswo zu Papier bringen.

Am Ende rettete ihn sein Geständnis. Der Erfolgsmanager, der laut einstigen Kollegen zwei Milliardäre zur UBS gebracht haben soll und von den ihm Unterstellten immer noch mehr neue Kunden und frisches Geld forderte, stellte sich plötzlich als Befehlsempfänger dar.

In der Folge zerrten die Amerikaner Liechtis Chef Raoul Weil vor ein Strafgericht. Weil, ein im Unterschied zu Haudegen Liechti eher unscheinbarer Karrierist, hätte sich nicht im Traum ein solches Ende vorstellen können, als er noch zur Kunstmesse Art Basel in Miami lud. Einmal jährlich strömten bis zu 400 Gäste ins Delano. Das ist das vermutlich aussergewöhnlichste Hotel in einer Stadt von solch mondäner Dekadenz, wie sie nur Amerika schaffen kann.

Party für potenzielle Kunden beim Kennedy-Neffen

Was von aussen wenig spektakulär wirkt, verwandelt sich drinnen in einen Königspalast des 21. Jahrhunderts, mit Sesseln wie ein Thron, Spiegeln wie in Versailles und hinter Vorhängen versteckten Lustpavillons rund um den Pool. Am 2. Dezember 2004 stand das Zelt am weissen Atlantik-Sandstrand vor dem Delano für die Berater der Bank und ihre vermögenden Kunden bereit. Doch Weil wollte für einmal andere Gesichter als die bekannten sehen.

So organisierten seine Eventspezialisten einen exklusiven Anlass in der Villa von Anthony Kennedy Shriver, einem Neffen von John F. Kennedy, ein paar Kilometer nördlich vom Delano. Kennedy Shriver lud ein paar seiner illustren Freunde ein, die UBS steuerte die Ihrigen bei, so kam eine Runde mit dem nötigen Glamourfaktor zusammen. Stararchitekt Norman Foster war dabei, der Sohn eines mexikanischen Ex-Präsidenten und der Grossaktionär einer Schweizer Handelsgruppe. Die paar wenigen UBS-Direktoren hielten sich dezent im Hintergrund.

Erst nach Wochen hakte die UBS bei den Gästen nach, mit Spezialistenteams, die ihnen massgeschneiderte Finanzlösungen präsentierten. Ziel der Bank war es, den Share of Wallet bei den Kunden zu vergrössern, im besten Fall bis zu 100 Prozent.

Doch ihre Gier führte sie ins Verderben. Wenn morgen der Prozess beginnt, braucht jene Bank, die in den USA zuerst ihre Wetten und dann ihren Ruf verloren hat, den Schutz der eigenen Regierung. Denn während bei Paris Hilton selbst ein Auftritt vor dem Richter den Marktwert zu steigern vermag, droht die UBS, an den Taten von Miami unterzugehen.

Keine Fragen nach der Herkunft des Geldes

Ein Schwarzkonto zu eröffnen, ist nirgends einfacher als in Miami

Den Private Banker sieht man Michael Alvarez nicht an. Er schlurft über den fleckigen Teppich, in ausgetragenen Schuhen, denen Wichse fehlt, und die Hosenbeine reichen bis zum Boden.

Alvarez Verkaufsmethoden erinnern an einen Auto-Occasionshändler. Als er merkt, dass eine allfällige Kontoeröffnung erst später erfolgen soll, insistiert der Kundenberater der Bank of America , Ecke Washington Avenue/Lincoln Road in Miami Beach. «Hier, ich schenke Ihnen 100 Dollar, wenn Sie jetzt 300 Dollar einzahlen», sagt der Latino-Typ. Der etwa 35-Jährige zückt einen Flyer und schmeisst ihn auf den dunklen Tisch. Der richtige Moment, um nach möglichen Problemen bei einer Überweisung aus der Schweiz zu fragen. «Probleme? Ich wüsste nicht wieso», sagt Alvarez.

Fragen nach der Herkunft des Geldes oder gar, ob dieses korrekt versteuert worden ist – darüber macht sich Alvarez keine Gedanken. Alles, was er und die Kundenberater hier in Miami und im übrigen Amerika für den Aufbau einer neuen Geschäftsbeziehung benötigen, ist ein gültiger Ausweis (Alvarez: «Driving licence is fine») sowie eine US-Adresse, um Karte und Unterlagen zuzustellen. Es braucht nicht die eigene zu sein, jene eines Freundes oder Verwandten tuts auch.

Dass der UBS ausgerechnet im wenig regulierten Finanzzentrum an der Südspitze Floridas der Prozess gemacht wird, findet Martha Brannigan «leicht ironisch». Die Reporterin vom « Miami Herald» weiss, dass sich die vielen Banken hier vornehmlich um reiche Lateinamerikaner und deren unversteuerte Vermögen kümmern. Tatsächlich blüht in der Stadt, in der mehr Spanisch als Englisch gesprochen wird, das Geschäft mit Offshore-Geldern. Gemäss Boston Consulting, einer Beratungsfirma, lag 2007 das Tandem New York/ Miami mit 8 Prozent der weltweiten Offshore-Vermögen an fünfter Stelle, hinter der Schweiz (28%), der Karibik und Luxemburg (je 15%), den Kanalinseln (14%), aber noch vor Hongkong/Singapur (7%).


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