Die 20-Milliarden-Lücke

Finma-Vize Daniel Zuberbühler verlangt «radikale» Stärkung des Eigenkapitals. SonntagsZeitung, 15. November 2009

Die Schweizer Grossbanken-Chefs klopfen sich auf die Schultern. 16,4 Prozent Eigenkapitalanteil nach Tier-1 weist die CS aus, bei der UBS sind es 15 Prozent – für globale Finanzkonzerne sind das einsame Spitzenwerte. Was die Topmanager nicht sagen: Tier-1 ist ein Auslaufmodell. Es umfasst nicht nur das in einer Krise sofort verfügbare eigene Kapital, sondern auch innovative Instrumente, sogenanntes Hybridgeld.

Von echtem Eigenkapital kann man nicht sprechen. Gerät eine Bank in die Gefahrenzone, wird ihr lediglich der Zins erlassen, bis sie wieder genug Flughöhe hat. Braucht sie dringend Mittel, um überraschende Verluste aufzufangen, nützen hybride Gelder hingegen nichts. Ohne das Schönwetter-Kapital sieht das Bild bei den beiden Schweizer Grossbanken weniger rosig aus. Die UBS erreichte Ende September 11,5 Prozent Kern-Eigenkapital, die CS 10,9 (siehe Grafik).

Beim Kernkapital ist die Hackordnung auf den Kopf gestellt. Trotz 37 Milliarden Franken Verlust in der grossen Krise und einem vorübergehenden Absturz auf 5 Prozent überflügelt die UBS bei diesem Messwert ihre Lokalkonkurrentin. Diese hatte 2008 ebenfalls 8 Milliarden verloren.

«Die schönen Tier-1-Ratios, die die Grossbanken weltweit ausweisen, bedeuten nicht so viel», sagt Daniel Zuberbühler, Vizepräsident der Finanzmarktaufsicht (Finma), gegenüber der SonntagsZeitung. Diese «Vorkriegs-Ratios» aus der Zeit der aufgeblähten Bankbilanzen würden bald abgelöst durch eine realistischere Betrachtung. «Das wird sich radikal ändern. Das echte Kernkapital muss bei allen Grossbanken gestärkt werden.»

Der internationale Basler Ausschuss der Bankregulatoren wird Ende Jahr eine Begrenzung von Hybridkapital vorlegen. Ende 2010 sollen dann die neuen Regeln in Kraft treten. Obwohl davon auszugehen ist, dass lange Übergangszeiten gelten werden, müssen sich CS und UBS Gedanken machen, von wo sie neues, echtes Kapital hernehmen sollen. Bei der CS entspricht das 12,3 Milliarden grosse Hybridkapital der Hälfte der tatsächlich verfügbaren eigenen Mittel wie Aktienkapital, Reserven und zurückbehaltene Gewinne. Bei der UBS sind 7,4 Milliarden hybrid, knapp ein Drittel des Kernkapitals. Zusammen also rund 20 Milliarden Franken.

Im Oktober 2008 schoss das Hybridkapital in die Höhe

Ein CS-Sprecher verweist auf ausländische Konkurrenten, die einen noch höheren Hybridanteil ausweisen würden. Eine Reduktion des hohen Hybridanteils sei «durchaus möglich», sagt CS-Präsident Hans-Ulrich Doerig im heutigen Interview mit der SonntagsZeitung. Hochgeschnellt ist das Hybridkapital bei der CS im schwarzen Oktober 2008. Als die UBS am 15. Oktober mit 68 Milliarden gestützt werden musste, nahm auch die Credit Suisse neues Geld auf. Eine staatliche Rettung wollte sie unbedingt verhindern, um ihre Freiheiten bei der Geschäftspolitik und den Salären behalten zu können.

Privatkapital war in jenen Tagen für die Banken rar. Schliesslich gelang es der CS, 10 Milliarden frisches Geld aufzunehmen. Dies war nur möglich, weil sie akzeptierte, dass zwei Drittel davon hybride Mittel waren. Die Schweizer Aufsicht winkte die CS-Kapitalstärkung durch. Sie hielt sich damit an einen Deal, den sie mit der CS im Sommer 2008 abgeschlossen hatte. Die Grossbank musste damals die verschärften Kapitalvorschriften schlucken: ein im internationalen Vergleich doppeltes Tier-1 und eine Leverage Ratio. In guten Zeiten müssen CS und UBS 5 Prozent Eigenkapital auf die gesamte Bilanz ausweisen.

Finma-Vize Zuberbühler spricht von Kompromiss. «Wir wollten rasch mehr Eigenkapital und eine Leverage Ratio, dafür verzichteten wir auf ein Solo bei der Qualität.» Keine Milde zeigt die Aufsicht bei den Kantonal- und Raiffeisenbanken. Der Bundesrat strich diese Woche den Kantonalbanken-Rabatt von 12,5 Prozent beim Eigenkapital. Ebenso können Genossenschaftsbanken nicht länger Nachschusspflichten ihrer Mitglieder als Eigenkapital ausweisen.


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