Aufsteiger muss abbauen

Neuer Chef der Privatbank Julius Bär unter Sparzwang: 500 Stellen in Gefahr. SonntagsZeitung, 5. April 2009

Monatelang gab die grösste Schweizer Privatbank Julius Bär vor, ohne Einschnitte durch die Krise zu kommen. Am letzten Mittwoch kam das Eingeständnis; auch Julius Bär muss korrigieren. «Wir reduzieren die Kosten um 10 bis 15 Prozent, was leider nicht ohne Personalabbau geht», sagt Bär-Sprecher Jan Bielinski.

Von den Ende 2008 über 4300 Stellen könnten 500 verschwinden. Seit Wochen werden einzelne Mitarbeiter entlassen. Auch die Essenszulage von monatlich 120 Franken am Hauptsitz in Zürich (ab Stufe Vizedirektor) fällt weg, Zeitungsabonnements werden gestrichen, Ausgaben für Flüge und Hotels reduziert.

Die Vermögensverwaltung schrumpfte um 130 Milliarden

Bärs Hauptproblem ist die ungestüme Expansion in den letzten drei Jahren. Nach dem sechs Milliarden Franken teuren Kauf dreier Privatbanken und des Assetmanagers GAM von der UBS eröffnete die Privatbank Ableger rund um den Globus. 30 Milliarden Franken Neugeld strömten in die Bank. Aus 370 Kundenberatern wurden 619. Dabei griff die Bank auch zu aggressiven Methoden: Fixsaläre von 500 000 Franken für Kundenberater und Boni in gleicher Höhe wurden teilweise für zwei Jahre im Voraus ausbezahlt.

Seit die Märkte einbrachen, ziehen die Kosten Bär in die Tiefe. Auf verwalteten Vermögen, die 2008 von 405 Milliarden Franken auf 275 Milliarden schmolzen, erzielt Bär weniger Gebühren. Das Management hat zu spät gemerkt, wie schwierig die Zeiten werden. Während Einnahmen und Gewinn zweistellig einbrachen, stieg der Personalbestand letztes Jahr um 6 Prozent. Die Kosten machen 62 Prozent der Erträge aus, 2007 waren es erst 58.

Trotz der anspruchsvollen Lage setzt der Verwaltungsrat auf einen relativ unerfahrenen Aufsteiger. Der 34-jährige Boris Collardi wird CEO der Bank Bär , dem wichtigsten Teil der Gruppe. Die Wahl begründet VR-Präsident Raymond Bär mit dessen «profunden Kenntnissen des Geschäftsmodells der Bank Julius Bär».

Der Schweizer Collardi machte eine Karriere im Windschatten von Alex Widmer, der sich um die Kunden kümmerte, während Collardi das Backoffice in Schwung hielt. Bevor er vor drei Jahren zur Bank Bär stiess, war er nach der Matur zwölf Jahre für die Credit Suisse tätig. In seinem Curriculum klingen die Aufgaben eindrücklich. In Singapur sei er für das Projekt «Global Private Banking Center» zuständig gewesen. Tatsächlich baute er eine IT-Plattform für ein neues Buchungscenter.

Unter Mentor Widmer als Chef des CS Private Banking kümmerte sich Collardi ab 2003 um IT, Personal und Finanzen. Im CV steht jedoch «Global Chief Financial Officer & Head of Corporate Center», eine Funktion, die es laut CS nicht gab, da dieser Titel höheren Managern vorbehalten war. «Entscheidend ist, dass er für die Finanzen zuständig war und den Titel ‹CFO› mit Wissen seiner Vorgesetzten führte», lässt Collardi via Sprecher Bielinski ausrichten.

Ein Ex-CS-Manager spricht von einem «mutigen» Entscheid. Collardi sei nie an der Kundenfront gewesen, müsse nun aber Kunden und Berater von sich überzeugen. Laut einem Ex-Bär-Manager habe er primär Befehle seines Chefs Widmer ausgeführt. Und: Für die Kostenprobleme trägt Collardi eine Mitverantwortung. Noch im Sommer 2008 heuerte er Mitarbeiter an, statt wie die Kollegen von GAM auf die Bremse zu treten.

Intern für Aufsehen sorgte Collardi, als er nach seinem Wechsel zu Bär eine Überdachung des Parkplatzes am Zürcher Sitz für 90 000 Franken beantragte, um seine Ferraris und die Luxusautos von Widmer vor Hagel zu schützen. Der Antrag wurde abgelehnt. Heute fährt Collardi mit einem Fiat Cinquecento zur Arbeit.


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