Swiss Re findet keinen Rückhalt

Nach grossen Verlusten stellt der Verwaltungsrat die Weichen für einen Führungswechsel. SonntagsZeitung, 28. September 2008

Nach der erneuten Bekanntgabe von millionenschweren Wertberichtigungen bleibt die Skepsis des Finanzmarkts gegenüber der Swiss Re gross. Der Aktienkurs des weltweit grössten Rückversicherers liegt rund 40 Prozent tiefer als vor Jahresfrist, und als Lehman Brothers vor zwei Wochen unterging, verloren die Swiss – Re -Aktien an einem Tag über 10 Prozent.

Finanzkräftige Investoren sollen dem Topmanagement der Swiss Re nicht trauen, sagen Insider. Einige hätten CEO Jacques Aigrain , 54, nie verziehen, dass er im November 2007 kurz nach der Veröffentlichung von erfreulichen Quartalszahlen einen Abschreiber von 1,2 Milliarden Franken verkündete. Denn auch die Swiss Re war auf zwei verlustbringenden Credit Default Swaps (CDS), hoch riskanten Derivaten, gesessen.

Aigrain selbst soll den Fehler bis heute nicht richtig verwunden haben. Ihm nahe stehende Personen sagen, der seit bald drei Jahren amtierende Konzernleiter sei unnahbarer geworden, höre weniger auf gegenteilige Ansichten und umgebe sich stärker mit wenig kritischen Gefolgsleuten.

Der Chef Financial Markets gilt als Mann fürs Grobe

Zu diesen Loyalisten gehört Dave Blumer, 40, von der Credit Suisse zur Swiss Re gestossener Banker, der mit eisernem Besen durch den Geschäftsbereich Financial Markets fegt. Ende August beschloss Blumer eine Reorganisation des Asset Managements, welches das 186 Milliarden schwere Anlagevermögen des Rückversicherers bewirtschaftet.

Blumer verlegte das Aktienteam von Zürich nach New York, 14 Mitarbeitern wurde gekündigt, 14 weitere suchen eine neue Aufgabe im Konzern. Blumer gilt unter Swiss – Re -Mitarbeitern, wie es aus deren Umfeld heisst, als Mann fürs Grobe, der die Vorgaben von CEO Aigrain rasch umsetzt.

Aigrain selbst steht unter steigendem Druck der skeptischen Anleger. Vor allem die fehlende Transparenz macht sie misstrauisch, glaubt Analyst James Quin von Citigroup. Laut Quin, der einen «Mangel an Vertrauen der Investoren» feststellt, gehe der Rückversicherer Risiken in Bereichen ein, «wo es alles andere als klar ist, dass die Swiss Re einen Wettbewerbsvorteil» geniesse. Ziel sei es, mit diesen Investitionen die vergleichsweise mageren Renditen im Rückversicherungsgeschäft aufzubessern.

Swiss Re versucht der Skepsis mit einer Informationsoffensive zu begegnen. Gegenüber der SonntagsZeitung macht Sprecher Peter Dietlmaier geltend, dass der Focus der Swiss Re kristallklar sei: «Wir wollen erste Anlaufstelle für sämtliche versicherbaren Risiken sein. Und zwar ausschliesslich für versicherbare Risiken.» Die Swiss Re sei auch heute ein Rückversicherer, aber innovativer und lösungsorientierter. «Ein Dienstleister für die Übernahme und den Transfer von versicherbaren Risiken.» Bei den beiden strukturierten Credit Default Swaps habe man falsch entschieden. «Aber daraus eine Wallstreet-Kultur ableiten zu wollen, ist absurd», sagt Dietlmaier.

Swiss Re wird stärker abgestraft als die Konkurrenz

Die Aktie der Swiss Re schneidet seit längerem schlechter ab als jene anderer grosser Versicherungen. Die Münchner Re, die mit der Swiss Re um den ersten Platz in der Branche kämpft, verlor in den letzten zwölf Monaten lediglich knapp 15 Prozent, die Titel von Erstversicherer Zurich Financial liegen sogar nur 10 Prozent tiefer als im Herbst 2007. Bei der Swiss Re hingegen macht die Börsenbewertung nur rund 80 Prozent des selbst ausgewiesenen Werts aus, der aus Aktiven minus Fremdkapital resultiert, während der Abschlag bei der Münchner Re 10 Prozent beträgt.

„Swiss Re ist von den Anlegern härter abgestraft worden, weil ihr Engagement in gefährlichen Kreditpapieren in den USA viel grösser ist als jenes anderer Versicherer“, begründet Analyst Uwe Otten von der Bank Vontobel. Bisher hat die Swiss Re wegen der zwei CDS über 3 Milliarden Franken verloren. Aus dem Umfeld ehemaliger Mitarbeiter und Kenner des Unternehmens ist zu vernehmen, dass der Verwaltungsrat unter Leitung von Präsident Peter Forstmoser und Vize Walter Kielholz die Skepsis im Markt ernst nimmt.

Anfang September bestimmte der VR den langjährigen Swiss – Re -Manager Stefan Lippe zu CEO Aigrains Stellvertreter. Lippe war einst Leiter von Reinsurance Products und ist mit dem Kerngeschäft der Firma vertraut. Aigrains Vorgänger John Coomber, der heute im VR der Swiss sitzt, falle durch kritische Fragen zur Strategie der Swiss Re auf, sagen diese Insider.

Beobachter, die mit den Vorgängen an der Spitze der Swiss Re vertraut sind, sprechen von einem Warnschuss Richtung CEO Aigrain . Mit der Wahl von Lippe als Stellvertreter habe sich der VR abgesichert, falls Aigrain fallen gelassen werden müsste. Mit einem Wechsel vom ehemaligen Investmentbanker Aigrain zum Rückversicherer Lippe würde die Swiss Re wieder zu ihrem Stammgeschäft zurückfinden.

Im mittleren und oberen Kader der Swiss Re ist die Unzufriedenheit derweil gross, wie Insider sagen. Der Konzern habe versucht, heisst es, sich in Richtung eines modernen Finanzhauses zu bewegen, doch diese Strategie habe bislang wenig Früchte getragen. Stattdessen fehle der Swiss Re heute eine klare Botschaft. Im Markt herrsche Unsicherheit, ob man es bei der Swiss Re mit einem Rückversicherer oder einer Investmentbank zu tun habe.


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