„Philipp Hildebrand fehlt die Bodenhaftung“

Über Jahre bestimmte er die Geschicke der damaligen Bankgesellschaft. Nikolaus Senn über Marcel Ospels Position als UBS-Präsident und dessen möglichen Nachfolger. (Bilanz, 8. Februar 2008)

BILANZ: Herr Senn, wird Marcel Ospel demnächst als UBS-Präsident zurücktreten müssen?

Nikolaus Senn: Das glaube ich nicht. Marcel Ospel gehört zu jenen, die am meisten von dieser Krise verstanden haben und genau wissen, was vor sich geht.

Die Anleger drücken den UBS-Aktienkurs seit Wochen in den Keller. Sie bevorzugen offenbar eine UBS ohne Marcel Ospel.

__ Mag sein. Nur ist es nicht damit getan, irgendeinen neuen Kopf zu installieren.

An der Spitze der UBS braucht es jemanden, der voller Energie ist, der sich durchzusetzen weiss, der anpackt. Viele der intellektu­ellen Herren, die jetzt als Alternative genannt werden, reden hingegen vom Schreib­tisch aus, statt an die Front zu gehen.

Beim Debakel mit Long Term Capital Management (LTCM) 1998 musste der damalige UBS-Präsident Mathis Cabiallavetta inner­halb einer Woche den Stuhl räumen. Sein Verlust von einer Milliarde Franken wirkt lächerlich klein im Vergleich zu den heutigen 21 Milliarden an Abschreibern.

__ Im Unterschied zu damals gibt es heute niemand mehr hinter Ospel. Peter Wuffli (der CEO, der im Juli 2007 zurücktrat, die Red.) hatte nichts von der US-Immobi­lienkrise bemerkt und ist weg. Nun muss Ospel auf die Zähne beissen und im Amt bleiben.

Warum hat es Marcel Ospel in seiner Regentschaft ver­passt, einen Nachfolger auf­zubauen?

__ Er meinte halt, er könne einen Jungen nachziehen. Marcel Rohner (Wufflis Nachfolger als CEO der UBS) ist sicher ein guter Mann, aber er ist eben ein Intellektu­eller. Von einem Duo mit Nationalbank-Vize Philipp Hildebrand und Marcel Roh­ner an der UBS-Spitze, wie das teilweise gefordert wird, halte ich nicht sehr viel. Dann hätte die Bank gleich zwei Intellektuelle ganz oben und keinen mehr mit der nötigen Bodenhaftung.

Hat nicht vor allem Marcel Ospel die Bodenhaftung verloren? Er wollte seine Bank an die Spitze der Wall­Street-Finanzinstitute bringen, stattdessen landete sie im Desaster.

__ Nein, Ospel ist ein Typ mit Bodenhaftung. Aber unter seiner Führung ist es der Bank zu gut gegangen, sie ist sehr schnell gewachsen. Was macht man mit all den Milli­arden, die einem einfach ins Haus fallen und die man irgendwie sofort anlegen muss?

Sie plädieren dafür, dass Ospel das UBS-Steuer in den Händen behält?

__ Ich würde einen von aus­sen oder von innen an Ospels Seite setzen und diese neue Person zum zukünftigen Präsidenten aufbauen. Dazu gehört zwingend eine Ein­führung an der Geschäfts­front, was seine Zeit braucht, ich schätze so ein bis zwei Jahre.

Was muss dieser zukünftige UBS-Präsident mitbringen?

__ Bodenhaftung, Pragmatis­mus, Internationalität und so rasch wie möglich Front­erfahrung. Nur so kann sich der Neue gegen die CEO der Regionen durchsetzen. In den Vereinigten Staaten war ja offenbar eine ganz eigen­artige Equipe am Werk, die führte sich auf, als ob ihr die Bank gehörte.

Sehen Sie mögliche Kandi­daten für die Aufgabe?

__ Ich hätte Mathis Cabialla­vetta zurückgeholt. Das ist ein Mann der Praxis, und er kennt den Laden. Cabial­lavetta wäre eine ideale Wahl für den operativen Chefposten.

Nach seinem Sturz bei der UBS wäre das eine mutige Entscheidung. Was halten Sie von einem Elder­Statesman-Typ wie Bruno Gehrig, der an der Spitze der Nationalbank war und in zwei Jahren bei der Swiss Life zurücktritt?

__ Der würde den Job wohl nicht machen wollen. Bruno Gehrig hat gesagt, er wolle beruflich kürzer treten. Bei der UBS ist jetzt voller Ein­satz gefordert.

In der letzten UBS-Krise vor zehn Jahren kam mit Alex Krauer ein Nichtbanker auf den Präsidentenstuhl. Von einer solchen Ruhe-und­Vertrauen-Lösung halten Sie nichts?

__ Damals vertrug es einen wie Alex Krauer. Die Bank hatte mit Marcel Ospel einen operativen Leiter, der zupacken konnte und die UBS kannte. Heute gibt es ausser den Ospel-Gefährten keine solche Figur. Die muss man jetzt dringend aufbauen.

Nikolaus Senn (81)

Urgestein der ehemaligen Schweizerischen Bankgesell­schaft (SBG). In seiner über 40-jährigen Karriere bei der Bank war der promovierte Jurist von 1980 bis 1988 Präsi­dent der Generaldirektion und von 1988 bis 1996 Präsident des Verwaltungsrates. Die SBG fusionierte kurz nach seinem Rücktritt mit dem Bankverein zur neuen UBS.


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