Grosse Probleme für Rieter in Indien

Ein Streik und ein Bestellungsrückgang für Textilmaschinen in Asien drücken auf Umsatz und Gewinn. (SonntagsZeitung, 18. Mai 2008)

Pune (Indien) Zackig im Auftritt, hart in der Sache. So las Rieter -Kadermann Beat Meienberger den 200 zusammengetrommelten Arbeitern des indischen Rieter -Werks in Wing südlich von Pune letzten Dezember die Leviten. Der aus der Winterthurer Zentrale eingeflogene Manager wollte dem angeblichen Schlendrian mit einem kühnen Schlag den Garaus machen. Stante pede setzte er 14 Inder auf die Strasse.

Der Schuss ging nach hinten los. Kaum hatte Meienberger die Freistellungen ausgesprochen, trat die gesamte Belegschaft der Produktionsstätte von Suessen Asia, die seit 2005 zum Rieter -Konzern gehört, in einen unbefristeten Streik. Die Arbeiter verlangen seither die Wiedereinstellung der Gekündigten. Rieter gibt sich offiziell gelassen. «Es kommt in ähnlichen Fällen immer wieder zu Streiks in indischen Unternehmen, lokalen und internationalen», sagt Rieter -Sprecher Peter Grädel. An den Entlassungen werde festgehalten, man sei gesprächsbereit und rechne mit einer baldigen Lösung.

Der materielle Schaden bei der Suessen-Textilmaschinentochter hält sich gemäss Rieter in Grenzen. Manager Meienberger setzte seine indischen Büroangestellten an die Maschinen und verpflichtete temporäre Arbeiter. Nach Auskunft eines Mitarbeiters vor Ort, der offiziell nicht Stellung nehmen darf, sei der Output des Suessen-Werks gar gestiegen.

Der immaterielle Schaden des mehrmonatigen Streiks ist schwieriger abschätzbar. Rieter galt in Indien als verlässlicher Partner. Die Schweizer sind vor über 100 Jahren mit Textilmaschinen in den indischen Markt vorgestossen und unterhalten seit den Sechzigerjahren eigene Produktionsstätten.

Heute ist Indien eine zentrale Stütze für Rieter . Vergleichbare Wachstumsraten erzielen die Winterthurer nur noch in China und in der Türkei. Der boomende Staat verspricht nachhaltige Prosperität. Der Wirtschaftsaufschwung schafft eine zahlungskräftige Mittelschicht, das Politsystem garantiert Stabilität, das Schulsystem bringt fähige Arbeiter auf den Markt.

Forbo nutzte die Rieter -Baisse an der Börse sofort aus

Kein Wunder, steht Indien zuoberst auf der Rieter -Agenda. Für ihre beiden Sparten Textilmaschinen und Autozubehör hat die Führung für Indien vor Jahresfrist eine Investitionsoffensive über rund 50 Millionen Franken beschlossen. An sechs indischen Standorten arbeiten schon heute 1000 der weltweit 15 000 Angestellten, ein Drittel mehr als ein Jahr zuvor.

Doch nun stehen die Zeichen auf Sturm. Vor zwei Wochen warnte Rieter vor sinkenden Webmaschinen-Bestellungen in Asien. Die Neuaufträge für Textilmaschinen sind von Januar bis April um 50 Prozent zurückgegangen. Auch als Automobilzulieferer spürt Rieter die Abkühlung, der Umsatz sank um 4 Prozent. Tiefere Umsätze und Preise dürften den letztjährigen Rekordgewinn von 212 Millionen einbrechen lassen.

Vor dieser Grosswetterlage kommt der Streik ungelegen. Die Schweizer könnten am Standort Indien, der ein Exporthub für Asien werden soll, zu permanenten Effizienzsteigerungen gezwungen sein, was Kompromisse im Arbeitskampf erschwert. Ein Entgegenkommen würde die Führung für die Zukunft erpressbar machen. Rieter werde den eingeschlagenen Kurs fortsetzen, sagt Sprecher Grädel. «Der vorgesehene Ausbau geht weiter.»

Die Investoren lassen sich nicht so leicht beruhigen. Der Rieter -Aktienkurs ist von 560 Franken im Dezember um fast ein Drittel auf unter 400 Franken gesunken. Die Kursschwäche nutzte die Schweizer Industriefirma Forbo zum Aufbau eines 5-Prozent-Pakets an Rieter . Gleichzeitig wurde bekannt, dass Roland Hess, Ex-Kadermann von Lifthersteller Schindler, aufs Rieter -Präsidium verzichtet. Die Hintergründe sind unklar.


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