Der Gürtel wird enger geschnallt

Finanzkrise zeitigt Auswirkungen bei Banken, Baugewerbe und Steuerplanern. (SonntagsZeitung, 23. März 2008)

Die Villa mit Schwimmbad und Garten war fertig projektiert; im Nobelort am Zürichsee standen die Bagger bereit. Dann verliess den Zürcher Bankier der Mut, weil er Angst um seinen Lohn bekam. Den Schaden haben Architekt, Bauunternehmer und Gartenbauer.

«Die Banken haben auf Modus ‹Überprüfen› umgeschaltet und verzichten auf jene Projekte, die nicht dringlich sind», sagt Felix Huber von der IT-Dienstleisterin Incentage im Zürcher Fehraltorf. «Die nächste Stufe wäre ein allgemeiner Stopp. Aber so weit sind wir noch nicht.» – «Der Boom mit günstigen Bankkrediten ist vorbei», bestätigt Peter Steiner von der gleichnamigen Generalunternehmerin. Der Bau müsse den Gürtel enger schnallen.

Die UBS umschreibt die neue Gangart mit dem Begriff «Kostenmanagement». Doppelspurigkeiten sollen vermieden, Abläufe vereinfacht werden. Möglich sei auch «die Überprüfung von externen Kosten oder das Verschieben von Projekten», sagt Christoph Meier von der unter Milliardenabschreibern leidenden Bank. Backoffice-Stellen, bei denen Angestellte keinen direkten Kundenkontakt haben, könnten wegfallen.

Betroffen ist zuerst der Wirtschaftsstandort Zürich. In der Stadt sind 17 Prozent der Beschäftigten von der Finanzindustrie inklusive Versicherungen und Vermögensverwalter abhängig, im Kanton sind es 11 Prozent. Zählt man Dienstleister wie IT und Berater dazu, ist es sogar jeder Dritte, im Kanton jeder Fünfte.

Am schnellsten gekürzt sind die Marketingausgaben. «Die Grossbanken haben viele ihrer Kampagnen auf Eis gelegt», bestätigt Frank Bodin, Präsident des Verbands der grössten Werbeagenturen. «Zum Glück läuft der Rest der Wirtschaft noch gut.» Laut Fredy Collioud von der Agentur Publicis konzentriert sich der Rückgang vor allem auf die Schweiz. «In Asien und Amerika investieren Grossbanken weiter.» Eine geografisch breite Abstützung könne helfen, um «gewisse Entwicklungen in den USA in einem globalen Kontext auszugleichen», bestätigt Daniel Rüthemann von IBM Schweiz.

Zürichs Staatshaushalt hängt wie kaum ein anderes Zentrum von der Finanzbranche ab. Laut Irene Tschopp von der Zürcher Standortförderung stammt ein Viertel der kantonalen Wertschöpfung von den beiden Grossbanken und den übrigen Finanzhäusern, mehr als in ausländischen Banken-Citys wie New York, London, Frankfurt und Paris.

Entsprechend müssen die Steuerplaner über die Bücher. «Wir erwarten eine ernsthafte Korrektur beim Steuerertrag, aber keinen dramatischen Einbruch», sagt Adrian Hug vom kantonalen Steueramt. Von den für die nächsten Jahre budgetierten 6 Milliarden Franken stammt ein Fünftel von den Unternehmen. Würden diese 20 Prozent weniger versteuern, sänke der Gesamtertrag des Kantons Zürich um 250 Millionen Franken. Der Kassenwart der Stadt Zürich warnt vor verfrühtem Alarmismus. Das Eigenkapital betrage rund 900 Millionen, zudem bringe die wachsende Wohnbevölkerung neue Erträge, sagt Martin Vollenwyder : «In Zürich gibt es kein Lichterlöschen.»

Die Bankenkrise beschäftigt auch die Denker. «Wir erwarten schwere Auswirkungen», sagt Thomas Held , dessen Thinktank Avenir Suisse im Mai eine Tagung zum Thema durchführt. An Teilnehmern mit neuen Autos dürfte es trotz Krise nicht fehlen. «Wir liegen über dem Vorjahr», sagt Dino Graf vom Autoimporteur Amag mit Marken wie VW und Audi.


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