Die neuen Bären und ihre Liebe zum Luxus

Edle Privatbank oder anonyme Grossbank – Julius Bär sucht nach einer neuen Identität. Eine Imagekampagne soll aus dem Traditionshaus ein Luxuslabel machen.

Julius Bär – True to you» – so verkaufte sich die Zürcher Privatbank noch vor kurzem in lachsfarbenen Anzeigen der Öffentlichkeit. «Das ist falsches Englisch!», beerdigte der neue Chef Johannes de Gier kürzlich die jahrelang durchgezogene Image-Kampagne. Seitdem sucht die traditionsreiche Zürcher Privatbank nach einem neuen Selbstverständnis.

Die Orientierungslosigkeit ist kein Wunder, denn fast elf Monate nach Ankündigung der Fusion mit den ehemaligen UBS-Privatbanken sind die meisten Schaltstellen neu besetzt worden – sowohl im Private Banking als auch bei der Vermögensverwaltung für institutionelle Kunden (Asset Management): Unter dem ehemaligen CS-Topbanker Alex Widmer haben im Privatkundengeschäft vorwiegend CS-Zöglinge die Kaderpositionen eingenommen. Das Asset Management mit der ehemaligen UBS-Fondstochter GAM wird von Ex-UBS-Mann David Solo geleitet, ebenfalls fast ohne Bär-Mitarbeiter in den Chefsesseln. «Durch diese Invasion von UBS- und CS-Leuten sind die Bär-Leute total verunsichert. Sie wissen nicht mehr, ob sie für eine Privatbank oder für eine Grossbank arbeiten», sagt ein Insider. Bis vor kurzem informierte die Kommunikationsabteilung noch im Intranet über Zu- und Abgänge. «Damit haben sie aufgehört. Wahrscheinlich, um die Mitarbeiter nicht noch mehr zu demotivieren», so ein anderer Kadermann. «Jeden Tag landen Bewerbungen von Bär-Mitarbeitern auf unserem Tisch», sagt der Direktor einer Genfer Privatbank. Derweil versucht die Führungsequipe, nach aussen und innen Aufbruch zu signalisieren. Dazu gehört ein neues Image: Julius Bär soll in Zukunft für «Luxury and Excellence» stehen, für Luxus und herausragende Leistung.

Am stärksten verkörpert Alex Widmer den neuen, edlen Geist: Für ihn ist selbstverständlich, sich mit einer der drei neuen Mercedes-Limousinen vom Bär-Hauptsitz an der Bahnhofstrasse 36 zum 500 Meter entfernten Fünf-Sterne-Hotel «Baur au Lac» chauffieren zu lassen. Flüge in gecharterten Learjets oder der First Class gehören ebenso zum neuen Bär-Gefühl. Vorbei die Zeiten, als Mitarbeitende und Chefs erst ab sieben Stunden Flug Business Class buchen durften.

Konzernchef de Gier ist dieses Grossbanken-Gehabe vertraut. Er lässt seine beiden Statthalter Widmer und Solo gewähren, hält sich drei Jahre vor seiner Pensionierung bereits weitestgehend aus dem Tagesgeschäft heraus. Für de Giers Vertrauen in seine Spartenchefs spricht, dass er die Position des Finanzchefs offenbar nicht besetzen wird. «Unsere Bedürfnisse in diesem Bereich werden bis auf weiteres vom Group Controller, dem Group Treasurer und der Investor-Relations-Abteilung abgedeckt», begründet Bär-Sprecher Jürg Stähelin.

Nur einer der Chefs könnte Interesse daran haben, dass das Grossbankendenken in der neuen Bär nicht zur vorherrschenden Kultur wird: Präsident Raymond Bär. Er leiht der Bank seinen Namen, hält noch ein Aktienpaket und versprach bei der Fusion, dass das Beste der zusammengefügten Partner übernommen wird. Nun wird er im Tagesgeschäft nicht einmal mehr gefragt. «Er hat es sich anders vorgestellt», sagt einer aus Bärs Umfeld.

Von den beiden Spartenchefs ist Widmer derjenige, der Vollgas gibt. «It’s possible» ist der Wahlspruch, der in seinem Büro hängt und ihn jeden Tag an sein Ziel erinnert: Die Marke Julius Bär in Asien zu etablieren. Weil dort Umlaute unbekannt sind, muss Widmer das Wort Bank vor den Namen Julius Bär stellen. Schliesslich soll nicht der Eindruck entstehen, es handle sich bei Julius um eine Bar. Ein lösbares Problem.

Schwieriger wird die zweite Vorgabe: Mit dem Luxus-Image sollen sich auch die angestammten Bär-Kunden in den wichtigsten Märkten Schweiz und Deutschland wohlfühlen. Anders als in Asien basiert Luxus in Europa aber eher auf Under- als auf Overstatement. Nicht ausgeschlossen auch, dass durch die Luxus-Maxime der Service für Bär-Kunden teurer wird. Dazu heisst es bei der Bank nebulös: «Als Prestigemarke wollen wir unseren Kunden die besten Lösungen anbieten, basierend auf exzellenten und einzigartigen Dienstleistungen.»

Die dritte Vorgabe der Kampagne umzusetzen, wird ein Langfrist-Projekt: «Excellence» bezieht sich nicht nur auf den Kundenservice, sondern auch auf die Rekrutierung von Top-Leuten sowie deren Pflege. Aus- und Weiterbildung wurde unter dem alten Management vernachlässigt. Nun soll Bär ein ebenso beliebter Arbeitgeber werden wie CS und UBS.

Der erfolgreiche Vermögensverwalter Alex Widmer weiss, was Superreiche wollen: Eine Einladung zum Poloturnier in St. Moritz zum Beispiel. «Das Engagement für Polo eröffnet uns interessante Möglichkeiten zur globalen Stärkung unserer Marke», sagte Widmer bei Bekanntgabe des Sponsorings Anfang Juli. Dazu passt die Berufung von Alain Zimmermann zum neuen Marketing-Chef der Private-Banking-Sparte: 17 Jahre lang verkaufte Zimmermann bei Cartier und zuletzt als Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung beim Uhrenkonzern IWC ein Lebensgefühl. Ob Preziosen am Handgelenk oder Anlagefonds fürs Depot – das Einkaufserlebnis soll ähnlich aufregend sein.

Zimmermann, der keine Erfahrung im Bankwesen mitbringt, muss bereits nach sechs Wochen feststellen, dass sich Anlagefonds und Armbanduhren vielleicht doch nicht auf die gleiche Weise vermarkten lassen. «Zimmermann arbeitet mit spezieller Software zur Kundenbindung. Alle Berater sollen deshalb das Profil ihrer Kunden bis ins Detail ins System eingeben. Damit stösst er auf wenig Gegenliebe», verrät ein Frontmann. Denn dieses Kundenwissen ist das Herzstück eines Private Bankers. Wenn er die Bank wechselt, nimmt er sein Wissen und – im schlimmsten Fall für den alten Arbeitgeber – den Kunden mit.

150 Leute teuer abgeworben

Der Bereich Private Banking hatte in den letzten Jahren mit abfliessenden Kundengeldern und schrumpfenden Margen zu kämpfen. Bär zog sich zudem aus Hong-kong zurück und überliess damit den boomenden asiatischen Markt der Konkurrenz. Das soll sich nun ändern. Um Asien erfolgreich zu beackern, braucht es einheimische Private Banker, die die Mentalität des asiatischen Kunden kennen. Doch von denen gibt es wenige. Entsprechend stark werden sie umworben. Widmer hat 150 neue Leute zu Bär gelockt – mit offenbar überdurchschnittlich hohen Löhnen und fixen Bonusversprechen. «Kein Kommentar», heisst es dazu. «Widmer verdirbt die Löhne. Da machen wir nicht mehr mit», schimpft ein Konkurrent.

Widmers Ziele sind ehrgeizig. In Singapur wird bereits gearbeitet. Ende 2006 wird auch das Büro in Hongkong wieder eröffnet. Von diesen beiden Standorten aus wird Widmer den lukrativen asiatischen Markt bearbeiten. Bis dahin soll auch die Kampagne für die Gesamtbank stehen. Wann aber verdient die Sparte erstmals Geld? Widmer visiert den Break-even im Jahr 2008 an. Grob überschlagen bedeutet das: 150 neue Mitarbeiter, davon etwa 120 Kundenberater, verdienen konservativ geschätzt über die nächsten drei Jahre eine Million Dollar. Das sind Kosten von 150 Millionen Dollar bis 2008. Auf der Ertragsseite stehen Gebühren auf den Vermögen, die im besten Fall ein Prozent betragen. Somit bedarf es insgesamt 15 Milliarden Dollar Neugeldzufluss bis 2008, damit Widmers Rechnung aufgeht. Zum Vergleich: Das entspräche rund einem Drittel der 42 Milliarden Dollar verwalteten Vermögen, welche die drei übernommenen Privatbanken Banco di Lugano, Ferrier Lullin und Ehinger & Armand von Ernst mitbrachten. It’s possible, um mit Widmer zu sprechen, aber ziemlich ambitiös. Alexandra Stühff und Lukas Hässig