Alle Schalter besetzt

Wo UBS-Präsident Marcel Ospel auch hinschaut: Er sieht Leute von seinen Gnaden. Ausgerechnet das Swissair-Grounding, das ihn nach aussen zum Buhmann machte, nutzte er intern zum Ausbau seiner Macht. Jetzt, da er sie hat, soll alles bleiben, wie es ist. Ist das gut? Weltwoche, 28. Juli 2005
Der persönliche Chauffeur von Marcel Ospel fährt morgens mit einem schwarzen 500er-Mercedes eigens aus Basel an, um den Chef in Rüschlikon ZH abzuholen und zur Arbeit in die Zürcher City zu bringen. Natürlich beschäftigt die UBS Fahrer mit bedeutend kürzerem Anfahrtsweg. Die aber will der Bankpräsident nicht. Seit Jahren vertraut er einzig seinen drei Chauffeuren aus gemeinsamen Basler Zeiten.

Vertrauen ist das Leitmotiv in der Karriere des Chefs der grössten Schweizer Bank. Auch an die Schalthebel der UBS hat Ospel in den letzten Jahren hauptsächlich Getreue gesetzt ­ namentlich ins Verwaltungsratspräsidium, das bei der UBS das eigentliche Machtzentrum ist und einen grösseren Einfluss auf die Zukunftsgestaltung der Bank hat als die Konzernleitung; dort findet keine Sitzung ohne einen Ospel-Vertrauten aus dem Präsidium statt. Und der Chef selbst ist nicht nur für die Strategie zuständig, wie das bei Präsidenten üblich ist, sondern betreut weiterhin persönlich ausgewählte wichtige Kunden.

Der Erfolg gibt Ospel Recht. Unter seinem Konstrukt, einer Art doppelter Rennleitung, erwirtschaftete die UBS letztes Jahr einen Rekordgewinn von über acht Milliarden Franken. Der Aktienkurs steigt und steigt. Heute ist die UBS fast doppelt so viel wert wie die Konkurrentin vom Zürcher Paradeplatz, die Credit Suisse.

Mega-out

Diese Position der Stärke lässt Ospel derzeit gelassen auf die aufgeregte Entwicklung in der Branche reagieren. Den einstigen KV-Stift und HWV-Absolventen beunruhigt nicht, wenn die italienische Unicredito die deutsche HVB oder die spanische Santander die englische Abbey übernehmen und damit in die Grössendimension der UBS vorstossen.

Marcel Ospel schaut einen Moment lang wortlos aus dem Fenster im 3. Stock des Hauptsitzes an der Bahnhofstrasse. Dann erst beantwortet er die Frage, warum die UBS auf die neue Welle der Übernahmen und Fusionen im weltweiten Bankgeschäft nicht mit einer Grossakquisition reagieren will: «Diese Transaktionen spielten sich in Geschäftsfeldern ab, in denen wir nicht tätig sind. Ausserhalb der Schweiz wollen wir weder ins Retail- noch ins Kreditgeschäft vorstossen.» Auch wenn in den USA und in Europa derzeit grosse Übernahmen stattfinden ­ für Ospel ist eine Megafusion oder -übernahme kein Thema. «No more big deal», sagt er stoisch.

Es ist ein neuer Marcel Ospel, den man da kennen lernt. Aus dem einst entschlossenen Firmenkäufer ist ein vorsichtiger Hüter des Erreichten geworden. Der «Swiss cowboy», wie er einst in London höhnisch genannt wurde, weil er nicht schnell genug das nächste Opfer erlegen konnte, will seine Bank nur noch arrondieren und da und dort ein Schnäppchen machen, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Es überrascht, dass ausgerechnet einer, der seinen Aufstieg in die globale Managerelite gewagten strategischen Weichenstellungen verdankte und zuweilen alles auf eine Karte setzte, dass ausgerechnet Ospel also sich heute dezidiert gegen Grosstransaktionen ausspricht. «Die absolute Grösse ist der falsche Massstab», begründet er die neue Bescheidenheit. «Wir schauen auf die Profitabilität und die Marktstellung in jenen Geschäften, in denen wir vorne dabei sein wollen.» Auf drei Bereiche hat die UBS fokussiert: die weltweite Vermögensverwaltung (für Privatkunden und Institutionelle), das Investmentbanking und das umfassende Bankgeschäft in der Schweiz. Dabei soll es bleiben.

Vor zehn Jahren, im Alter von 45, ging noch ein anderer Ospel ans Werk. Innert Monaten integrierte er trotz Protestgeheuls eine der renommiertesten Investmentbanken Englands, die SG Warburg ­ ohne Rücksichten auf deren Stars. Die Londoner Finanzszene traute ihren Augen nicht. Ausgerechnet ein sanft, manchmal gar unsicher wirkender Schweizer vollzog eine Übernahme so schnell und so effizient wie keiner vor ihm.

Warburg war Ospels Gesellenstück. Dank dieser Leistung wurde er Chef des Bankvereins (SBV) und konnte 1997 die Nummer eins der Schweiz, die Bankgesellschaft (SBG), zur Fusion überreden. In der neuen Grossbank hatten rasch Ospels Leute das Sagen.

Was danach kam, hat Ospel für immer geprägt. Während dreier Jahre bekämpften sich die SBG- und die SBV-Teams, als ob sie noch getrennten Firmen angehören würden. Die Bankgesellen wollten lange nicht akzeptieren, dass sie vom kleineren, aber agileren Konkurrenten faktisch geschluckt worden waren. Als Ospel endlich die Früchte der Vereinigung ernten konnte und einen Rekordgewinn auswies, machte er sich schon an die nächste Grossübernahme. Im Juli 2000 schluckte die UBS den US-Broker Paine Webber für fast 18 Milliarden Franken. Heute, nach schwierigen Chefwechseln und zähen Restrukturierungen, hat er auch die amerikanische Bank in sein Reich integriert. Der UBS-Präsident steht als strahlender Sieger eines stürmischen Jahrzehnts in der Finanzbranche da.

Seine Bank ist die weltweit grösste Vermögensverwalterin für reiche Privatkunden, die ihr Geld ausserhalb der Heimat anlegen wollen. In der Schweiz, wo sie einen Viertel ihres Jahresgewinns erwirtschaftet, kommt hinter der UBS lange niemand. Und auch im Investmentbanking (Handel mit Wertpapieren und Beratung für Unternehmensdeals) haben die Schweizer nach einer fulminanten Aufholjagd den Anschluss an die Spitze geschafft. Heute wird jede 9. Aktie weltweit über die UBS gehandelt.

Auf Kommando: los

Dabei stand Marcel Ospel vor vier Jahren noch am Abgrund. Der 29. September 2001 wurde fast zu seinem Waterloo. Im Balsberg beim Zürcher Flughafen rangen an jenem Samstag die Verwaltungsräte von Swissair und Crossair um einen Ausweg aus der hoffnungslosen Überschuldung der Fluggesellschaft. Mitten in die Sitzung platzten der UBS-Präsident und sein Gefolge. Bevor die Airline-Verantwortlichen begriffen, wie ihnen geschah, übernahmen Ospels Kreditspezialisten Alberto Togni und Marco Suter das Kommando. Ihnen zur Seite stand einer, mit dem die glücklosen Swissair-Chefs nicht gerechnet hatten: Peter Kurer, wenige Monate zuvor noch Wirtschaftsanwalt der Swissair, kannte alle Schwächen und Probleme der untergehenden Airline.

Ospel & Co. diktierten die Bedingungen, sprachen einen Kredit von rund 250 Millionen Franken für die neue Crossair und liessen die Swissair mit einem letzten Zustupf in den Konkurs gleiten. Doch statt Applaus gab’s einen öffentlichen Aufstand. Der Basler sah sich unerwartet zum Totengräber gestempelt. Er habe der Airline den Geldhahn zugedreht, lautete der Vorwurf, statt ihr uneigennützig mit frischem Geld unter die Arme zu greifen. Dass der UBS-Präsident am Tag des Groundings selbst für den Bundesrat unerreichbar war, brachte das Fass zum Überlaufen. Für die breite Öffentlichkeit war Ospel der heimliche Drahtzieher im Drama um die Swissair.

Auf diesen Moment hatten interne Kritiker gewartet. CEO Luqman Arnold suchte im Verwaltungsrat eine Mehrheit gegen seinen Präsidenten. Seit längerem hatte sich Arnold über Ospel enerviert, weil der sich ständig ins Tagesgeschäft ­ üblicherweise Sache der Geschäftsleitung ­ einmischte, wie der Fall Swissair belegte. Auf seiner Seite wusste Arnold die Spitzen des Investmentbankings und von Paine Webber, dem amerikanischen Arm der UBS. “‘

Doch Arnold und seine Aufständischen scheiterten. Im Machtkampf zwischen Ospel und einem Teil der Konzernleitung entschied sich der Verwaltungsrat für seinen Vorsitzenden. Nun war es Ospel, der die Swissair-Krise geschickt zum Gegenschlag nutzte. Er fällte jene Personalentscheide, die ihm bis heute und weit in die Zukunft eine Machtfülle garantieren, die ihresgleichen in der europäischen Bankenwelt sucht.

Am 18. Dezember 2001 erfolgte sein erster Schlag. Ospel setzte den Engländer Arnold vor die Tür und machte mit Peter Wuffli einen der wenigen langjährigen Topmanager zum neuen CEO, die sich aus der Palastrevolte herausgehalten hatten. Wuffli war damals 44 Jahre alt und erst seit knapp zwei Jahren Chef des Asset-Managements in New York.

Vertrauen ist besser

Arnolds Entlassung war der Auftakt für weitere gewichtige Absetzungen. Im August 2002 ging mit Investmentbanking-Chef Markus Granziol ein Manager von Bord, der seit Bankverein-Zeiten an der Seite Ospels gekämpft hatte. Donald Marron, Chef von Paine Webber, trat ein Jahr später von seinem Job zurück, kurz darauf auch Joseph Grano, ein weiterer Topshot des amerikanischen Brokers. Sie alle galten als hochkarätige Spitzenleute der Finanzindustrie, mit internationaler Erfahrung, strategischem Geschick und exzellenten Kundenbeziehungen.

Doch für Marcel Ospel war etwas anderes ausschlaggebend: Er hatte das Vertrauen in sie verloren. Weil sie ihn, so empfand es der UBS-Chef, in seiner schwersten Stunde verraten hatten. «Dr Versuech, welle z bschisse», beantwortete er in einem Gespräch mit dem Magazin von Oktober 2000 die Frage, was ihn besonders wütend mache. Seither weiss man, dass bei Ospel nach persönlichen Angriffen die Köpfe rollen.

Der Bruch mit den Widerspenstigen war total, über Nacht gingen langjährige erfolgreiche Partnerschaften in Brüche. Im Fall von Markus Granziol hat die Trennung gar ein juristisches Nachspiel: Im vergangenen Februar verklagte er seine ehemalige Arbeitgeberin auf Bezahlung von 300000 Pfund ausstehender Lohn- und Abgangsforderungen. Granziol und die UBS geben dazu keinen Kommentar ab, der Prozess findet nächstes Jahr in London statt.

Wer Ospel in der Swissair-Krise dagegen bedingungslos zur Seite stand, konnte mit reicher Belohnung rechnen. Den grössten Karrieresprung machte Kreditspezialist Marco Suter. Ihn holte Ospel diesen Frühling als zweiten vollamtlichen Vizepräsidenten ins Präsidium, wo er auf gleicher Stufe wie Stephan Haeringer steht.

Suter und Haeringer, die beiden Profi-Vizepräsidenten, kennen die Bank seit Jahrzehnten und zählen auf ihrem Gebiet zu den renommiertesten Experten. Stephan Haeringer gehörte schon zu Bankgesellschafts-Zeiten zu den besten Vermögensverwaltern des Landes, und Marco Suter ist innerhalb des weltumspannenden UBS-Imperiums einer der wenigen Spitzenleute, die in der Lage sind, sich über alle denkbaren Kreditrisiken innert kürzester Zeit einen Überblick zu verschaffen.

Aufgestiegen ist auch Ex-Swissair-Anwalt Peter Kurer, der den UBS-Chef juristisch durch die schwierigen Wochen des Groundings gelotst hatte. Peter Kurer sitzt in der Konzernleitung, ist oberster Konzernanwalt und Stabschef. Seit den trüben Wochen im Herbst 2001 besteht ein enges Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Präsidenten.

Rückblickend wird deutlich, dass es für Marcel Ospel eine Zeit vor und eine Zeit nach der Swissair gibt. Bis zur Rebellion seiner wichtigsten Manager war die Position des UBS-Präsidenten im Machtgefüge der Grossbank unsicher und ohne klar geregelte operative Befugnisse. Zwar betrachtete sich Ospel schon damals als Vorsitzenden, der bei wichtigen Entscheiden ins Tagesgeschäft eingreifen konnte. Und er genoss dabei den Rückhalt im Verwaltungsrat. Doch seine damalige Geschäftsleitung, die mit ambitionierten Managern besetzt war, wollte seine Aufgabe anders sehen: Ospel sollte ein herkömmlicher Präsident sein, mit Aufsichts-, aber ohne Exekutivpflichten.

Die grosse Flurbereinigung schuf eindeutige Verhältnisse. Das heutige Konstrukt der doppelten Rennleitung erinnert an die USA, wo von aussen bestellte Aufsichtsräte gemeinsam mit den Firmenmanagern im sogenannten Board sitzen, das über Strategie und Führung entscheidet. Im Schweizer Regelwerk ist Derartiges nicht vorgesehen, schon gar nicht in der Finanzindustrie. Die Banken unterstehen hierzulande nämlich nicht nur dem Obligationenrecht, sondern müssen zusätzlich speziellen Gesetzesvorschriften genügen. Deshalb sorgte die Lösung der UBS für einige Diskussionen bei der Bankenkommission, die zuständig ist für die Aufsicht der Finanzbranche. Um die nötigen Bewilligungen zu erhalten, musste die UBS Zusammenarbeit und Zuständigkeiten der beiden obersten Gremien detailliert festlegen. Wer wofür verantwortlich ist, steht im Geschäftsbericht 2004 ­ auf vierzig Seiten.

Präsident omnipräsent

Unter «Kompetenzregelung zwischen Verwaltungsrat und Konzernleitung» findet sich der entscheidende Satz: «Der Präsident und mindestens einer der Vizepräsidenten üben auch exekutive Funktionen im Einklang mit den schweizerischen bankengesetzlichen Bestimmungen aus und tragen Aufsichts- und Führungsverantwortung.» Dank der offenen Formulierung «exekutive Funktionen» ist es Ospel jederzeit möglich, einen Entscheid wie damals bei der Swissair über die Köpfe seines Topmanagements hinweg zu fällen.

Marcel Ospel übt seinen Einfluss aufs Tagesgeschäft auch tatsächlich aus. Laut Geschäftsbericht nimmt er oder einer der vollamtlichen Vizepräsidenten «in beratender Funktion an den Sitzungen der Konzernleitung teil, wodurch das Präsidium jederzeit über sämtliche Entwicklungen auf dem Laufenden ist». Peter Wuffli und seinen Kollegen von der Konzernleitung ist es somit unmöglich, ein wichtiges Geschäft zur Entscheidungsreife zu bringen oder auch nur schon vorzubereiten, ohne dass Präsident Ospel von Anfang an davon weiss. Bei der Credit Suisse zum Beispiel sind die Machtverhältnisse genau umgekehrt. Dort ist der CEO sogar in der Lage, ohne dass sein Präsident Kenntnis davon hat, ein neues Erscheinungsbild zu bestimmen.

Diese spezielle Machtfülle wirft die Frage auf, wie Präsident Ospel in seinen operativen Tätigkeiten kontrolliert werden soll. Wer die Richtlinien zur Corporate Governance im Geschäftsbericht studiert, kommt zum Schluss, dass eine echte Aufsicht fehlt. Unter dem Punkt «Interne Organisation» steht, dass das Präsidium mit dem CEO die Konzernstrategie, die Nachfolgeplanung der obersten Kader, die Salärpolitik und den «Risikoappetit» der UBS steuere. Entscheiden können Ospel und seine Profi-Vizepräsidenten notfalls auch allein: «Das Präsidium kann auch Sitzungen ohne den Group CEO abhalten.» Wenn Ospel dies beabsichtigte, würde also sein Konzernchef Peter Wuffli erst im Nachhinein von wichtigen Beschlüssen erfahren.

Ospel zündet sich die zweite von insgesamt drei Philip-Morris-Zigaretten an, die er während des sechzigminütigen Gesprächs raucht. Jetzt entspannt er sich, lehnt sich zurück und bewegt seine Hände beim Reden. Seine Machtstellung ­ dass er also sowohl operativ aktiv als auch oberste Kontrollinstanz des Managements ist ­ betrachtet Ospel nicht als Problem: «In so einem Unternehmen gibt es genug zu tun für eine professionelle Doppelspitze. Sei es intern, wenn wir strategische Weichenstellungen vornehmen, sei es nach aussen, in den Beziehungen mit den Kunden und den Aufsichtsbehörden.» VR und Konzernleitung, sagt er, arbeiteten Hand in Hand. «Man kann nicht sagen, der eine macht am Morgen die Tür auf und der andere macht sie am Abend zu.»

Unter Präsident Ospel hat sich die Grossbank zweifelsohne zum Powerhaus entwickelt. Das stellt dem UBS-Führungssystem ein gutes Zeugnis aus. Gleichzeitig birgt es ein Risiko: Es könnte den übermächtigen Präsidenten dazu verleiten, Manager zu bevorzugen, die eher seine Befehle ausführen als selber strategische Initiativen ergreifen. “‘

Zwei aktuelle Personalentscheide können diese Bedenken nicht zerstreuen. Der erste betrifft den vierzigjährigen Marcel Rohner, jenen Manager, der wie kaum ein anderer vor ihm von Ospel gefördert wird. Neben seiner Aufgabe als Private-Banking- und Schweiz-Chef übernimmt Rohner neu auch die Verantwortung für die bisher separat geführte US-Vermögensverwaltung. Damit wird er zum wichtigsten operativen Manager hinter CEO Peter Wuffli und zu dessen potenziellem Nachfolger.

Eine Beurteilung von Rohners Leistungen fällt schwer. Seit er in der Konzernleitung sitzt, musste der Aargauer noch keine ernsthafte Krise bewältigen. Und sein Geschäftsbereich gilt als Selbstläufer. Trotz Zinsbesteuerung und allerlei Versuchen des Auslands, den Vermögensabfluss in die Schweiz zu bremsen, schwimmt das Private Banking der UBS im Geld. Im letzten Jahr kamen 59 Milliarden Franken an Neugeldern hinzu, 17 Prozent mehr als im Vorjahr.

In seinen drei Jahren an der Spitze des ertragreichsten Standbeins hat sich Rohner intern wenig bemerkbar gemacht, sagt ein Schweizer Private Banker. Er sei aber ein guter Präsentator, der komplexe Zusammenhänge einfach darstellen könne. Bei seinen raren öffentlichen Auftritten erweckt Rohner den Eindruck eines Bankiers der jüngeren Generation, der keine Allüren hat und sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern geduldig auf seine Chance zum Aufstieg wartet.

Diese Eigenschaften kommen bei Ospel gut an. Er wurde erstmals 1998 auf Rohner aufmerksam, als er im Nachgang zum Milliardenverlust mit dem LTCM-Hedge-Fund dringend frische Kräfte für das Topmanagement brauchte. Da machte der UBS-Präsident den damals 34-Jährigen zu seinem höchsten Riskmanager. Nur gut drei Jahre später beförderte er ihn über die Köpfe aller gestandenen Profis hinweg zum obersten Vermögensverwalter.

Der beeindruckende Aufstieg des Jungbankers zeigt, was für Ospel zu einem bestimmenden Kriterium für die Auswahl der obersten Kaderleute geworden ist. Nur wenn er sicher ist, dass ein Manager seine eigene Machtposition nicht hinterfragen wird, hievt ihn Ospel in die Konzernleitung. Dahinter zeigt sich seine Absicht, dass er unter allen Umständen einen zweiten Machtkampf mit seinem Topmanagement, so wie im Nachgang zur Swissair, verhindern will. Eher ist Marcel Ospel bereit, fähige Leute zu verlieren.

Zum Beispiel John Costas. Jüngst gab die UBS bekannt, dass der Chef des Investmentbankings aus der Konzernleitung ausscheidet, um für die Grossbank einen eigenen Hedge-Fund aufzubauen. Der 48-jährige Amerikaner zählt zu den klingenden Namen im globalen Handels- und Beratungsgeschäft. Costas war von der Credit Suisse zur UBS gestossen und führte diese an die internationale Spitze. 2004 erzielte sein Bereich einen Bruttogewinn von 4,5 Milliarden Franken, lediglich 1 Milliarde weniger als die Milchkuh des Konzerns, Rohners Vermögensverwaltung.

Zusammen mit dem blendenden Rhetoriker Costas verlassen zahlreiche Spezialisten das Investmentbanking, um mit ihrem alten Chef weiterzuarbeiten. Einer, Mike Hutchins, ist besonders wichtig. Dieser gilt als Hirn der komplexen Finanzkonstruktionen. Ohne seine Kenntnisse hätte es John Costas nicht an die Spitze gebracht, sagt ein UBS-Investmentbanker.

7 Tage, 1 Kopf

Für den gewichtigen Abgang an der Unternehmensspitze gibt es zwei unterschiedliche Begründungen. Marcel Ospel sagt im Gespräch, Costas habe ihn bereits im vergangenen Dezember über seine Absichten informiert, die Veränderung sei aus freien Stücken erfolgt. «Das können sich viele Leute gar nicht vorstellen, was so ein Job abverlangt. 24 Stunden 7 Tage das ganze Jahr über verfügbar sein, nachts klingelt nach 10 Minuten Schlaf das Telefon. Dann geht man um 6 aus dem Haus, arbeitet bis 7 Uhr am Abend durch, nimmt den Jet und fliegt über Zeitzonen hinweg, muss am nächsten Tag wieder frisch und leistungsfähig antreten und womöglich am gleichen Tag zurück in die eigene Zeitzone. Hinzu kommt eine extrem fordernde Kundschaft, eine extrem fordernde Konkurrenz, eine extrem fordernde Mitarbeiterschaft. Wenn Sie das jahrelang tun, kann Sie das abnützen. Ihre Leistungsfähigkeit stösst an Grenzen, nicht nur psychisch, auch physisch.»

Ein UBS-Investmentbanker, der jahrelang mit Costas zusammengearbeitet hat, gibt eine profanere Erklärung. Der Amerikaner habe bei all seinen Stellen am Stuhl seines jeweiligen Chefs gesägt. CEO Wuffli hätte somit als Nächster um seine Position fürchten müssen. Wenige Monate vor seinem Beschluss abzutreten hatte Costas erfolgreich darauf gedrängt, den Titel des stellvertretenden Konzernleiters zu erhalten. Falls Costas in den letzten Monaten von Ospel einen konkreten Zeitpunkt für seine Beförderung ganz an die Spitze forderte und der UBS-Präsident nicht darauf einging, würde das zu den Lehren aus dem Fall Swissair passen. Keine internen Herausforderer mehr, lautet Ospels neue Devise.

Fakt ist, dass die erfolgsverwöhnte Grossbank die Zukunft mit einem Managementteam angeht, das ohne grosse Namen auskommt und von seinem Präsidenten dominiert wird. Der verfolgt nach seiner Sturm-und-Drang-Phase eine Politik der ruhigen Hand ­ obwohl strategische Weichenstellungen anstehen.

Zum Beispiel in Amerika. Noch immer ist unklar, was die UBS mit der überzahlten Paine Webber will. Im letzten Jahr betrug die Rendite der US-Aktivitäten nur 3,5 Prozent und lag weit abgeschlagen hinter dem Investmentbanking (28 Prozent) und dem Privatkunden-Geschäft (43 Prozent).

Marcel Ospel könnte jenen Teil der akquirierten Paine Webber weiterverkaufen, der nicht in die globale Vermögensverwaltungsstrategie passt. Dabei handelt es sich um das reine Börsenhandelsgeschäft, bei dem die Kunden ­ meistens sind es solche mit kleineren oder mittelgrossen Vermögen ­ die Schweizer Grossbank nur als Schaltstelle für ihre Wertschriften-Transaktionen benutzen.

Fraglich ist auch, ob die UBS weiterhin hohe Risiken im Investmentbanking eingehen will. Im Frühling hat ein Analystenteam, sinnigerweise von der UBS, konstatiert, dass die Verschuldung der Grossbank inzwischen auf das Vierzigfache ihres Eigenkapitals angestiegen ist. Das ist einer der Gründe für die glänzenden Resultate im Handelsgeschäft.

Umgekehrt birgt diese Strategie im Fall eines Börsencrashs grosse Verlustrisiken. Auch die CS und die Deutsche Bank haben einen hohen Verschuldungsgrad, während die US-Konkurrenten, auch aus Gesetzesgründen, viel vorsichtiger sind. Trotzdem erzielten sie teilweise bessere Resultate. So generierte Goldman Sachs im vergangenen Jahr mit einer zwölffachen Verschuldung (und entsprechend geringerem Verlustrisiko) 16 Milliarden Dollar Einnahmen, knapp 4 Milliarden mehr als die Schweizer. Präsident Ospel will nichts von überhöhten Risiken wissen und verweist auf die Rating-Agenturen, welche die UBS für ihre Vorsicht auszeichneten.

Auf die Frage, warum sich die UBS mit Entscheiden im US-Markt so viel Zeit lasse, manifestiert sich erneut die Abneigung des UBS-Präsidenten gegen Grosstransaktionen. Er sagt: «Bisherige, kleinere Kandidaten waren nicht integrierbar, weil sie nicht in unserer Organisation aufgehen wollten oder ihre Kultur nicht zu unserer passte.»

Marcel Ospel will sich die heftigen Verwerfungen ersparen, die üblicherweise auf Grossübernahmen folgen. Für die kommenden Jahre wünscht er sich Ruhe und Stetigkeit. Die Aussichten sind gut: Dass ihm nochmals einer seiner Manager das Messer in den Rücken stösst, ist unwahrscheinlich. Rebellen, die andere strategische Überzeugungen haben als er, sind in der neuen UBS weit und breit keine in Sicht.


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