Dezember 2008 – die Geduld der USA geht zu Ende

20minuten.ch, Serie Teil 4, 15. April 2010

Die letzte, entscheidende Verhandlungsrunde begann. Während die Amerikaner ein Fullhouse in den Händen hielten, hatten die Schweizer nicht einmal ein Pärchen. Am 8. Dezember 2008 liess Chefermittler Downing seinen neuen Gegenspieler Diethelm bei einer Unterredung in New York wissen, dass die Zeit für die UBS abgelaufen sei. Die Grossbank würde in den USA als kriminelle Organisation angeklagt, wenn sie nicht innerhalb der nächsten paar Wochen Namen und Kontodaten der als Steuersünder überführten amerikanischen Kunden aushändigte.

Parallel dazu teilte Thomas Baxter, oberster Rechtsverantwortlicher beim Fed, der Schweizer Bankenaufsicht mit, er könne die Leute vom Justizministerium nicht stoppen – eine Anklage gegen die UBS stehe unmittelbar bevor.

Angst vor einem neuen Fall Andersen

Im Schweizer Lager zweifelte niemand mehr daran, dass die Amerikaner die Offensive auslösen würden. Das zermürbende Trommelfeuer der letzten Monate mit der Anklage gegen UBS-Spitzenmann Raoul Weil als Höhepunkt hatte die helvetischen Truppenführer eingeschüchtert und demoralisiert. Da mussten sie die letzte, alles entscheidende Frage beantworten: Wenn die Schweiz hart bliebe, würden dann die Amerikaner die Bank tatsächlich vor den Richter zerren?

Berühmtestes Beispiel aus der jüngeren Geschichte war die Anklage von 2002 gegen die Revisionsgesellschaft Arthur Andersen. Diese hatte die Abschlüsse des Energiemultis Enron testiert, der nach Bilanzfälschungen 2001 unterging. Andersen-Chefs liessen belastende Dokumente vernichten, worauf ihre Firma in erster Instanz verurteilt, später jedoch vom Supreme Court freigesprochen wurde. Zur Analyse, was mit der UBS auf amerikanischer Anklagebank passieren könnte, trugen die Schweizer Behörden wichtige weitere Fälle von Betrugsfällen zusammen. (…)

Das Ende von Lehman Brothers steckte noch allen in den Knochen

Doch war der Fall UBS vergleichbar? Ein unkontrollierter Kollaps einer globalen Grossbank nach einer Strafanklage bedeutete Ende 2008 ein immenses Risiko für die Welt. Als die Investmentbank Lehman Brothers, die Nummer vier an der Wall Street, am 15. September 2008 pleite war, erlitt das Finanzsystem einen Herzstillstand. Das lag nur drei Monate zurück, und seither versuchten die Regierungen der USA, Deutschlands, Englands und weiterer grosser Staaten, das marode Finanzsystem mit Hunderten von Milliarden Dollar und Euro zu stabilisieren.

Lehman war der Dominostein, der eine Bank nach der anderen zu Fall bringen konnte. Mit Lichtgeschwindigkeit wurde allen Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik bewusst, dass nicht die Grösse eines Finanzinstituts entscheidend war, sondern deren Verknüpfung. «Too connected to fail», zu stark verbunden, um fallengelassen zu werden, lautete die Quintessenz der akuten Krise, die sich zum bereits bekannten Phänomen «Too big to fail» global operierender Finanzmultis gesellte.

Lehman hatte gut 600 Milliarden in den Büchern, zu viel für einen geordneten Untergang. Die UBS aber besass dreimal mehr, und beide Institute waren wichtige Investmentbanken und als solche eng mit anderen grossen und kleinen Banken verzahnt. Erlitt das Finanzsystem durch den Lehman-Konkurs einen Herzinfarkt, wäre ein Kollaps der UBS vermutlich sein Todesurteil gewesen.


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