Im November 2001 berieten die obersten Köpfe des Private Banking der UBS über die Zukunft im tückischen Markt USA. Das Resultat dieser Sitzung könnte dereinst als wichtigster Grund gelten, warum die UBS in der US-Vermögensverwaltung auf Grund lief und weshalb die Schweiz im Zuge einer eskalierenden Affäre unter dem Namen des Ex-UBS-Kundenberaters Birkenfeld Teile ihres Bankgeheimnisses opfern musste.Alle Topshots sassen mit am Tisch

Auf jener Konferenz stand zur Diskussion, ob die UBS in den USA ihr gewohntes Geschäftsmodell in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung wie bisher weiterführen könne. Chef des Private Banking war damals der 55-jährige Ex-Bankverein-Manager Georges Gagnebin, ihm zur Seite stand seit kurzem ein erst 37-jähriger aufstrebender Ökonom namens Marcel Rohner.

In die Zeit des US-Feldzugs der UBS fiel ein Abkommen, das die Grossbank im Jahr 2000 mit den US-Behörden unterzeichnet hatte und das im Januar 2001 in Kraft getreten war. Die Rede ist vom Qualified-Intermediary-Vertrag, kurz QI. Einfach übersetzt bedeutet QI («Qualifizierter Intermediär»), dass eine Finanzgesellschaft von den zuständigen US-Stellen einen bevorzugten Status mit besonderen Rechten und Pflichten erhält.

US-Chef warnte vor dem UBS-Offshoremodell in den USA

Dank dem QI konnte die UBS für viele Nicht-Amerika-Kunden steuerfrei US-Wertschriften handeln. Im Gegenzug musste die Bank die Vermögen ihrer US-Kunden offenlegen oder ihre Aktivitäten für diese auf ein Minimum beschränken.

Die Einschränkungen durch das QI-Abkommen sorgten für intensive Diskussionen beim zuständigen US-Teamleiter, der zum Schluss kam, dass die Bank grundsätzlich über die Bücher gehen müsse und dies in einem «Proposal to the Business Committee» – einem Antrag an die oberste Führung des Bereichs Private Banking – festhielt. Befragt dazu wollte sich der US-Chef, der die UBS wenig später verliess, nicht äussern.

Dessen Analyse war schonungslos. «Der Kauf von Paine Webber und die im Jahr 2003 anstehende QI-Revision werfen wichtige juristische Fragen bezüglich unserer heutigen Aktivitäten und noch stärker bezüglich unserer zukünftigen Strategie auf», stand im Proposal. Und weiter: «Ersteres macht uns in den USA angreifbar, und Letzteres beinhaltet die Gefahr, dass die Art und das Ausmass unseres Offshore-Geschäfts aufgedeckt werden.»

Martin Liechti überzeugte seine Chefs

Im Sitzungssaal war es einen Moment lang still. Der Vorsitzende Georges Gagnebin blickte in die Runde, fixierte Martin Liechti, der als Chef für Nord- und Südamerika der direkte Vorgesetzte des Antragstellers war, und fragte diesen, ob es allenfalls Alternativen zum vorgeschlagenen radikalen Bremsmanöver gebe.

Liechti schien auf diesen Moment gewartet zu haben. Sein Mitarbeiter male die Lage zu schwarz, meinte jener Manager, der im Frühling 2008 in Miami kurzzeitig verhaftet werden sollte, die Bank könne ihr bewährtes Geschäftsmodell trotz ihrer neuen Grösse und ihres QI-Status auch in den Vereinigten Staaten aufrechterhalten und würde davon sogar profitieren.

Kurers Mitarbeiter sass nahm an der Runde teil

Zu den Antragstellern für eine Strategieanpassung gehörte auch ein Topmann der UBS-Rechtsabteilung, der in Zukunft mithelfen sollte, die UBS unbeschädigt durch die juristisch verminten Gewässer zu steuern. Dessen fachlicher Vorgesetzte würde in der sich später zuspitzenden Affäre eine Hauptrolle spielen. Es handelte sich um Peter Kurer, heutiger UBS-Präsident und damals seit wenigen Monaten oberster Rechtsexperte des Bankkonzerns.

Der renommierte Zürcher Wirtschaftsanwalt war geholt worden, weil in der globalisierten Finanzwelt juristische Expertise gefragt war. Die rechtlich korrekte Umsetzung des QI-Konzepts unter dem klassischen Offshore-Businessmodell der UBS war zweifellos eine grosse juristische Herausforderung.


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