Die Kontrahenten waren in New York nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Das neue Eigenhandelsteam der UBS-Investmentbank, das sogenannte B-Team, sass an der 1285 Avenue of the Americas, im Glastower der ehemaligen Paine Webber, und versuchte, die Strategien der Vorgänger, des A-Teams, zu kopieren. Dieses war ein paar Schritte in Richtung Süden gezogen, über die 51. und 50. Strasse Manhattans hinunter ins Bürohaus 1251 Avenue of the Americas.

Dort hatten John Costas und Mike Hutchins mit ihren 120 Gefolgsleuten zwei Stockwerke gemietet und machten sich nun daran, ihren neuen, von der UBS finanzierten Hedgefonds Dillon Read Capital Management (DRCM) für professionelle Drittinvestoren wie Investmentbanken, andere Hedgefonds oder Anlagegesellschaften attraktiv zu machen.

40 Millionen Dollar für die Starhändler

Alle Beteiligten hatten hohe Erwartungen. Von Costas & Co. versprach sich nicht nur ihre Arbeitgeberin UBS ein lohnendes Abenteuer. Verliefen nämlich ihre Spekulationen mit US-Hypothekenpapieren so erfolgreich wie in der Vergangenheit und sprudelten die Gewinne entsprechend munter weiter – sodass potente Anleger für den Fonds gewonnen werden könnten -, dann lägen für die obersten Chefs jährliche Entschädigungen von 40 Millionen Dollar und mehr drin. Das Fachmagazin «The Trader Monthly» führte jedenfalls in seiner Jahresrangliste der bestverdienenden Investmentbanker 2004 einige UBS-Topshots, darunter Hutchins, mit 30 bis 40 Millionen Dollar an der Spitze auf.

Ein «Schweizer» Investmentbanker richtete mit grosser Kelle an

Im früheren Paine-Webber-Tower zwei Blocks weiter nördlich in Richtung Central Park lösten die Aktivitäten von DRCM keine Freude aus. Im Gegenteil, viele der zurückgebliebenen Händler und Manager innerhalb der UBS-Investmentbank betrachteten ihren Ex-Chef John Costas und dessen Anlageguru Mike Hutchins seit ihrem Weggang als aggressive Gegenspieler, welche die eigenen Karriere- und vor allem die eigenen Verdienstchancen gefährdeten.

Da trat jener Mann auf den Plan, der den Tanker UBS auf seinem Kurs ins Eismeer mitten in einen riesigen Eisberg lotsen sollte. James Stehli hiess er, seine Kollegen nannten ihn Jim, seine Vorfahren stammten aus der Schweiz. Stehli ging als junger Universitätsabgänger nach Japan, lernte dort die schwierige Sprache des Landes und heuerte 1991 beim Japan-Ableger des US-Wertschriftenhauses Kidder Peabody’s in Tokio an. 1998, als Kidder Peabody’s bereits zur grossen US-Bank Paine Webber gehörte, wechselte Stehli ins CDO-Team für Hypothekenprodukte.

CDO ist die Abkürzung für sogenannte Collateralized Debt Obligations. Wörtlich übersetzt sind das Schuldverpflichtungen respektive Kredite, die mit einem Pfand besichert sind. Um was für Kredite mit welchen Pfandgegenständen als Sicherheit es sich bei einem CDO genau handelt, lässt sich von aussen kaum abschätzen. Man hat es mit einem riesigen Kübel voller verschiedenster Papiere von unterschiedlichster Qualität zu tun, einem richtigen Finanzeintopf mit Häusern, Autos, gesicherten Studenten- oder Kreditkartenkrediten als Ingredienzien.

Suppenkoch Stehli braute ein 50-Milliarden-Dollar-Gemisch

Der Clou ist, dass der CDO-Eintopf zu pfannenfertigen Gerichten verarbeitet werden kann. Das war das grosse Geschäft der Investmentbanker an der Wall Street, mit dem verdienten sie sich jahrelang eine goldene Nase. James «Jim» Stehli war einer der CDO-Suppenköche, als die UBS im Jahr 2000 Paine Webber für fast 20 Milliarden Franken übernahm. Im Frühling 2005 wurde er Chef der weltweiten CDO-Gruppe, zwei Jahre später Mitglied der Geschäftsleitung der UBS-Investmentbank. Kurz darauf hatte Stehli ausgekocht. Im Oktober 2007, als die UBS die ersten Milliardenverluste verkündete, wurde er vor die Tür gesetzt.

Von Februar 2006 bis September 2007, als klar wurde, dass die Suppen Subprime-kontaminiert waren, legten Stehli & Co. einen Vorrat von rund 50 Milliarden Dollar der vermeintlich sichersten Tranchen an. Rund 30 Milliarden davon stammten aus der eigenen Küche, die restlichen 20 Milliarden erwarb die UBS-Küchentruppe auf dem CDO-Markt.

Als die Subprime-Kurse tauchten, drückten die UBS-Cracks aufs Tempo

Selbst als im Frühling 2007 der UBS-Hedgefonds Dillon Read geschlossen wurde, schien beim B-Team der Schweizer Grossbank niemand die sich abzeichnende Katastrophe wahrhaben zu wollen. Im Gegenteil, Jim Stehli und seine Truppe heizten den Kessel im UBS-Maschinenraum weiter mit CDOs auf. Vom gigantischen Eisberg, dem sie sich mit voller Kraft näherten, hörten und sahen sie nichts. Auf eine Anfrage der Bankenaufsicht, wie stark die UBS in Subprime-Papiere investiert habe, antwortete das Stehli-Team im Frühling 2007, die Bank sei «short», überabgesichert.


Einen Kommentar schreiben