Kopf in den Wolken

Unique will im neuen Airside fünfmal mehr Umsatz pro Quadratmeter erzielen, als im Glattzentrum üblich ist. Sitzt die Firma auf einer Goldader?

Im Frühling 2000, am Ende des Börsentaumels, wurde aus dem Flughafen Zürich die Firma Unique. Die Aktionäre träumten von einem Papier, das 300 und mehr Franken wert sein würde. Stattdessen ging’s steil bergab, bis auf 18 Franken. Vor einem Jahr, kurz vor dem endgültigen Absturz, drehte das Unique-Papier ins Plus und setzte zu einem beeindruckenden Höhenflug an. Heute liegt der Titel knapp unter 100 Franken, und erneut reiben sich die Investoren die Hände. Zum zweiten Mal zu früh.

Nur dank ein paar cleveren Finanzkniffen konnte Unique 2003 einen Gewinn von vier Millionen Franken erwirtschaften. Im ordentlichen Geschäft resultierte ein sattes Minus von 40 Millionen. Halb so wild, bezirzt die Firmenleitung die Finanzgemeinde, von nun an werde der Gewinn hochschnellen. Den Aktionären, allen voran Kanton und Stadt Zürich, werde ab 2005 nach zwei Nullrunden wieder eine Dividende ausgeschüttet. Dass die nationale Airline Swiss ums nackte Überleben kämpft, dass es fast täglich neue Lärmklagen ins Flughafen-Haus schneit – all das lässt die Unique-Chefs anscheinend kühl.

Stattdessen soll es in der Airport-Kasse wundersam klingeln. Das Zauberwort heisst Airside-Center. Einzig wegen des neuen Shopping-Paradieses zwischen den Fingerdocks A und B haben die Flughafen-Manager die rosarote Brille aufgesetzt. Ab September taucht der Passagier nach der Passkontrolle in eine Kommerzwelt ein. Auf einer Länge von drei Fussballfeldern buhlen auf zwei Etagen 50 Restaurants, Bars, Duty-free-Läden und Edelboutiquen um die Gunst der Passagiere. Swatch hat sich angemeldet, Sprüngli ebenso, in der Luxuszone folgen auf die Accessoires von Hermès die Delikatessen vom Caviar-House, vis-à-vis glänzen Füllfedern von Montblanc und Uhren von Bulgari. Auch Armani und Hugo Boss streiten mit den neuesten Kreationen um den Zuspruch der Globetrotter dieser Welt. Die Topbrands strotzen vor Zuversicht: Ein halbes Jahr vor Eröffnung sind fast alle Flächen vermietet.

71000 Franken Umsatz pro Quadratmeter

Vor Analysten präsentierten sich die Zürcher Airport-Manager kürzlich als ambitionierte Detailhändler. Im Airside-Center, das eine halbe Milliarde Franken verschlungen hat, sollen 600 Millionen Franken umgesetzt werden. Der Obolus für Vermieterin Unique dürfte einen Zehntel, sprich 60 Millionen Franken, betragen. Genug für den versprochenen Sprung zurück in die Gewinnzone.

Kaum ist das Gröbste überstanden, scheint es in Kloten erneut an Realitätssinn zu mangeln. Ein Vergleich mit dem grössten Einkaufszentrum der Schweiz im benachbarten Wallisellen zeigt, wie hoch die Unique-Manager nach den Sternen greifen. Das Glattzentrum setzte 2002 auf 43000 Quadratmetern Verkaufsfläche 659 Millionen Franken um. Pro Quadratmeter macht das 15000 Franken – kein schlechtes Resultat für hiesige Verhältnisse. Für das Airside-Center wären das Krümel: Die versprochenen 600 Millionen Franken Umsatz sollen auf einer Fläche erzielt werden, die bloss einem Fünftel jener des Glattzentrums entspricht. Also müssten pro Quadratmeter traumhaft hohe 71000 Franken umgesetzt werden. Sitzen die Airport-Manager auf einer Goldader – oder haben sie den Verstand verloren?

Sicher, Flughäfen zählen zu den attraktivsten Standorten für Läden. Hier lassen sich hohe Preise und Margen erzielen. Das Verhalten der Kunden hat Gründe: Vor dem Rückflug übrig gebliebene Franken ausgeben, den Liebsten ein Geschenk nach Hause bringen, die Warterei mit einem Drink verkürzen, mit einem guten Essen die Ferien schon vor dem Abflug beginnen. Nirgends sitzt den Passagieren das Geld so locker in den Taschen wie im Airport.

In Zürich Kloten könnten die dramatischen Einschnitte nach dem Swissair-Grounding auch die Konsumwelt verändert haben. Früher buchten sieben von zehn Passagieren bei der heimischen Airline oder einer ihrer Partnergesellschaften. Die Kunden hatten höhere Preise zu gewärtigen, woraus folgt, dass Flugpassagiere damals über das nötige Kleingeld verfügten. Profitiert davon haben auch die Betreiber am Boden: die Restaurants und Shops in den Terminals und die Airports mit der Umsatzbeteiligung.

Heute liegt der Anteil der Swiss-Passagiere am Zürcher Verkehrsaufkommen bei 56 Prozent. Zugelegt haben Billig-Airlines wie Easyjet (2,5 Prozent vom Zürcher Verkehr), Air Berlin (1,9 Prozent) und weitere. Ob deren kostenbewusste Kunden ihr Geld ebenso locker für Bulgari-Uhren und Montblanc-Füllfedern ausgeben, wird sich weisen. Der Flughafen München jedenfalls teilte kürzlich sein Terminal 1 in mehrere Sektoren ein, wovon einer speziell auf die Bedürfnisse der Billig-Passagiere ausgerichtet ist – mit Mozzarella-Sandwiches statt Sushi und Sashimi.

Vorsichtigerweise sollte Unique mit 40 statt 60 Millionen Franken Zusatzeinnahmen rechnen. Im letzten Jahr hätte das gerade noch für eine schwarze Null gereicht. Bis 2007 dürften die Passagierzahlen zudem wegen des Swiss-Abbaus weiter sinken, von heute 17 Millionen auf rund 15 Millionen. Immer weniger Passagiere, die immer mehr zu Schnäppchenjägern mutieren, könnten Uniques Shoppingträume zum Schäumen bringen.


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