Ex-Spitzenbeamter hilft: Sorgentelefon für gefährdete Banker

20minuten (6. Juni 2012) – Deutschland und die USA jagen Schweizer Vermögensverwalter. Um sie vor Verhaftung zu schützen, hat der Bankpersonalverband eine Helpline installiert. Als Beratungsonkel wirkt einer, der weiss, wie heiss die Lage ist.

Die Schweizer Banker sind verunsichert. Dürfen sie in den Ferien noch nach Deutschland fahren? Oder droht gleich die Verhaftung? Wie steht es um Reisen in die USA? Abhilfe schafft seit Anfang Woche eine Helpline des Schweizerischen Bankpersonalverbandes (SBPV). Als Beratungsonkel für verängstigte Banker konnte der SBPV einen prominenten Namen verpflichten: Rudolf Wyss, bis 2011 Stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Justiz.

«Die Beratung entspricht einem grossen Bedürfnis», sagt SBPV-Chefin Denise Chervet zu 20 Minuten Online. Weil die Hotline erst seit Anfang Woche laufe, sei es allerdings noch zu früh, Aussagen über die Menge der Anfragen zu machen.

Besonders gefährdet sind laut Beratungsonkel Wyss die Mitarbeiter der elf von den USA wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung an den Pranger gestellten Banken. Um weiteren, für Schweizer Banken existenzgefährdenden Anklagen zuvorzukommen, wurden den US-Behörden offenbar Namen von Mitarbeitern, die im US-Private-Banking-Geschäft tätig sind, ausgehändigt. Das schreibt der Ex-Beamte Wyss in einer Stellungnahme für den SBPV.

Hat die Regierung gekuscht?

Sehr wahrscheinlich habe der Bundesrat einmal mehr auf erhöhten Druck der USA reagiert, vermutet der Ex-Spitzenbeamte und fährt seiner früheren Arbeitgeberin in die Parade. Es wirkt, als spreche jemand, der viel weiss – und plötzlich frei reden kann. Als Spitzenbeamter hat sich Wyss nämlich unter anderem mit der Strafverfolgung der USA gegen Schweizer Banker beschäftigt.

Auf Anfrage von 20 Minuten Online wehrt sich das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) gegen die Vorwürfe: «Der Bund hat im Rahmen der Aufsichts-Amtshilfe keine Mitarbeiterdaten an die US-Behörden ausgehändigt», so Mario Tuor. Die Bewilligung an eine Anzahl Banken, Mitarbeiterdaten direkt an die US-Behörden zu liefern und damit aussergerichtliche Vergleiche zu ermöglichen, sei auf Wunsch der Banken erfolgt. Solche Bewilligungen sind laut Tuor vertraulich.

Entwarnung für Banker im Backoffice

Mit Rudolf Wyss äussert sich erstmals ein Sachverständiger detailliert zum heissen Punkt, welche Mitarbeiter genau die US-Justiz fürchten müssen. Entwarnung gibt der Experte für internationale Rechtshilfe für all jene Banker, die nicht in die Vermögensverwaltung steuerunehrlicher amerikanischer Bürger involviert waren.

Der Grund: fehlendes Wissen. «Diese Mitarbeiter können keine Angaben zum Untersuchungsgegenstand machen und müssen weder mit Zeugenvorladungen noch mit Verhaftungen bei Auslandsaufenthalten rechnen», hält der Ex-Beamte fest. Diese Mitarbeiter seien keine ergiebigen Informationsquellen für die US-Sheriffs. Ins gleiche Kapitel gehören Banker, die «in untergeordneten administrativen Bereichen der Betreuung unehrlicher Amerikaner» tätig gewesen sind – sprich im Backoffice.

Risiko Offshore-Beratung

Anders sieht es laut Wyss für jene aus, die als Vermögensverwalter, Finanzberater oder als Anwälte mitgeholfen haben, grosse amerikanische Vermögen am Fiskus vorbeizuschleusen und im Steuerverschleierungsprozess eine aktive Rolle gespielt haben. Als Beispiel führt er die «Mithilfe bei der Gründung von Strohfirmen» auf.

Zwar gehörten solche Konstrukte zu «Good old Swiss Banking» –in den Augen der USA sind die wenig transparenten Strukturen aber ein starkes Indiz für systematische Beihilfe zu Steuerhinterziehung. Die Vermutung: Über Strohfirmen hätten die Schweizer Banker die US-Behörden ausgetrickst und amerikanisches Recht verletzt.

Bleibt in der Schweiz!

Explizit warnt Wyss Schweizer Offshore-Banker und -Manager. Kundenbetreuer mit weitgehender Portefeuilleverantwortung und Geschäftsabschlusskompetenz seien besonders gefährdet. Aufpassen müssten vor allem Banker, die «Kunden in den USA besucht haben und dort Finanzdienstleistungen angeboten» hätten, so Wyss. Für sie steht die Ampel auf rot. Ihnen rät der Jurist generell von Reisen ins Ausland ab.

Anders sieht es laut dem Juristen für Mitarbeiter und Chefs aus, wenn sie Services «allein auf Schweizer Territorium» angeboten hätten und dies erst noch ein paar Jahre zurückliege: «Bei ihnen dürfte die Ampel für den Entscheid, ins Ausland zu reisen, auf Orange stehen.» Von USA-Reisen sollten die Betroffenen aber besser absehen.


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