Anklage gegen Wegelin: Muss Bern wieder zu Notrecht greifen?

20minuten.ch (3. Februar 2012) – Nach der US-Anklage gegen die Bank Wegelin im Steuerkrieg drohen Vorstösse gegen ZKB & Co. Nur mit Notrecht kann der Bundesrat die US-Kanonenbootpolitik stoppen.

Wegelin ist Geschichte. Eine Woche nach dem Verkauf des Nicht-US-Geschäfts an die Raiffeisen wird die St-Galler Privatbank vor ein US-Gericht gezerrt. Dort gehts um Gefängnis. Wegelin ist nur der Auftakt zur US-Grossoffensive im Steuerkrieg. Die Amerikaner prügeln die kleinen Privatbänkler, zielen aber auf das Land. Nicht Wegelin ist das Thema, sondern der Finanzplatz; nicht die Taten der Partner der Bank sind entscheidend, sondern die Strategie des Landes.

Schweiz ohne Strategie

Diese hat versagt. Der Berner Unterhändler Michael Ambühl verhandelt seit einem Jahr mit Washington über einen umfassenden Deal. Bisher hat er nichts Brauchbares nach Hause gebracht.

Ambühl ist der Aufgabe offenbar nicht gewachsen. Jeden neuen Vorschlag aus Amerika legt er den Banken zur Begutachtung vor. Statt ein unabhängiger Chefverhandler zu sein, agiert Ambühl als Meldeläufer zwischen Finanzplatz und USA.

Friede in weiter Ferne

Die Schuld liegt weder bei Ambühl noch bei den Banken. Sondern beim Bundesrat. Die Regierung hätte längst einen Deal mit den USA abschliessen sollen, auch wenn dieser für die Öffentlichkeit schwer zu schlucken gewesen wäre.

Statt einen Schlussstrich zu ziehen, hinkt Bern ständig hinter der Entwicklung her. Das Resultat ist die schlimmstmögliche Wendung der Geschichte. Obwohl die Schweiz früher oder später alle bisherigen US-Forderungen erfüllt hat, ist ein Friede in weite Ferne gerückt.

Totale Fehleinschätzung

Das Problem ist eine komplette Fehleinschätzung der Lage. Die USA verlangen seit Beginn des Konflikts die Offenlegung aller amerikanischen Steuersünder mit Geldern auf Schweizer Bankkonten. Sie werden so lange keine Ruhe geben, bis sie dieses Ziel erreicht haben.

Die Schweiz meinte hingegen, sich mit einer Teiloffenlegung aus der Affäre stehlen zu können. Sie opferte 4500 US-Kunden der UBS und legte das Thema ad acta. Dass Drittbanken mit US-Kunden der UBS eine neue Flanke öffnen würden, kam Bern nicht in den Sinn.

Weitere Banken im Visier

Die nächsten Schritte liegen auf der Hand. Die USA machen mit der Wegelin-Anklage klar, dass ihre Geduld zu Ende ist. Das reibungslose Ausradieren eines Instituts zeigt den Amerikanern, dass sie auf diesem Weg erfolgreich weiterschreiten können.

Angeklagt werden könnten als Nächstes die Privatbank Julius Bär, die Zürcher oder die Basler Kantonalbank. Diese Institute tragen die gleiche Verantwortung wie Wegelin, indem auch sie US-Kunden nach deren Rausschmiss durch die UBS bei sich aufgenommen hatten.

Widmer-Schlumpfs Gesichtsverlust

Dem Bundesrat bleiben nur noch zwei Optionen. Er kann auf Risiko spielen und warten, bis das Parlament im Frühling grünes Licht für eine Massen-Offenlegung von US-Kunden gibt. Wegen dem fakultativen Referendum erhalten die USA diese Daten dann frühestens im Sommer.

Oder die Regierung greift zum dritten Mal zu Notrecht, nachdem sie die UBS vor dem Subprime- und dem US-Steuerkriegs-Untergang gerettet hat. Der Vorteil dieser Lösung wäre das Ende eines Konflikts, der den Finanzplatz in seinen Grundfesten erschüttert.

Der Nachteil ist politischer Gesichtsverlust. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf streicht bei jeder Gelegenheit heraus, dass es kein Notrecht mehr gebe. Nun müsste sie ausgerechnet in ihrem Präsidialjahr über ihren Schatten springen.


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