Seilschaften: UBS-Risikochefs als geheimes Machtzentrum

20minuten.ch (1. Dezember 2011) – Sesselrücken in der Grossbank: Das Comeback eines alten Risiko-Spezi wirft ein Licht auf einen machtvollen Zirkel im Innersten des Finanzinstituts.

UBS-Risikochefin Maureen Miskovic blieb nur 11 Monate. Am Donnerstag musste sie Phil LoftsPlatz machen. Lofts war Vorgänger von Miskovic. Nun ist er auch ihr Nachfolger. Die «Revolving doors» an der Spitze der UBS haben System. Wie durch Drehtüren kommen und gehen wichtige Chefs, einige verschwinden ganz, andere tauchen immer wieder auf.

Das ist bemerkenswert vor dem Hintergrund der vielen Crashes der UBS. Diese ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Grossbank. Seit 1997 passierten regelmässig grössere und kleinere Unfälle, die die Bank viel Reputation und Geld kosten. So zuletzt der 2-Milliarden-Derivateverlust von London im September.

Kleine Seilschaft hat viel zu sagen

Umso erstaunlicher ist, dass eine kleine Seilschaft von Risiko-Kontrolleuren im Innersten der Bank immer noch viel zu sagen haben. Neben dem neuen Risikochef Phil Lofts gehört vor allem WalterStürzinger dazu.

Stürzinger war von 2001 bis 2007 oberster Risikochef der Bank, hatte also Lofts Position inne. Nach dem Platzen der Subprime-Blase wurde er ins zweite Glied verschoben, konnte sich aber als einziger der bekannten Subprime-Verantwortlichen ganz oben in der UBS halten.

Grosse Verschwiegenheit

Die Truppe um Lofts und Stürzinger zeichnet sich durch grosse Verschwiegenheit aus. Weder der Engländer noch der Schweizer und ein paar weitere wichtige Risiko-Kontrolleure stehen im Rampenlicht. Dabei sind sie es, welche die Bank im Alltag weitgehend steuern und kontrollieren.

Die Karrieren von Stürzinger und Lofts und auch Andrew Wright, heute Finanzchef der UBS-Investmentbank, stehen für eine UBS, in der sich bestimmte Topleute halten können, obwohl sie bei Grossunfällen eine zentrale Rollen spielten, während andere geopfert werden.

Mitten im Subprime-Fall

Es begann 1997, als die UBS-Vorgängerin SBG mit Aktien-Derivaten aus London heraus rund eine Milliarde Verluste erlitt. Der damalige Verantwortliche an der Front und weitere Spitzenmanager mussten den Hut nehmen, nicht aber Risikokontrolleure, darunter der erwähnte Andrew Wright.

1998 folgte das Hedgefund-Debakel LTCM, das die UBS erneut rund 1 Milliarde kostete und sogar den Präsidenten den Job kostete. Auch UBS-Risikochef Felix Fischer landete auf der Strasse. Weiter Karriere machen konnte hingegen Walter Stürzinger, damals Leiter des internen Inspektorats.

Ab 2001, als die Bank begann, ihren Subprime-Berg aufzutürmen, sassen Stürzinger und Lofts an entscheidenden Schalthebeln. Stürzinger war Risikochef Gesamtbank geworden, LoftsKreditrisikochef anfänglich der Investmentbank und später des Konzerns.

Als die UBS im Herbst 2007 ungebremst in den Subprime-Eisberg krachte, standen Stürzinger undLofts auf der Kommandobrücke, zuständig für die Überwachung solcher Grossrisiken.

Beförderung statt Rausschmiss

Statt die beiden so wie damals Felix Fischer im LTCM-Fall zur Verantwortung zu ziehen, erhieltStürzinger neue Aufgaben im riesigen Stabsbereich der Bank, während Lofts sogar weiter aufstieg. Ende 2008 machte ihn die Bank zum obersten Risikochef.

Bald darauf kehrte auch Andrew Wright zur UBS zurück. Er war inzwischen hoher Finanzmanager bei der untergegangenen Wallstreet-Ikone Lehman Brothers geworden und brauchte einen neuen Job. Bei den Schweizern wurde Wright neuer Finanzchef der Investmentbank.

Stürzinger, sein Buddy Phil Lofts und dessen Landsmann Andrew Wright gehören zu einer Truppe von UBS-Topshots, denen trotz wichtigen Rollen in Crashes offenbar nichts passieren kann.

Ermotti-Symbolik statt personeller Neuanfang

So gesehen scheint die heutige Absetzung von Risikochefin Miskovic durch CEO Sergio Ermottieher ein symbolischer Akt. Ein Kopf musste rollen, da kam jener von Miskovic gerade zupass. Sie trug auf der Risikoseite formell die oberste Verantwortung für den London-Crash.

Die wahren Strippenzieher der Bank kommen hingegen wieder einmal ungeschoren davon. Weil sie so gut und unentbehrlich sind, wie das UBS-Manager in Hintergrundgesprächen betonen? Weil sie Stabilität garantieren, was die weltweiten Regulatoren von der Bank fordern?

Oder weil sie es immer wieder schaffen, den ständig wechselnden obersten Chefs das Gefühl zu vermitteln, dass ohne sie die Bank zusammenbrechen würde?


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