FOKUS/UBS: Richter könnte bei US-Klage Musterfall von 1982 zum Massstab nehmen

AWP (9. Juli 2009) – Der Steuerstreit zwischen den USA und der UBS zieht jetzt auch die amerikanischen Medien in seinen Bann. Auf ihrer US-Goodwill-Tour sagte Wirtschaftsministerin Doris Leuthard an einer Pressekonferenz, dass beide Seiten einen Kompromiss anstreben würden.

Doch Involvierte hinter den Kulissen rechnen immer mehr damit, dass das auf Montag angesetzte Hearing zur Herausgabe von 52`000 UBS-Kontodaten von US-Kunden stattfinden wird. „Die USA haben es in erster Linie auf die Herausgabe von Kundennamen abgesehen und nicht auf das Herauspressen von mehr Geld“, sagt ein Berner Spitzenbeamter gegenüber AWP.

Der „best case“ für die Schweizer Seite sei ein Aufschub, sagt die Quelle, die wegen den laufenden Gesprächen nur anonym Auskunft gibt. Im Vorfeld des Hearings oder danach könnten die beiden Konfliktparteien, das US-Steueramt Internal Revenue Service (IRS) und die UBS, eine aufschiebende Vereinbarung unter bestimmten Bedingungen aushandeln. Dazu könnte die Aushändigung weiterer US-Kundennamen durch die Bank gehören, sagt der Funktionär.

USA wollen zusätzliche Namen

Auch ein UBS-Manager erklärt, dass im Unterschied zum drohenden Strafverfahren vom Februar, das die Grossbank mit einer Busse über 780 Mio USD und der Herausgabe von rund 250 Kundennamen abwenden konnte, es nun um zusätzliche Namen von US-Steuerpflichtigen gehe. „Die meisten Schweizer Beobachter haben das nicht begriffen“, sagt die UBS-Quelle.

Wenn Richter Alan Gold am kommenden Montag, dem 13. Juli um 9 Uhr früh im 11. Stock des Florida Southern District Courts in Miami den Zivilprozess eröffnet, wird er sich laut US-Anwälten, die mit dem UBS-Steuerstreit vertraut sind, auf einen Fall abstützen, der 1982 ein ähnliches Problem behandelte.

Sollte der Richter dann zum Schluss kommen, dass es sich beim 1982er Fall um einen Präzedenzfall für den Streit zwischen dem US-Steueramt und der UBS handelt, dann dürfte die Lage für die UBS sehr ungemütlich werden.

Die Rede ist vom Revisionsprozess USA gegen Nova Scotia, eine kanadische Bank mit Ablegern in vielen Ländern. Das Appellationsgericht in Atlanta, wo auch der aktuelle Streit zwischen dem IRS und der UBS in die zweite Runde gehen würde, stützte vor 27 Jahren einen Beschluss, der von jenem Gericht gefällt wurde, für das Richter Gold tätig ist.

Das Florida-Gericht hatte gegen Nova Scotia entschieden und von den Kanadiern verlangt, den Namen und die übrigen Daten eines Kunden offenzulegen, der Steuer- und Drogendelikte begangen haben soll. Die Bankverantwortlichen lehnten dieses Ansinnen unter anderem mit der Begründung ab, dass eine Offenlegung ohne das Einverständnis des Betroffenen eine Verletzung ausländischen Bankgeheimnisses sei, in diesem Fall jenes der Karibikinsel Bahamas.

Eine Herausgabe von Daten sei unter bestimmten Voraussetzungen möglich, ohne dass die Bank riskieren würden, von einem Bahamas-Gericht wegen Verletzung des Bankgeheimnisses verurteilt zu werden, konterten die US-Ermittler als Kläger.

Gleiches behaupten heute auch die Juristen des US-Steueramts IRS im Streit mit der UBS. Die Datenherausgabe vom Februar zeige, dass der Schutz des Bankgeheimnisses nicht umfassend sei. Bern kontert, dass es sich bei jenen Kunden um Steuerbetrüger handle, denen kein Schutz gebühre. Bei den 52`000 Konto-Informationen verbiete hingegen inländisches Recht eine Herausgabe.

Nova Scotia verlor den Rekursprozess

Im Nova-Scotia-Rekursprozess von 1982 stützte das Gericht schliesslich den Entscheid der Vorinstanz. Zum Nachteil der kanadischen Bank sei man nicht bereit, auf die strafrechtliche Verfolgung zu verzichten, nur weil sich eine ausländische Behörde quer stelle.

Zwar wäre es in einer globalisierten Wirtschaftswelt am besten, wenn Konflikte wie dieser ohne Justiz gelöst würden. „Wenn das aber nicht geht“, hielten die Richter in ihrem Schlussvotum fest, „dann ist das Gericht schlicht nicht bereit zu akzeptieren, dass amerikanische Strafermittlungen immer dann verunmöglicht werden, wenn diese die Interessen eines anderen Staates tangieren“.

Die Aussage ist für den anstehenden UBS-Prozess in den USA bedeutungsvoll, da der Schweizer Bundesrat die Datenherausgabe mit dem gleichen Argument verweigert. „Man kann nicht erwarten, dass wir tatenlos zuschauen, wie Schweizer Gesetze und Schweizer Souveränität verletzt werden“, sagte Justizdepartements-Sprecher Folco Galli gestern Mittwoch gegenüber AWP.

IRS geniesst besondere Stellung

Neben dem allfälligen Nova-Scotia-Präzedenzfall schwächt auch die besondere Stellung des IRS in der amerikanischen Administration die Schweizer Position. Andere Stellen wie Finanzamt und Aussenministerium können auf die Position des US-Steueramts kaum Einfluss nehmen.

Dies geht auf einen Skandal um Ex-Präsident Richard Nixon von den Republikanern zurück, der 1971 politische Gegenspieler in einer sogenannten „Opponents List“ zusammentragen liess. Eine Untersuchung ergab, dass das offizielle Ziel von Nixons Liste war, mittels IRS-Steuerdaten Opponenten durch Skandalisierung und Strafermittlungen zu schwächen. Seither geniesst der IRS eine einzigartige Autonomie unter den US-Behörden.


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