Wird die Schweiz zur Bananenrepublik?

20minuten.ch (20. Januar 2009) – Die Schweiz könnte per Notrecht rund 250 UBS-Kunden den US-Steuerbehörden ausliefern. Deren Recht auf einen Gerichtsentscheid würde per Regierungsbeschluss ausgehebelt. Was für die Grossbank ein Segen wäre, könnte das Land dem Vorwurf von Willkür aussetzen.

Die «NZZ am Sonntag» will von einem kurz bevorstehenden Durchbruch in der Affäre um mögliche systematische Hilfe zur Steuerhinterziehung der UBS für reiche US-Kunden wissen. Demnach hätte der Bundesrat eine Lösung gefunden, wie den Amerikanern die Daten von rund 250 UBS-Kunden ausgehändigt würden, ohne ein langwieriges Rekursverfahren vor Bundesverwaltungsgericht abwarten zu müssen. Möglich sei beispielsweise eine Berufung auf Notrecht, schreibt die Zeitung.

Über hundert Rekurse drohen

Kopfzerbrechen bereiten die vielen absehbaren Einsprachen gegen Verfügungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV). Rund die Hälfte der gegen 250 UBS-Kunden sollen einen Rekurs gegen die Aushändigung ihrer Daten an die US-Steuerbehörden planen, sagt ein Insider. Bis jetzt liegen dem zuständigen Bundesverwaltungsgericht erst fünf Rekurse vor. Dies könnte mit Fristen zusammenhängen, die über das Jahresende unterbrochen waren. Den USA soll das Verfahren zu lange dauern, heisst es im Zeitungsbericht.

Sollte der Bundesrat der UBS tatsächlich mit einem Notentscheid unter die Arme greifen, wäre dies eine massive Beschneidung der Rechte ausländischer Bankkunden. Als Folge könnte die Schweiz international an Ansehen verlieren. Ihren Ruf als dem Recht verpflichtete Nation würde möglicherweise leiden.

Selbst dem Finanzplatz, dem das Land einen Grossteil seines Wohlstands verdankt, muss unwohl sein beim Gedanken, sollten zur Rettung eines einzelnen Instituts geltende Spielregeln ausser Kraft gesetzt werden. Vermögende Kunden, die den Finanzplatz über die letzten Jahrzehnte zur Blüte brachten, müssten zum Schluss kommen, dass auch ihre Interessen im Ernstfall missachtet würden.

Politische Willkür

Selbstverständlich würde die Landesregierung argumentieren, dass eine Auslieferung der Bankdaten in den vorliegenden Fällen keine Verletzung des Bankgeheimnisses wäre. Alles andere wäre ein Wunder. Denn offiziell gilt noch immer, was Ex-Finanzminister Kaspar Villiger in einem Streit mit der EU proklamierte: Das Bankgeheimnis ist nicht verhandelbar.

Doch die Worte würden im Fall eines Kniefalls – als solchen müsste man wohl den Eingriff des Bundesrats betrachten – für viele wie ein Hohn klingen. Statt die eigene Souveränität mit Zähnen und Klauen zu verteidigen und die ungeduldigen US-Behörden zu vertrösten, bis die Richter über eine allfällige Aufhebung des Bankgeheimnisses entschieden hätten, sprächen die sieben höchsten Politiker der Schweiz in Eigenregie Recht.

Gut für die UBS, schlecht für das Land

Bern kann sich Zuspruch von berufener Seite erhoffen. Renommierte Steuerexperten wie der frühere EStV-Vizechef Robert Waldburger zweifeln nicht daran, dass bei vielen betroffenen UBS-Kunden Vorschriften verletzt wurden, womit der besondere Schutz verspielt sei. Doch selbst dieser Sukkurs würde kaum etwas am entscheidenden Problem eines fragwürdigen politischen Eingriffs ändern. Es war ja gerade das Misstrauen in die eigenen Regierungen, das viele reiche Bürger dazu brachte, ihr Vermögen einem helvetischen Bankinstitut anzuvertrauen. Zum Rechtsstaat gehört die Einhaltung der Spielregeln und die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs. Diese fundamentalen Werte zu missachten, um einer wichtigen Unternehmung wie der UBS und ihren unter Druck stehenden Verantwortlichen zu Hilfe zu eilen, könnte sich langfristig rächen.


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