Vereinte Behörden gegen Finanz-Kollaps

20minuten.ch (2. Oktober 2008) – Mit vereinten Kräften stemmen sich die Behörden rund um den Globus gegen einen Crash des Finanzsystems. Noch misstrauen die Anleger einer raschen Lösung und werfen ihre Aktien auf den Markt.

Die Angst geht um. Wann kehrt das Vertrauen in die Banken zurück, wann finden die Börsen neuen Halt? Der freie Fall von gestern hat sich an den asiatischen Börsen bisher nicht fortgesetzt. In Tokyo sank der Nikkei heute Morgen um gut 2 Prozent, wenig im Vergleich zum gestrigen Minus von 8 Prozent in London und fast 4 Prozent in New York. Singapur stieg gar um über 2 Prozent.

Notenbanken pumpen weiter Geld ins Finanzsystem

Gespannt warten die verunsicherten Investoren auf die nächsten Schritte der Behörden. Diese liessen bisher keine Zweifel aufkommen, dass sie sich mit vereinten Kräften gegen den Crash auf Raten stemmen würden. Die japanische Notenbank hat weitere Milliarden ins Finanzsystem gepumpt, in Australien hat die Notenbank den Leitzins auf 6 Prozent gesenkt, die europäischen Regierungen wollen den Anlegerschutz gemäss dem deutschen Modell massiv ausbauen, in den USA bezahlt die Notenbank den Banken neuerdings Zinsen auf deren Mindesteinlagen.

Die US-Regierung bestimmte einen 35-jährigen Ex-Goldman-Sachs-Manager, den grossen Banken faule Kreditpapiere abzukaufen. Seit Freitag stehen dafür 700 Milliarden Dollar bereit.

Sämtliche Massnahmen könnten das Geschehen an den Börsen kurzfristig beruhigen. Die vorbörslichen Kurse zeigen jedenfalls leicht nach oben. An der finanzlastigen Schweizer Börse bleiben UBS, CS, Swiss Re, Zurich Financial und Julius Bär, die Verlierer von gestern, im Fokus.

Alle Banken stehen unter Generalverdacht

Auf mittlere Frist wird entscheidend sein, ob die vereinten Interventionen der Behörden den Investoren die Angst nehmen können. Solange jede Bank in den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit geraten kann, bleibt die Panik bestehen und kommen die Finanzmärkte nicht zur Ruhe.

Eindrückliches Beispiel für die Verunsicherung ist die Negativrendite, die Anleger in Kauf nehmen, wenn sie Schatzpapiere der US-Regierung kaufen. Statt dass die USA für das Kapital bezahlen, verzichten die Investoren auf einen Zins, um ihr Geld sicher anlegen zu können.

Umgekehrt schiessen die Renditen für Anlagen bei den international ausgerichteten Banken in die Höhe. Eine Obligation der UBS, die über mehrere Jahre läuft und mit rund 8 Prozent verzinst wird, kostet derzeit weniger als 100 Prozent. Der Grund ist die Angst vor dem Kollaps der Bankenwelt. Die UBS-Anleihe ist nachrangig, das heisst, im Fall eines Konkurses steht der Investor mit seinem Guthaben am Ende der Gläubigerschlange. Lieber keinen Zins als unsichere Investments.

Die Investoren glauben an einen Rückfall in die 30er Jahre

Die ausser Rand und Band geratene Finanzwelt glaubt offenbar an den Worstcase, ein Zusammenbruch des Bankensystems und ein Rückfall in eine langjährige Wirtschaftsdepression, wie wir sie letztmals zwischen den Weltkriegen in den 30er Jahren hatten. Den Beteuerungen der Behörden wird misstraut, jede Krisenintervention mit weiteren Panikverkäufen beantwortet.

Doch die Pessimisten könnten sich täuschen. Der Atem der Staaten ist heute lang. Auf jede Ausweitung der Krise haben die Notenbanken bis anhin mit weitreichenden Interventionen reagiert. Sie stellen den Banken ständig neue Liquidität zur Verfügung, um zu verhindern, dass das gegenseitige Misstrauen kein wichtiges Finanzhaus zum Einsturz bringen kann. Diese Geldspritzen können theoretisch noch lange fortgesetzt werden. Welchen Preis die Welt in Form von Inflation und Strukturerhaltung maroder Banken zu zahlen hat, steht auf einem anderen Blatt.


Einen Kommentar schreiben