US-Steuertricks werden zum UBS-Alptraum

20minuten.ch (2. Juli 2008) – Der Grossbank bleiben nach dem Frontalangriff der USA zwei Optionen: Verrat am Bankgeheimnis oder Rückzug aus den Staaten. Beides wird teuer.

Revenue Agent Daniel Reeves von der US-Steuerbehörde hat ein explosives Dossier zusammengestellt, mit E-Mails von hohen UBS-Managern, Hinweisen auf 20 000 Schwarzgeldkonti von Amerikanern in der Schweiz und kritischen Zeitungsartikeln in der englischen, deutschen und Schweizer Presse zur Steuerhinterziehungspraxis der Bank.

Reeves hat mit seinem Schuss gegen die UBS einen Volltreffer gelandet. Gestern gab Richterin Joan Lenard von einem Gericht in Florida Reeves’ Behörde grünes Licht, Daten über potenzielle amerikanische Steuerbetrüger bei der UBS einzufordern. Erhebt die UBS keinen Rekurs, muss sie die Namen und Vermögenstransaktionen ihrer US-Kunden, die sie aus der Schweiz heraus betreut, offen legen.

Mit dem neuen Höhepunkt im Ringen zwischen den USA und der UBS um Einblick in Tausende von Kundendaten ist eines klar: Die US-Ermittler gehen strategisch vor, lehrbuchmässig verfolgen sie einen Masterplan und setzen diesen Schritt für Schritt um. Ihr Ziel ist es, die Schweizer Grossbank in den Schwitzkasten zu nehmen, bis die Bank die gewünschten Informationen herausgibt.

Bluffen die Amerikaner?

Dabei werfen die USA den Ball bewusst hoch. Sie fordern die Offenlegung aller Kundennamen, die bis zu 20 Milliarden Dollar an unversteuertem Vermögen bei der UBS halten, wohl wissend, dass längst nicht alle betroffenen US-Bürger illegale Umgehungskonstrukte aufgebaut hatten.

Gemäss Informationen aus dem UBS-Umfeld haben Kundenberater der Grossbank für 218 US-Kunden solche Vehikel in Steuerparadiesen wie Liechtenstein oder den Bahamas kreiert. Nach Schweizer Recht, das zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung unterscheidet, sind nur diese Fälle illegal, sprich ein Betrugsdelikt und nicht nur ein Vergehen wie Hinterziehung.

Die US-Behörden gehen trotzdem aufs Ganze und wollen alle US-Kunden ausgeliefert erhalten. Sie erhöhen den Einsatz, weil sich die Schweizer bisher weigerten, die rund 200 Namen der Kunden, die Scheinkonstrukte unterhalten, auf den Tisch zu legen. Die UBS hat zwar nach Auskunft eines Insiders die Konten und Depots dieser Kunden gesperrt, so dass keine Bewegungen mehr durchgeführt werden können.

Doch statt die US-Kunden den Steuerbehörden ans Messer zu liefern, offerierten die Schweizer bisher einen Ablasshandel. Sie sind bereit, die hinterzogenen Steuern nachzuzahlen, und um den Deal zu versüssen, bieten sie obendrein eine Million oder mehr pro Kunden mit dem Versprechen, in Zukunft nach der US-Pfeife zu tanzen. Insgesamt würde der Fall die UBS wohl über eine Milliarde Franken kosten.

Letzer Ausweg: Goodbye Amerika

Noch halten beide Seiten an ihrer Haltung fest, mit Vorteilen für die USA. Würde nämlich die UBS die Daten der betroffenen rund 218 Kunden offenlegen, wäre das ein Zeichen für alle Reichen dieser Welt, dass auf die Schweizer Grossbank kein Verlass mehr sei. Ihnen hat die UBS bekanntlich ein wasserdichtes Bankgeheimnis versprochen. Das Geschäftsmodell der weltgrössten Vermögensverwalterin wäre im Kern beschädigt.

Als Alternative kommt der Rückzug aus dem US-Geschäft aufs Tapet. Der Einschnitt wäre tief. Die UBS zählt mit 25 000 Angestellten und 700 Milliarden Dollar Vermögen zu den grossen Finanzunternehmen in den Staaten. Wenn die Affäre um die Steuerhinterziehung den Ruf der UBS aber zu stark beschädigt, muss sie sich ein Ende mit Schrecken überlegen.

Mit einer breitflächigen Offenlegung von Kundendaten nähme nicht nur die UBS Schaden, sondern auch der wichtigste Schweizer Standortvorteil. Ohne garantiertes Bankgeheimnis verliert die wichtigste Industrie ihren Vorsprung auf die aufstrebende Konkurrenz in Singapur und Dubai.

Kein Wunder, hält die Bankiervereinigung den Ball flach. «Gemäss den heute vorliegenden Informationen sollte das Bankgeheimnis von den Untersuchungen nicht betroffen sein», sagt Bankiervereinigungs-Sprecher Thomas Sutter. Gleichzeitig zeigt sich die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben besorgt über Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz.

Die Grenze zwischen UBS und Bankgeheimnis ist dünn geworden. Das kann den US-Behörden nur recht sein. Das Gesuch um Amtshilfe, das ihnen zwei hochrangige Berner Beamte vor zwei Wochen nahe legten, haben sie immer noch nicht eingereicht. Für Steueragent Reeves und seine politischen Chefs ist die UBS zum Karrieresprungbrett geworden. Knacken sie die Festung UBS, haben sie eine breite Bresche ins Schweizer Bankgeheimnis geschlagen. Das wäre ein bemerkenswerter Erfolg.


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