Ospels Mentor tritt auf dem Zenit ab

20minuten.ch (23. Juli 2008) – Hans de Gier verabschiedet sich als CEO der Julius-Bär-Privatbankengruppe mit einem guten Ergebnis. Der schlaue Holländer zeigt ein feines Gespür fürs richtige Timing, nicht so wie sein Zögling Marcel Ospel.

Während Ex-UBS-Präsident Marcel Ospel, 58, innert weniger Monate vom Gipfel ins Nichts abstürzte, tritt sein langjähriger Mentor Hans de Gier, 64, heute auf dem Höhepunkt ab. De Gier kann ein stolzes Halbjahresergebnis für die Julius-Bär-Gruppe vorweisen und tritt mit diesem Erfolgsausweis per 1. September als CEO zurück. Er bleibt aktiver Präsident der Tochter GAM.

De Gier und Ospel kamen 1980 zusammen, als der Holländer als einer von wenigen Managern einer kleinen englischen Investmentgesellschaft vom Schweizerischen Bankverein übernommen wurde. Der aufstrebende Bankverein-Manager Ospel und de Gier verstanden sich auf Anhieb und wurden ein enges Gespann, das die kleinste der drei Grossbanken in die mächtige UBS verwandelte. Die Chemie stimmte, weil Ospel den grossen Auftritt, die Macht und das Renommee liebte, während de Gier im Hintergrund die Fäden zog und darauf achtete, dass sein Vermögen wuchs. Kein anderer grosser Banker, der wie de Gier in London wichtige Deals einfädelte, konnte sein Privatleben derart geschickt vor der britischen Boulevardpresse verborgen halten.

An der Jahrespressekonferenz Anfang 2008, als sich das Schicksal seines Zöglings Ospel und der UBS immer deutlicher abzeichnete, sagte de Gier auf die Frage, was er darüber denke: «Es ist für den ganzen Finanzplatz traurig.» Aus Bär-Kreisen ist zu vernehmen, dass de Gier und sein langjähriger Weggefährte, GAM-Chef und Ex-UBS-Riskchef David Solo die Krise der UBS und das Versagen Ospels harsch kritisierten.

Seinen endgültigen Aufstieg zum erfolgreichen Manager, Strategen und reichen Mann hat de Gier aber seinem Freund Ospel zu verdanken. Ospel war einverstanden mit dem Coup des Lebens von de Gier, als er der Schweizer Finanzindustrie eine dritte Kraft zugestand. Diese stellt heute in der Vermögensverwaltung eine Konkurrenz der beiden Grossen UBS und CS dar.

Im September 2005 verkaufte Ospels Grossbank der stagnierenden Zürcher Julius Bär für rund 6 Milliarden Franken drei kleinere Privatbanken mit Ablegern in der deutschen, französischen und italienischen Schweiz sowie die Vermögensverwalterin GAM. Zusammen mit den rund 150 Milliarden Kundenvermögen wechselte auch das Management von der UBS zu Julius Bär. Hans de Gier wurde CEO, David Solo Chef von GAM. Die Rede war von Reverse takeover, umgekehrter Übernahme von Bär durch UBS, die vorerst 20 Prozent der neuen Gruppe behielt. Einzig das Herzstück der neuen Julius Bär landete nicht unter den Fittichen langjähriger UBS-Manager. Alex Widmer, ein gestandener CS-Privatbanker, wurde Chef der Tochter Bank Bär.

Mit seinem Abschied beweist Hans de Gier einmal mehr sein feines Gespür für die Märkte und die Zukunft. Er übergibt das Steuer mitten im grössten Finanzmarktsturm der letzten 80 Jahre mit einem stolzen Halbjahresgewinn von 510 Millionen Franken. Seine Strategie glänzt im Vergleich zu jener der beiden Grossbanken UBS und CS, die sich im US-Investmentbanking eine blutige Nase holten. De Giers Bär konzentrierte sich hingegen auf gutbetuchte Kunden auf der ganzen Welt.

Trotz den Börsen-Einstürzen dieses Jahres sprudeln die Erträge und stimmen die Kosten bei Bär. Besser kann es kaum noch werden. Ob sich die teure Expansion von Julius Bär an alle wichtigen Vermögensverwaltungsplätze der Welt wie Hongkong, Dubai und Lateinamerika auszahlt, ist ungewiss. Doch eine plötzliche Eintrübung bei Julius Bär wäre nicht mehr de Giers Problem.


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