Mario Corti wieder vor Gericht

20minuten.ch (13. Juni 2008) – Der gescheiterte Swissair-Chef erscheint heute vor dem Zürcher Obergericht. Belgische Kläger und der Kanton Neuenburg haben das Ersturteil angefochten. Kernstreitpunkt ist ein vermeintlicher Milliardenkredit.

Der tragische Held von Kloten steht heute Freitag nochmals im Rampenlicht. Er verteidigt sich gegen mehrere Rekurse gegen den umfassenden Freispruch des Bezirksgerichts Bülach vor einem Jahr. Das Urteil angefochten haben der belgische Staat, zwei staatliche belgische Beteiligungsgesellschaften, eine panamesische Gesellschaft und der Kanton Neuenburg.

Corti muss sich im Zusammenhang mit einem Milliardenkredit und seinen Bemühungen um die Rettung der Gruppe in seiner sechsmonatigen Amtszeit vor dem Grounding rechtfertigen. Er wird wie im Bülacher Prozess von seinem Vertrauensanwalt Paul Ramer verteidigt. Heute ist der erste Verhandlungstag, in einer Woche erfolgt der zweite.

Am Revisionsprozess am Zürcher Obergericht sorgt vor allem die Argumentation der Kläger rund um einen Milliardenkredit für Spannung. Nachdem Mario Corti im Frühling 2001 das Amt des Konzernleiters und Präsidenten der Swissair-Gruppe übernommen hatte, liess er nach der Generalversammlung unter dem Titel «Swissair-Group: Neuer Name und neue Konzernstruktur – Liquidität ist gesichert, Ausstieg in Frankreich wird vorbereitet» im Presse-Communiqué folgenden Satz veröffentlichen: «Die Liquidität ist durch eine neue Kreditlinie von CHF 1 Milliarde bei Citibank, Credit Suisse First Boston und der Deutschen Bank gesichert.»

Doch das Geld landete nie auf den Konti der notleidenden Schweizer Airline. Als der Swissair nach den Terroranschlägen von September 2001 das Geld endgültig ausging, musste Corti an einer der letzten Verwaltungsrats-Sitzungen am 30. September zugestehen: «Der Plan, eine Milliarde Franken einer Kreditlinie zu ziehen, (…) ging nicht auf.» Laut dem Protokoll der emotionalen Untergangssitzung verteidigte Corti seine eigene Leistung. «Mario Corti fügte hinzu, er würde die Bemerkung zurückweisen, wonach er nicht genügend zur Stärkung der finanziellen Lage der Gruppe unternommen habe.»

Hatte er genug unternommen, oder hatte er nicht? Das ist eine zentrale Frage des zweiten Prozesses gegen Corti. Die Probleme des von der Schweiz enttäuschten und in die USA ausgewanderten Managers liegen in den Konditionen, die seine Vertrauten mit den Banken im Frühsommer 2001 ausgehandelt hatten.

An drei Sitzungen des Verwaltungsrates musste Corti auch nach seiner optimistischen Aussage an der Generalversammlung die enge Liquiditätslage eingestehen: «Mario Corti beurteilt die finanzielle Lage der Gruppe als besorgniserregend» (11. Juni 2001), «Mario Corti ist besorgt über die Liquidität der Gruppe» (27. Juni), «Mario Corti berichtet über die schwierigen Verhandlungen mit den drei Grossbanken» (10. Juli), steht in den Protokollen.

Dem Swissair-Chef war demnach spätestens am 10. Juli bekannt, dass der Milliarden-Kredit noch nicht unter Dach und Fach war. Trotzdem schrieb er zwei Tage später in einem Rechenschaftsbericht zuhanden der Öffentlichkeit: «In den letzten drei Monaten haben wir Folgendes erreicht: eine Überbrückungskreditlinie von 1 Milliarde Schweizer Franken, abgeschlossen mit drei unserer Hausbanken (…).»
5 Tage später informierte Corti seinen Verwaltungsrat, dass der Kreditvertrag unterschrieben sei. Gemäss Protokoll sprach Corti nun von einem Überbrückungskredit, der «teilweise mit einschränkenden Bezugskonditionen verbunden» sei. Eine Bedingung der Hausbanken war, dass andere Banken während der einjährigen Laufzeit keine eigenen offenen Ausstände zurückfordern durften. Corti sagte dem VR, dass diese Drittbanken «teilweise auf Gleichstellung» beharrten und «die Bedingungen der neuen Fazilität einsehen» wollten.

Am gleichen Tag, dem 17. Juli 2001, schrieb ein externer Swissair-Anwalt der Zürcher Kanzlei Homburger an Rechts- und Finanzleute in Cortis Spitzenteam unter dem Titel «CHF 1 Billion Bridge Loan Facility – Essential Terms and Characteristics» ein Mail, in dem von «extrem harten Bedingungen» des neuen Bankenkonsortiums die Rede war. Es habe praktisch keinen Verhandlungsspielraum für die Swissair gegeben. Und dann kommt der Homburger-Anwalt zum entscheidenden Punkt: «Diese Bedingungen machen es für die Swissair-Gruppe sehr schwierig, vom Überbrückungskredit überhaupt Gebrauch zu machen.»

Während Corti also nach aussen den Kredit zumindest als wichtiges Auffangnetz darstellte, wussten seine Spezialisten, dass die Milliardensumme kaum jemals überwiesen würde. Die Frage für die Richter wird sein, wie stark der letzte Swissair-Chef den Milliardenkredit als Rettungsanker benutzte, um die Öffentlichkeit und die Investoren bewusst zu täuschen.


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