Abgang des Sonnenkönigs

Valiant Kurt Streit wollte da Regionalinstitut zur dritten Grossbank des Landes machen. Er scheiterte. Nun versucht er zu retten, was zu retten ist. Handelszeitung, 13. Dezember 2012

Der Berner Banker strahlte. „Wir freuen uns, Ihnen bereits zum zehnten Mal hintereinander ein hervorragendes Ergebnis präsentieren zu können“, schrieb Kurt Streit im Vorwort des Geschäftsberichtes 2006. Dank einer „raschen und vollständigen Integration und der jeweiligen Straffung der Strukturen und Abläufe ist es uns gelungen, die Produktivität beträchtlich zu erhöhen, die Gewinne kontinuierlich zu steigern und die Finanzkraft nachhaltig zu stärken“. Streit verfolgte unbeirrt seinen Plan der Schaffung eines mächtigen Bankenverbundes, der die Vorherrschaft der Zürcher in der Branche brechen sollte.

Davon ist nicht viel übrig geblieben. Streit diente in den letzten Wochen seine Valiant der Berner Kantonalbank an. Kein börsenkotiertes Unternehmen wirft sich freiwillig in die Arme der Konkurrenz. In ihrer Expansion übernahm sich die ehrgeizige Berner Bankengruppe. Ihre Kapitaldecke wurde dünn.

Doch Streit ist ein schlauer Fuchs, gestählt durch viele Übernahmeschlachten. Er wäre nicht so weit gekommen, wenn er nicht immer einen Trumpf in der Hinterhand hielte. Was genau der heutige Valiant-Präsident mit seiner Offerte an die Berner Staatsbank vorhat, bleibt sein Geheimnis. Dass Streit eine genaue Vorstellung davon hat, was der Coup ihm bringen würde, steht für Branchenkenner aber ausser Zweifel. Immerhin nennt Streit sein Motto auf der Valiant-Homepage selbst: „Das Gesetz des Handelns immer in den eigenen Händen behalten.“

Dem folgte er stets. Geschickt nutzte Streit in den letzten Jahren seine Macht, um mit Valiant immer einflussreicher zu werden. Zentrales Mittel zum Zweck beim Aufbau der Valiant zu einem Bankenbollwerk im Mittelland mit Niederlassungen von Lausanne bis Zug war die Bankensoftware Ibis. Ihr kam in Streits Masterplan, der laut Insidern schon immer im Schulterschluss mit der Berner Kantonalbank gipfelte, die Schlüsselrolle zu.

Die technischen Handschellen

Ibis wurde von Streit in den 1990er-Jahren als Informatik-Plattform für die Regionalbanken-Holding RBA durchgedrückt – gegen den Willen vieler anderer Bankenchefs. Es war die Zeit der grossen Immobilien-Abschreiber, und die RBA hatte sich als Auffangbecken für kriselnde Institute etabliert. Wenig sprach damals für die Software. Sie stammte aus den 1970er-Jahren, als die Banken erste Informatik-Lösungen einführten. „Ibis war ein Traktor, schwer und langsam, und jede noch so kleine Änderung verschlang Unsummen“, erzählt ein Insider, der damals mit dem System vertraut war.

Für Streit war Ibis trotzdem das richtige Werkzeug. Nicht weil er darin eine Software für die Zukunft sah, sondern weil er damit die kleineren Banken unter seine Fittiche locken konnte. Streit habe den Kleinen die „Ibis-Handschellen“ angelegt, sagt die Quelle. Alternativen wie die auf dezentralen Lösungen fussende Software Finnova hätten den RBA-Mitgliedern mehr Freiheit gelassen. Doch das war nicht im Sinne Streits.

Anfänglich schien der Streit-Plan aufzugehen. Ibis setzte sich unter dem Lead von Streit in der RBA durch. Der gelernte Betriebswirt konnte bei der Gründung der Valiant, die 2002 aus dem Zusammenschluss der Berner Spar + Leihkasse in Bern, Gewerbekasse in Bern und BB Bank Belp entstand und später durch die Basler IRB Interregio Bank und die Luzerner Regiobank gestärkt wurde, den Chefstuhl besetzen. Nun schien der Weg frei für den ehrgeizigen Sonnenkönig. Er plante, eine Bank nach der anderen aufzusaugen, um im richtigen Moment bereit zu sein für den grossen Coup – den Zusammenschluss mit der Berner Kantonalbank.

Doch ebenso wie Ibis das Instrument zum Aufstieg war, wurde es auch zum Grund für das Scheitern. Die Software lief im RTC, dem imposanten Real-Time Center in Köniz ausserhalb von Bern. Neben der Valiant und den übrigen RBA-Mitgliedern und der Berner Kantonalbank hatten weitere Institute ihre Daten dort verwaltet. Darunter befand sich als besonders wichtiger und grosser Wettbewerber die Migros Bank. Zusammen mit ein paar Regionalinstituten zog sie im Sommer 2007 die Reissleine und kündigte an, das Real-Time Center zu verlassen. Sie wechselte auf das Finnova-System.

Für die zurückgebliebenen Ibis-Partner war der Exodus eine Katastrophe. Ihre Stückkosten stiegen, weil das grösste Institut den Verbund verliess.

Es war der Anfang vom Ende für Ibis. In den folgenden Monaten kehrten weitere Banken der Software den Rücken und wählten andere Lösungen. Schliesslich beschloss Ende 2008 auch die RBA zusammen mit Valiant, auf Finnova zu wechseln. Damit war auch der Plan einer von der Informatik her einfachen Fusion mit der Berner Kantonalbank gescheitert.

Valiant sieht die Geschichte anders. Das lange Festhalten an Ibis und die spätere Abkehr habe nichts mit der Berner Staatsbank zu tun gehabt. „Die Vertreter der RBA-Gruppe entschieden sich im Jahr 2008 nach einer umfassenden Neuevaluation einstimmig für Finnova als neue Bankenplattform“, sagt Sprecher Johannes Möri. „Valiant unterstützte den Entscheid uneingeschränkt und setzte ihn um.“

Für Streit war die Zeit gekommen, sich vom Chef- auf den Präsidentenstuhl zurückzuziehen. Im Frühling 2010 überliess er die operative Führung Michael Hobmeier, einem langjährigen und loyalen Mitstreiter. Der begann, den Tanker Valiant zu verschlanken und auf nachhaltigen Kurs zu bringen. Die verwalteten Vermögen sanken, die Zahl der Niederlassungen sank von 100 auf 90.

Der folgenschwere Skandal

Während Chef Hobmeier bremste und restrukturierte, suchte Präsident Streit nächste Übernahmeopfer. Seinem grossen Traum, doch noch mit der Berner Kantonalbank einen Grossverbund zu zimmern, hatte er nicht aufgegeben. Doch wie beim Ibis-Debakel endete auch die Übernahmeserie im Desaster. Von Sommer bis Herbst 2010 stützte die Valiant den Kurs der eigenen Aktien durch massive Käufe. Sie war damals daran, zwei Regionalbanken zu übernehmen und mit einer weiteren eine Kooperation einzugehen. Für die Deals benötigte die Bank eigene Aktien. Je höher der Kurs der Valiant-Aktien war, desto günstiger wurde es für sie.

Plötzlich aber sah sich Valiant grossen Verkaufsvolumen ausgesetzt. Nun hätte sie weiter zukaufen müssen, doch das überforderte die Bank. Da sackte der Kurs abrupt von über 200 Franken auf rund 150 Franken ab. Die Finanzmarktaufsicht Finma lancierte eine Untersuchung und kam im Frühling dieses Jahres zum Schluss, dass die Valiant „mit ihren Aktienkäufen“ den eigenen Kurs „entgegen dem allgemeinen Markttrend“ lange habe künstlich hochhalten können. Damit habe die Bank in „schwerer Weise gegen ihre Gewährsund Organisationspflicht verstossen“, rügte der Regulator.

Es war Streits grosse Schlappe. Die Zeit des Berner Sonnenkönigs schien abgelaufen. Als sein Nachfolger wurde der ehemalige Postchef Jürg Bucher nominiert. Der hemdsärmlige, allseits geschätze Manager soll nächsten Frühling das Präsidentenamt übernehmen. Um nicht als Verlierer vom Platz zu gehen, zauberte Streit als letzten Coup den Verkauf der Valiant an die Berner Kantonalbank aus dem Hut.

Für Thomas Della Casa von der Neuen Helvetischen Bank macht ein Schulterschluss durchaus Sinn. „Das würde passen, wenn mans richtig anpacken würde. Nur: Spielt die Berner Politik mit?“ Auch der Zuger Finanzprofessor Maurice Pedergnana sieht Chancen, aber nur, wenn beide Banken über den eigenen Schatten springen. „Sie hätten nur als brandneue Berner Bank eine Chance: Ohne Violett im Logo und ohne Kantonalbank im Namen, dafür als völlig eigenständige Einheit, die sich aus den besten der beiden Gründerbanken zusammensetzt.“


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